Der Sozialverband Deutschland hat heute eine neue Studie vorgestellt: Demnach sind arme Menschen von hohen Mieten besonders betroffen. Allerdings kann die Untersuchung nicht nachweisen, dass sich die Wohnverhältnisse in Deutschland dramatisch zugespitzt haben – und trifft voreilige Schlussfolgerungen.
SoVD-Studie: Richtige Diagnose, falsche Schlussfolgerung
Im Grunde ist es eine Querschnittsanalyse, die der Sozialverband Deutschland (SoVD) heute vorgestellt hat: Die Untersuchung basiert auf Daten des Mikrozensus 2014 und einer EU-Befragung aus dem Jahr 2015. Demnach muss ein durchschnittlicher Haushalt etwa 27 bis 29 Prozent seines Einkommens für die Bruttokaltmiete ausgeben. Wer besonders wenig verdient, hat relativ gesehen besonders hohe Mietausgaben. Das betrifft vor allem Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund, Rentner und Menschen mit geringem Bildungsniveau. So weit, so korrekt.
Allerdings vernachlässigt die Studie staatliche Transferleistungen, insbesondere die Kosten für Unterkunft und Heizung, die Hartz-IV- und Sozialhilfe-Empfänger erhalten. Auch Wohngeld, das einkommensschwache Haushalte beziehen können, taucht in den Berechnungen nicht auf. Dabei sollte gerade das Wohngeld viel stärker berücksichtigt werden – schließlich ist die Unterstützung wirksam und effizient. Wer nur ein geringes Einkommen hat, erhält je nach Miethöhe einen Zuschuss, beispielsweise in Höhe von 30 Prozent. Trotzdem führt Wohngeld seit der großen Sozialreform 2005 ein Nischendasein und wird nicht automatisch an Miet- und Preisentwicklungen angepasst.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass steigende Mieten die soziale Spaltung vertiefen – allerdings liefert die Untersuchung keinen Nachweis dafür. Tatsächlich entwickeln sich Mieten und Einkommen seit dem Jahr 1993 weitestgehend ähnlich: Sowohl das sogenannte Äquivalenzeinkommen als auch die Bruttokaltmieten haben nach Daten des Sozio-Ökonomischen-Panels von 1993 bis 2014 um knapp zwei Drittel zugelegt.
Der SoVD fordert vom Staat Subventionen und Marktregulierung, erwähnt dabei aber nicht den wichtigsten Aspekt: Um den Wohnungsmarkt zu entlasten, müsste es mehr Wohnungen geben. Vor allem Städte und Gemeinden in Ballungszentren müssen einen Politikwechsel vollziehen, denn sie sind in den vergangenen Jahren massiv gewachsen. Berlin zum Beispiel zählte zwischen den Jahren 2012 und 2017 jährlich rund 47.500 neue Bürger. Gefragt sind nun die Kommunen, denn sie bestimmen, wo gebaut wird und wo nicht. Der Bund könnte sie zukünftig stärker bei Infrastrukturinvestitionen unterstützen und so nicht nur Nachverdichtungen, sondern auch neue Wohnbauprojekte an den Stadträndern und den Umlandgemeinden vorantreiben.
Der Verband wünscht sich auch neue Sozialwohnungen. Das wäre zwar wirksam, aber auch sehr teuer, vor allem, weil viele Haushalte auch dann noch von der Förderungen profitieren und vergünstigt wohnen, wenn sie nicht mehr bedürftig sind. Die sogenannten Fehlbelegungsquoten sind hoch und lassen sich kaum verringern. Besser sind deshalb direkte Transfers an einkommensschwache Haushalte, beispielsweise über das Wohngeld.
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