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Berthold Busch IW-Kurzbericht Nr. 111 3. November 2020 Der neue britische Zolltarif

Die britische Regierung hat im Mai 2020 den neuen Zolltarif (UK Global Tariff) des Vereinigten König­reichs (VK) veröffentlicht, der am 1. Januar 2021, nach dem Ende der Übergangsperiode mit der Europäischen Union (EU), den Gemeinsamen Zolltarif der EU ersetzen wird.

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Der neue britische Zolltarif
Berthold Busch IW-Kurzbericht Nr. 111 3. November 2020

Der neue britische Zolltarif

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die britische Regierung hat im Mai 2020 den neuen Zolltarif (UK Global Tariff) des Vereinigten König­reichs (VK) veröffentlicht, der am 1. Januar 2021, nach dem Ende der Übergangsperiode mit der Europäischen Union (EU), den Gemeinsamen Zolltarif der EU ersetzen wird.

Der neue britische Zolltarif wird auf Importe aus Drittstaaten in das VK angewendet werden und, falls kein Freihandelsabkommen mit der EU zustande kommt, auch auf Warenlieferungen aus der EU-27 nach Britannien. Ausnahmen gelten für Länder, mit denen das VK ein Handelsabkommen abgeschlossen hat – wie aktuell mit Japan –, und für Entwicklungsländer, die am allgemeinen Präferenzsystem teilnehmen.

Der Tarif umfasst nahezu 12.000 einzelne Zollpositio­nen und lehnt sich an den Zolltarif der EU an. 3.960 Positionen bleiben unverändert und bei 1.080 Positionen erfolgte eine Umrechnung des EU-Tarifs von Euro in britische Pfund (GBP) mit einem Wechselkurs von 1 Euro = 0,83687 GBP (UK Government, 2020). In 2.000 Fällen wurden die Zölle im britischen Tarif im Vergleich mit dem EU-Tarif liberalisiert, also auf null herabgesetzt. Der Anteil der zollfrei eingeführten Waren steigt von 47 auf 60 Prozent (KPMG, 2020). Gut die Hälfte der einzelnen britischen Zolllinien sind Wertzölle, bei denen die Zollbelastung als Prozentsatz vom Einfuhrwert einer Ware ausgedrückt ist – ohne Berücksichtigung der Nullsätze. Die britische Regierung hatte vorab eine Konsultation durchgeführt.

Beim Handel mit Agrarprodukten fällt die Zollbelastung am höchsten aus. Die Briten werden – so wie auch die EU – ihren Landwirtschaftssektor durch hohe Zölle schützen. Im Agrarsektor werden häufig gemischte Zölle angewendet, die in Prozent vom Einfuhrwert plus einem Währungsbetrag bezogen auf eine Gewichtseinheit formuliert sind; im neuen britischen Tarif sind es knapp 200. Die vorgeschlagenen UK-Tarife für wichtige landwirtschaftliche Erzeugnisse entsprechen im Großen und Ganzen den Zöllen, die derzeit von der EU auf Einfuhren aus Drittländern erhoben werden, nach Währungsumrechnung: Rindfleisch: 12 Prozent, plus 254 GB je 100 kg, Lammfleisch: 12 Prozent, plus 260 GBP je 100 kg, Butter: 158 GBP je 100 kg und Käse: 139 GBP je 100 kg (KPMG, 2020). Schaffleisch mit Knochen wird gemäß dem neuen UK-Tarif mit 12 Prozent plus 186 GBP je 100 kg belastet. Dies dürfte besonders die irischen Exporteure landwirtschaftlicher Erzeugnisse treffen, wenn es nicht zu einem Freihandelsabkommen kommt.

Im Landwirtschaftsbereich werden auch Zolltarife angewendet, die in Währungseinheiten – also Euro oder GBP – bezogen auf eine Gewichtseinheit ausgedrückt werden, sogenannte Mengen- oder spezifische Zölle. Ein Beispiel: Auf die Einfuhr von nicht geröstetem Weizenmalz sieht der UK-Tarif einen Satz von 112 GBP je Tonne vor, bei der EU sind es 134 Euro. Der neue britische Tarif enthält rund 470 solcher Mengenzölle. In geringem Umfang existieren im britischen Tarif auch spezifische Zölle, die sich auf die Stückzahl beziehen oder auf eine Volumeneinheit.

Der höchste Zoll ist mit 70 Prozent für die Einfuhr von Rauchtabak fällig (Tabelle). Der gleiche Zollsatz gilt auch für Wasserpfeifentabak. Die EU erhebt für die Einfuhr beider Produkte sogar einen Zollsatz von 74,9 Prozent. Auch Fruchtsäfte unterliegen bei der Einfuhr in das VK hohen Zöllen (Tabelle).

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Im gewerblichen Bereich fallen die britischen Zölle zwar niedriger aus als im Agrarbereich, sie sind aber keinesfalls zu vernachlässigen, wie am Beispiel des Zollsatzes von 10 Prozent für Automobile deutlich wird. Noch höher liegt der Zollsatz für Busse mit 16 Prozent (Tabelle). Hinzu kommt, dass bei der Automobilproduktion Lieferketten existieren, bei denen die einzelnen Bestandteile eines fertigen Pkw bis zur Endmontage mitunter mehrfach eine Landesgrenze überschreiten, sodass sich die Zollbelastung kumuliert – selbst wenn die Pkw-Bestandteile mit weniger als 10 Prozent Zoll belastet werden, wie Schaltgetriebe für Kraftwagen, bei denen der UK-Zolltarif 4 Prozent beträgt; die EU verlangt 4,5 Prozent.

Auf der Basis des EU-Außenzolltarifs und der Handelsströme des Jahres 2017 haben Hüther et al. (2018) die Belastungen für den Außenhandel im Fall von Zöllen zwischen der EU und dem VK untersucht. Am stärksten würde nach diesen Berechnungen Deutschland und hier die Kfz-Industrie betroffen sein (Hüther et al., 2018). Auch wenn der britische Tarif im Allgemeinen nun günstiger ausfallen sollte als der Außenzolltarif der EU, können diese Berechnungen als Anhaltspunkte für Größenordnungen dienen.

Wenn ein Fertigprodukt einem höheren Zollsatz unterliegt als die für die Herstellung benötigten Vorprodukte oder Rohstoffe, liegt Zolleskalation vor. Diese Zolleskalation führt dazu, dass die effektive Protektion höher ist, als im Nominalzollsatz zum Ausdruck kommt (Donges et al., 1973, 17 f.; Senti, 2017, 168). Ein einfaches Beispiel soll das verdeutlichen: Es wird angenommen, dass die Erzeugung von Rohbaumwolle im Ausland 50 Euro bezogen auf eine Mengeneinheit kostet und Baumwolle zollfrei eingeführt werden kann. Weiterhin wird angenommen, die Weiterverarbeitung der Baumwolle zu Bekleidung im Ausland koste ebenfalls 50 Euro, sodass der Gesamtpreis bei 100 Euro liegt. Würden keine Zölle auf die Einfuhr der Fertigware erhoben, könnte die Wertschöpfung für die Weiterverarbeitung der Baumwolle im Inland 50 Euro betragen (Gesamtpreis minus Preis des Vorprodukts), um wettbewerbsfähig zu sein; von Transportkosten wird in diesem Beispiel abstrahiert. Das Fertigprodukt kann dann im Inland ebenso wie im Ausland 100 Euro kosten. Bei einem Importzoll für Bekleidung in Höhe von 10 Prozent kann das Kleidungsstück im Inland 110 Euro kosten, die Wertschöpfung oder der Produktionskostenspielraum könnte 60 Euro betragen. Das bedeutet, dass die Wertschöpfung im Inland in Höhe von 20 Prozent geschützt ist (60 dividiert durch 50 gleich 1,2).

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Gewichtet man die britischen Wertzölle mit der Anzahl der auf sie entfallenden Zolllinien und berücksichtigt noch die Nullsätze, so kommt man auf einen durchschnittlichen Zollsatz von 3,9 Prozent. Das mag niedrig erscheinen. Es zeigt sich aber an dem obigen Beispiel, dass auch ein niedriger nominaler Zollsatz einen höheren Schutz der Inlandsfertigung bewirken kann. Hinter dem Durchschnittswert verbergen sich zudem deutlich höhere Zölle für einzelne Produkte. Ohne Berücksichtigung der Null-Zollsätze errechnet sich ein Mittelwert von 6,8 Prozent.

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