Nach der Empfehlung der Europäischen Kommission, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine aufzunehmen, wird der Europäische Rat darüber auf seinem Gipfel im Dezember entscheiden. Dies ist ein historischer Schritt, der, besonders vor dem Hintergrund des andauernden russischen Angriffskriegs, eine große geostrategische Bedeutung hat.
Fiskalische Aspekte einer EU-Erweiterung: Folgen eines EU-Beitritts der Ukraine für den Haushalt und die Kohäsionspolitik
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Nach der Empfehlung der Europäischen Kommission, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine aufzunehmen, wird der Europäische Rat darüber auf seinem Gipfel im Dezember entscheiden. Dies ist ein historischer Schritt, der, besonders vor dem Hintergrund des andauernden russischen Angriffskriegs, eine große geostrategische Bedeutung hat.
Sollte die Ukraine in den nächsten Jahren der Europäischen Union (EU) beitreten, wird dies eine Vielzahl an Folgen haben. Nicht zuletzt wird sich ein solcher Beitritt auf den EU-Haushalt auswirken. Als bevölkerungsreiches, wenig wohlhabendes und landwirtschaftlich geprägtes Land ist abzusehen, dass der Ukraine umfangreiche Finanzmittel aus dem EU-Haushalt zustehen würden. Trotz der großen Unsicherheiten, die derzeit noch bezüglich eines Beitritts der Ukraine bestehen, etwa hinsichtlich der genauen formalen Ausgestaltung oder der zeitlichen Dimension, ist eine quantitative Abschätzung der Kosten wichtig für die weitere Debatte. In einer Abschätzung beziffert dieser Report die finanziellen Folgen einer Vollmitgliedschaft der Ukraine auf den derzeitigen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021 bis 2027 mit rund 130 bis 190 Milliarden Euro, je nachdem welche Annahmen über die Ackerlandfläche und die Bevölkerungszahl für die Ukraine getroffen werden. Davon würden demnach zwischen 70 und 90 Milliarden Euro auf Agrarsubventionen entfallen, auf die Kohäsionspolitik zwischen 50 bis 90 Milliarden Euro.
Angesichts dieses Volumens müsste die EU bereit sein, sich zu reformieren. Nur so kann die politische Entscheidung, vor allem die Ukraine mit einer Beitrittsperspektive enger an sich zu binden, glaubwürdig sein. Dies gilt zum einen auf der institutionellen Ebene, aber es gilt auch auf fiskalischer Ebene. Eine Umschichtung im EU-Haushalt könnte bei der Bereitstellung der notwendigen Finanzmittel helfen. Ein möglicher Ansatzpunkt dafür wäre die Kohäsionspolitik. Da ein primäres Ziel der europäischen Kohäsionspolitik darin liegt, weniger entwickelte Regionen zu unterstützen, wäre hier eine Umschichtung bei einer Erweiterung um die Ukraine folgerichtig. Bei einer Umstellung der europäischen Kohäsionspolitik auf ein Konzentrationsmodell, bei der die Kohäsionsausgaben auf die ärmeren Mitgliedstaaten beschränkt sind, würden Finanzmittel in Höhe von rund 140 Milliarden Euro über den Siebenjahreszeitraum des aktuellen MFR zur Verfügung stehen. Somit würde eine Umschichtung bei der Kohäsionspolitik einen erheblichen Beitrag zur Deckung der Kosten eines EU-Beitritts der Ukraine leisten können. Bei aller berechtigten Kritik einer Konzentration der europäischen Kohäsionsmittel, gilt es, dieses Potenzial, etwa bei der Aufstellung des nächsten MFR 2028 bis 2034, in dessen Zeitraum eine Erweiterung der EU fallen könnte, zu beachten.
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