Die französische Regierung hat die EU-Verhandlungen zum Mercosur-Freihandelsabkommen für gescheitert erklärt, ohne Rücksprache mit Brüssel. Damit gibt sie einer einzelnen starken Lobby nach und schadet der gesamten EU. Die Kommission muss für das Abkommen kämpfen, notfalls ohne Frankreich.
Mercosur: Die EU muss ein Machtwort sprechen
Die französische Regierung fürchtet die Wut ihrer Bauern – und hat dem Mercosur-Abkommen eine Absage erteilt: Man werde es nicht unterzeichnen, heißt es. Damit beugt sich Paris den Landwirten, die Konkurrenz aus Südamerika fürchten und entsprechend Druck gemacht hatten. Dabei hat Frankreich gar keine Hoheit über die Handelspolitik, sondern Brüssel – notfalls könnte der Rat der Mitgliedstaaten auch ohne Frankreich mit qualifizierter Mehrheit über Mercosur entscheiden. Das Abkommen muss kommen, es ist im Interesse der gesamten EU. „Die Kommission muss jetzt ein Machtwort sprechen“, sagt IW-Handelsexpertin Samina Sultan. „Es kann nicht sein, dass die Partikularinteressen eines einzigen Mitgliedstaates in so fundamentaler Art die übergeordneten EU-Interessen torpedieren.“
Mercosur würde China-Abhängigkeit reduzieren
Zwar sind die Mercosur-Staaten – Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela – zusammen lediglich elftwichtigster Handelspartner der EU, allerdings reicht ihre geoökonomische Bedeutung viel weiter. Als Demokratien sind sie wichtige Wertepartner. Zudem verfolgt die EU ihre Strategie des De-Riskings und arbeitet daran, die Abhängigkeit zu China zu verringern – auch dafür ist das Abkommen ein wichtiger Schritt. Ohne die nötigen Partner dürfte der neue Weg eine Worthülse bleiben.
Im vergangenen Jahr ist, nicht zuletzt wegen des Themas Landwirtschaft, auch schon das Abkommen mit Australien gescheitert. Die französischen Bauern befürchten vor allem, dass künftig vermehrt Rindfleisch importiert werden könnte, einen statistischen Beleg für diese Sorge gibt es bisher nicht. Studien zeigen, dass der Effekt aufgrund restriktiver Importquoten in diesem Bereich gering sein dürfte.
Wichtige Rohstoffe aus Mercosur-Staaten
Derzeit haben die Mercosur-Staaten noch kein größeres Handelsabkommen geschlossen, damit gelten sie mit ihren hohen Handelsbarrieren als relativ geschlossener Markt. Von einem Abkommen könnte die EU somit ganz besonders profitieren: Die europäische Industrie würde etwa im Green-Tech Bereich von Zollvergünstigungen profitieren und sich Zugang zu wichtigen Rohstoffen sichern. Was ohne Abkommen droht, lässt sich dagegen an der Entwicklung im vergangenen Jahr nachzeichnen: Im Vergleich zu 2022 ist der Handel 2023 zwischen den beiden Staatenblöcken erneut geschrumpft. Der Export der EU27 in die Mercosur-Staaten ist um etwa 10 Prozent gesunken und der Import aus dem Mercosur ist gar um 20 Prozent zurückgegangen (jeweils bezogen auf den Zeitraum Januar bis Oktober). Ohne ein Freihandelsabkommen droht sich diese Entwicklung fortzusetzen. Unterdessen kann China seine Position dort immer weiter ausbauen. „Wer wie der französische Präsident strategische Autonomie groß schreibt, der muss auch Freihandelsabkommen groß schreiben.“, sagt Samina Sultan „Denn wir können nicht alles alleine in Europa herstellen.“
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IW
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