In den vergangenen Jahren sind viele Frauen aus Ostdeutschland weggezogen. Inzwischen verlassen mehr Männer den Osten. Das geht aus einer Studie vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Dennoch herrscht demnach in den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands weiter Männerüberschuss. IW-Migrationsforscher Wido Geis auf MDR Aktuell zu den Folgen.

"Ostdeutschland und das Problem Männerüberschuss"
Es gehen weniger Frauen aus dem Osten in den Westen, mehr Männer entscheiden sich zu diesem Schritt. Dennoch gibt es Regionen mit einem nach wie vor hohem Männerüberschuss. Welche Konsequenzen hat der Männerüberschuss wirtschaftlich und politisch?
Ein starker Männerüberschuss hat in erster Linie die Konsequenz, dass viele junge Männer keine Partnerin finden können. Zusammen mit einer ungünstigen Arbeitsmarktlage kann dies zu einer starken Perspektivlosigkeit für die betroffenen Männer führen. Dies wiederum fördert das Erstarken rechter Parteien.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Männerüberschuss an sich weniger problematisch. Im Kontext der Abwanderung ergibt sich allerdings die Schwierigkeit, dass die Leistungsträger am Arbeitsmarkt die betroffenen Regionen verstärkt verlassen, was durch das Erstarken rechter Parteien noch gefördert wird.
Werden sich die Regionen jemals erholen?
Obwohl eine schnelle Erholung nicht zu erwarten ist, ist die Lage nicht hoffnungslos. So hat sich das Geschlechterverhältnis bei der Ost-Westwanderung insgesamt ja auch gedreht. Wichtig ist allerdings, dass die betreffenden Regionen daran arbeiten, für junge Menschen attraktiver zu werden, wozu neben Beschäftigungsmöglichkeiten auch Freizeitangebote zählen.
Tatsächlich sind vor allem Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen betroffen: Hat es da falsche Weichenstellungen gegeben, respektive was raten Sie den entsprechenden Bundesländern?
Dass vor allem Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen betroffen sind, ist vorwiegend darauf zurückzuführen, dass hier in DDR-Zeiten eine starke industrielle Basis bestanden hatte, die nach der Wende weggebrochen ist.
Dieser Strukturwandel ist inzwischen allerdings vollzogen. Damit sich die Wirtschaft in den besonders betroffenen Regionen weiter erholt, ist es sinnvoll, gezielte Wachstumsimpulse zu setzen, etwa durch die Ansiedlung von Forschungseinrichtungen mit technischem Schwerpunkt.
Warum verharren Männer in diesen wirtschaftlich schwachen Regionen?
Das hängt insbesondere mit traditionellen Rollenbildern zusammen. Diesen zufolge sollten Männer mit ihren Familien in der Nähe ihrer Eltern bleiben und sich im Alter um sie kümmern, während die Frauen in andere Familien "einheiraten".
Generell sind der Studie zufolge auch Männer mobiler geworden. Welche Implikationen hat das für die betroffenen Regionen, die nun auch ihre Männer verlieren – oder gar mehr Männer als Frauen?
Durch die höhere Mobilität von Männern wird das Geschlechterverhältnis in den von Abwanderung betroffenen Regionen meist in Ostdeutschland ausgeglichener. Dadurch finden die verbliebenen jungen Männer eher eine Partnerin und können eine Familie gründen. Damit geht auch die Perspektivlosigkeit in den Regionen zurück und diese gewinnen an Attraktivität.
Zum Interview auf mdr.de

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