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Axel Plünnecke IW-Kurzbericht Nr. 18 2. März 2020 Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Beitrag zur Zukunftssicherung

Innovationen sind der Enabler für Nachhaltigkeit und Wohlstand. Zur Sicherung der Innovationskraft spielt die Verfügbarkeit von beruflich und akademischen MINT-Kräften eine zentrale Rolle. In akademischen MINT-Berufen trägt die Zuwanderung aus Drittstaaten bereits heute stark zur Fachkräftesicherung bei. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz kann einen wichtigen Beitrag leisten, ähnliche Impulse zur Zukunftssicherung auch in Facharbeiterberufen zu setzen. Für den Erfolg kommt es jetzt auf eine gute Umsetzung an.

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Beitrag zur Zukunftssicherung
Axel Plünnecke IW-Kurzbericht Nr. 18 2. März 2020

Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Beitrag zur Zukunftssicherung

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Innovationen sind der Enabler für Nachhaltigkeit und Wohlstand. Zur Sicherung der Innovationskraft spielt die Verfügbarkeit von beruflich und akademischen MINT-Kräften eine zentrale Rolle. In akademischen MINT-Berufen trägt die Zuwanderung aus Drittstaaten bereits heute stark zur Fachkräftesicherung bei. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz kann einen wichtigen Beitrag leisten, ähnliche Impulse zur Zukunftssicherung auch in Facharbeiterberufen zu setzen. Für den Erfolg kommt es jetzt auf eine gute Umsetzung an.

Um den Wohlstand in Deutschland nachhaltig zu sichern, sind in den nächsten Jahren für die deutsche Volkswirtschaft große Herausforderungen wie Demografie, Digitalisierung und Dekarbonisierung zu meistern. Innovationen sind dabei der Enabler für Nachhaltigkeit und Wohlstand. Rund 83 Prozent der Erwerbstätigen in Forschungsabteilungen sind MINT-Kräfte (Anger et al., 2019), daher ist die Stärkung der MINT-Basis für Innovationen und Nachhaltigkeit von zentraler Bedeutung. Hierbei sind für die Innovationskraft sowohl MINT-Kräfte mit akademischen als auch beruflichem Abschluss von zentraler Bedeutung.

In den kommenden Jahren wird der MINT-Bedarf stark zunehmen. Der demografische Wandel bewirkt einen stark steigenden Ersatzbedarf an MINT-Kräften – vor allem mit beruflichem Abschluss. Die Digitalisierung führt bereits heute zu einem stark steigenden Bedarf an Informatikern. Die Dekarbonisierung ist durch technologische Innovationen möglich, die zumeist durch MINT-Kräfte erforscht und entwickelt werden. Um die Innovationskraft zu stärken, sollten die Forschungsausgaben auf 3,5 Prozent des BIP erhöht werden. Um das 3,5%-Ziel zu erreichen, werden nach IW-Berechnungen allein 220.000 zusätzliche MINT-Kräfte benötigt (Anger et al., 2019).

Im Rahmen ihrer Fachkräftestrategie versucht die Bundesregierung Maßnahmen zu entwickeln, um die Fachkräftebasis und damit die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu sichern. Hierbei setzt die Bundesregierung auf die drei Säulen Inland, Europa und International (Drittstaaten). Da die Hauptherkunftsländer der Zuwanderung aus der EU in den kommenden Jahren selbst vor großen demografischen Herausforderungen stehen werden, sind aus strategischer Sicht Netzwerke in demografiestarke Drittstaaten von besonderer Bedeutung (Geis et al., 2016).

Bei der Zuwanderung aus Drittstaaten hat die Bundesregierung mit der Blauen Karte und weiteren Verbesserungen der Zuwanderungswege wichtige Impulse gesetzt. Dazu wirbt die Regierung seit 2012 gezielt in Drittstaaten um akademische Fachkräfte in den MINT-Berufen. Mit Erfolg: Die Beschäftigung von Ausländern aus Drittstaaten (ohne die 4 Hauptherkunftsländer der Geflüchteten) in akademischen MINT-Berufen hat zwischen dem 31. Dezember 2012 und dem 30. Juni 2019 von 30.300 auf rund 75.900 um 45.600 beziehungsweise 150 Prozent zugenommen (Abbildung 1). Besonders stark ist dabei die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Indern in akademischen MINT-Berufen gestiegen – seit Ende 2012 um mehr als 310 Prozent. Im Unterschied zur GreenCard, die von 2000 bis 2004 auch Inder in akademischen MINT-Berufen anwerben wollte, sind die Impulse zur Fachkräftesicherung aus Drittstaaten in akademischen MINT-Berufen seit 2012 sehr erfolgreich. Allein die zusätzlichen 45.600 Beschäftigten aus Drittstaaten in akademischen MINT-Berufen tragen zur jährlichen Wertschöpfung in Höhe von knapp 5,2 Milliarden Euro bei.

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Die Beschäftigung von Ausländern in akademischen MINT-Berufen mit einer Nationalität aus der EU oder gleichgestellten Ländern stieg hingegen nur um knap​p ​69 Prozent von 39.000 am 31. Dezember 2012 auf 65.800 am 30. Juni 2019.

In MINT-Facharbeiterberufen ist hingegen ein anderes Bild zu beobachten - hier gab es in den letzten Jahren keine deutlichen Verbesserungen beim Einwanderungsrecht für Drittstaatsangehörige. Während die Beschäftigung von Ausländern aus den EU-Staaten in MINT-Facharbeiterberufen von 134.900 auf 241.200 um 106.300 beziehungsweise 78,8 Prozent und damit sogar prozentual stärker als bei den akademischen MINT-Berufen gestiegen ist, war die Beschäftigungszunahme von Drittstaatsangehörigen von knapp 166.000 auf gut 196.100 mit 30.100 beziehungsweise nur 18,2 Prozent um rund 132 Prozentpunkte geringer als in akademischen MINT-Berufen (Abbildung 2). Ein großer Teil des Zuwachses geht dabei auf Zuwanderer aus den West-Balkan-Staaten zurück, für die besondere Zuwanderungsregeln in den letzten Jahren geschaffen wurden (Geis-Thöne, 2018).

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Die Bundesregierung hat ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen, das ab dem 1. März 2020 gilt und die Regelungen für Drittstaatsangehörige in Facharbeiterberufen an die Regelungen in akademischen Berufen anpasst. Das Gesetz flankiert die Fachkräftesicherung durch eine gezielte und gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten. Alle Fachkräfte, die über einen Arbeitsvertrag und eine anerkannte Qualifikation verfügen, können in den entsprechenden Berufen in Deutschland arbeiten. Es gibt keine Beschränkung von Zuwanderungswegen auf Engpassberufe mehr, die Vorrangprüfung entfällt bei Fachkräften generell. Eine befristete Einreise zur Arbeitsplatzsuche wird analog zu den Regelungen für Personen mit akademischem Abschluss auch für Fachkräfte aus Drittstaaten mit qualifizierter Berufsausbildung geschaffen. Die Regelungen zu einem Aufenthalt zum Durchführen von Qualifizierungsmaßnahmen für Drittstaatsangehörige, um eine Anerkennung der ausländischen Qualifikation zu erlangen, werden ebenso attraktiver gestaltet.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bietet folglich große Chancen, eine höhere Dynamik aus Drittstaaten bei der Zuwanderung auch in MINT-Facharbeiterberufen zu entfachen. Allerdings könnte die Gestaltung der Verwaltungsverfahren hemmend wirken. Dabei kann vor allem die Anerkennung der ausländischen Berufsabschlüsse, die Grundvoraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist, ein großes Problem darstellen. Anders als bei den Hochschulabschlüssen, die von den deutschen Auslandsvertretungen mittels einer Datenbank geprüft werden, ist hier nämlich ein formales Anerkennungsverfahren durch die zuständigen Stellen in Deutschland zwingend, das mit einem substanziellen Zeit- und Kostenaufwand verbunden sein kann. Hinzukommen die teilweise monatelangen Wartezeiten bei den deutschen Auslandsvertretungen, die die Einreise stark verzögern können. Mit dem sogenannten „beschleunigten Fachkräfteverfahren“, das zentrale Ausländerbehörden als Ansprechpartner benennt, diesen die Aufgabe überträgt, alle notwendigen Schritte in die Wege zu leiten, und die jeweiligen Verfahrensdauern begrenzt, hat der Gesetzgeber ein Modell für einen moderneren Verwaltungsvollzug geschaffen. Allerdings steht dies zunächst nur den Arbeitgebern und nicht den zuwanderungsinteressierten Fachkräften selbst offen, und es muss sich in der Praxis auch erst noch bewähren. Sofern dieses Verfahren erfolgreich ist, sollte es zu einem Standard werden. Sollte dies nicht der Fall sein, muss geprüft werden, wo die Problemstellen liegen und möglichst schnell entsprechend nachgesteuert werden. Die verbesserten Zugangswege für die Zuwanderung von MINT-Fachkräften aus Drittstaaten können nämlich nur dann effektiv genutzt werden, wenn bürokratische Hürden sie nicht versperren. Daher sollte der administrative Rahmen an dieser Stelle auch kontinuierlich verbessert werden.

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