Ob der Beitragssatz zur Rentenversicherung sinken kann, entscheidet sich im Herbst. Es ist – auch rechtlich – keine Option, dem Beitragszahler ein weiteres Mal eine Entlastung vorzuenthalten und stattdessen den Bundeshaushalt zu entlasten. Damit würde die Glaubwürdigkeit des Rentensystems endgültig verspielt.
Schulden tilgen verboten
Zum Jahreswechsel 2013/2014 verfügte die Rentenversicherung über so hohe Rücklagen, dass der Beitragssatz von derzeit 18,9 auf 18,3 Prozent hätte gesenkt werden müssen. Hätte, hätte, Fahrradkette – mit der „Rente mit 63“ für besonders langjährig Versicherte und der Aufstockung der „Mütterrente“ entstehen aktuell zusätzliche Ausgaben, die die Bundesregierung davon abhielten, den Beitragssatz zu senken.
Aber die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung steigt und steigt – und sie spült mehr Beiträge in die Rentenkasse als erwartet. Nach Berechnungen des Bundesversicherungsamtes hat die Rücklage jetzt einen neuen Rekordwert erreicht. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin geht von einer günstigen Einnahmenentwicklung aus und erwartet für 2015, dass in der Rentenkasse weit mehr liegen bleibt als die gesetzlich höchstens erlaubte Nachhaltigkeitsrücklage. Und so stellt sich abermals die Frage, ob der Beitragssatz nicht zum Jahreswechsel reduziert werden muss.
Allerdings sollte man zunächst einmal die offizielle Schätzung der Rentenfinanzen im Herbst abwarten. So steht zum Beispiel hinter den Aufwendungen für die „Rente mit 63“ noch ein Fragezeichen. Wie viele Personen berechtigt sind und tatsächlich vorzeitig in den Ruhestand wechseln, vermag selbst die Rentenversicherung nur zu schätzen. Deshalb haben jene Stimmen durchaus Recht, die vor vorschnellen Festlegungen und Versprechungen warnen.
Umgekehrt sind allerdings auch jene Stimmen mit Vorsicht zu genießen, die so tun, als könne die Politik zwischen Beitragssatzsenkung und Schuldenabbau wählen. Diese Frage stellt sich nämlich gar nicht: Das Sozialgesetzbuch schreibt eindeutig vor, dass der Beitragssatz anzupassen ist, sollte die Reserve der Rentenversicherung aktuell und absehbar im Folgejahr über der Obergrenze in Höhe des 1,5-Fachen einer Monatsausgabe liegen. Die Rentenkasse hat darüber hinaus kein Mandat, Kapital zu bilden. Wer aber glaubt, er könne den Beitragszahler weiter belasten und dafür den steuerfinanzierten Bundeszuschuss an die Rentenversicherung kürzen, der setzt die Glaubwürdigkeit des Rentensystems endgültig aufs Spiel. Denn dann droht eine Rentenpolitik nach Kassenlage des Bundes.
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