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Jürgen Matthes IW-Nachricht 23. Juni 2022

Abhängigkeit von China: Die Zeit drängt

Der russische Angriffskrieg mit seinen Folgen für die deutsche Wirtschaft zeigt, wie gefährlich eine zu starke Abhängigkeit von einzelnen Ländern sein kann. Gerade mit Blick auf China müssen Deutschland und die EU unabhängiger werden. Politik und Wirtschaft müssen sich neu ausrichten.

Am Wochenende lädt Bundeskanzler Olaf Scholz die G7-Staaten ins bayerische Elmau ein. Vor dem Hintergrund globaler Krisen wie der Corona-Pandemie oder dem Krieg in der Ukraine ist vielen im Westen klar geworden, dass zu große Abhängigkeiten von einzelnen Staaten riskant sind. Insbesondere im Hinblick auf China sollten die Staats- und Regierungschefs über die zukünftige Wirtschaftspolitik sprechen. Denn wer sich in der Kriegsfrage mit Russland solidarisiert und Taiwans Unabhängigkeit in Frage stellt, kann kein Partner sein, auf den ein Land übermäßig angewiesen sein sollte. Höchste Zeit also, dass sich Deutschland und die EU unabhängiger machen und auf der Export- und Importseite diversifizieren.  

Deutschland und die EU werden immer abhängiger 

Wertschöpfungsbezogene Handelsdaten der OECD zeigen, dass Deutschland und die EU ihre Handelsanteile mit China immer weiter ausbauen und damit abhängiger werden. China wiederum verringert seine Export-Abhängigkeit: 2007 waren 4,4 Prozent der chinesischen Wertschöpfung an den europäischen Verbrauch gekoppelt, im Jahr 2018 waren es nur noch 2,2 Prozent. Für die EU verläuft der Trend umgekehrt: 2007 lag der Wert bei rund 0,5 Prozent, bis 2018 stieg er auf zwei Prozent an. Ähnlich sieht es auf der Importseite aus – die Anteile scheinen auf den ersten Blick überschaubar zu sein. Doch Sorge bereitet hier ebenfalls der Trend, denn die EU und Deutschland werden abhängiger von China. Geopolitisch macht das verwundbar, wie aktuell der Konflikt mit Russland beim Gas zeigt. Auf China sind wir insbesondere bei einigen kritischen Rohstoffen, wie Magnesium und Seltenen Erden angewiesen. In Deutschland sind rund 1,1 Millionen Beschäftigte vom Verbrauch in China abhängig. Das sind zwar nur rund 2,5 Prozent, doch die Tendenz steigt. Andersherum sind es in China mit 4,1 Millionen in absoluten Zahlen zwar mehr Menschen, doch in Anbetracht der über 700 Millionen Erwerbstätigen ist der Anteil relativ gering.  

IW-Auswertungen zeigen, dass China insgesamt nicht stärker abhängig vom Westen ist als Russland. Das hat Russland jedoch nicht von der Invasion der Ukraine abgehalten. Offensichtlich leben wir nicht mehr in Zeiten, in denen Handelsverflechtungen vor kriegerischen Aggressionen schützen. Der Westen, aber insbesondere Deutschland und die EU, müssen sich daher fragen: Wie würden wir im Falle eines chinesischen Einmarschs in Taiwan reagieren? 

Diversifizierung statt Decoupling 

Damit das Dilemma nicht allzu stark ausfällt, sollten die EU und Deutschland ihre Abhängigkeit von China reduzieren. China ist aber schlicht zu groß, um sich ganz abkoppeln zu können. Daher geht es vor allem um den Ausbau von Partnerschaften mit anderen Ländern. Dringend nötig sind dazu vor allem Freihandelsabkommen mit wichtigen Staaten in Asien wie Indien und Indonesien. Das sorgt für eine Diversifizierung und reduziert die Abhängigkeit von China. Die EU verhandelt bislang aber vergeblich mit diesen und anderen Staaten. Das muss sich ändern, indem Brüssel mehr Kompromissbereitschaft zeigt und weniger hohe Standards verlangt. Fest steht: Die Zeit drängt.  

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Gegenseitige Abhängigkeit im Handel zwischen China, der EU und Deutschland
Jürgen Matthes IW-Report Nr. 35 13. Juni 2022

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Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

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