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Sonja Beer auf rnd.de Interview 1. April 2022

„Putin kann sich vom Finanzsystem nicht abkoppeln“

Ein Gaslieferstopp für Russland hätte gravierende Folgen. Das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit des russischen Staats und die Verunsicherung in der Bevölkerung würden massiv steigen, erklärt IW-Ökonomin Sonja Beer im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Frau Beer, über Gaslieferungen in Rubel hat es in den vergangenen Tagen viel Aufregung gegeben. Wie wird es da weitergehen?

Eine Einstellung russischer Gaslieferungen ist nicht komplett auszuschließen. Jedoch ist dieser Fall eher unwahrscheinlich. Die Energieexporte sind Russlands Haupteinnahmequellen. Die Konsequenzen eines Lieferstopps für Gas wären für die russische Wirtschaft gravierend.

Warum hat Putin überhaupt diesen höchst fragwürdigen Vorstoß mit der Rubel-Umstellung unternommen?

Es geht darum, den schwachen Rubel zu stützen, der zwischenzeitlich viel an Wert verloren hatte. Wenn alle Abnehmer ihre Rechnungen in Rubel begleichen müssen, dann wird die Nachfrage nach der russischen Währung steigen, was dessen Umtauschverhältnis zu Dollar oder Euro verbessern würde. Dabei könnte Putin oder die Sachlage die Europäer möglicherweise dazu zwingen, den Umtausch nicht bei Geschäftsbanken, sondern bei der russischen Zentralbank vorzunehmen. Damit würden die Sanktionen teilweise umgangen, die derzeit die Zentralbank lähmen.

Was könnte das für die russische Volkswirtschaft bringen?

Ein stärkerer Rubel bringt Vertrauen zurück, macht Importe billiger und bremst damit die Inflation etwas. Das ist auch deshalb so wichtig, weil Russland bei sehr vielen wichtigen Gütern auf Einfuhren angewiesen ist, unter anderem bei Maschinen, Fahrzeugen und Elektronik.

Was würde passieren, wenn die Einnahmen aus den Energieexporten aber dann doch noch wegfallen?

Die russischen Staatsfinanzen werden dadurch negativ beeinflusst. Auch das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit Russlands und einer noch tieferen Wirtschaftskrise steigt. Schon jetzt ist klar, dass die russische Wirtschaft wegen des Krieges deutlich schrumpfen wird. Auch eine sehr hohe Inflation zeichnet sich aufgrund vieler Knappheiten ab.

Die wirtschaftliche Misere würde sich bei einem Energieembargo noch deutlich verschärfen. Die russische Zentralbank geht schon jetzt von einer Inflationsrate von 20 Prozent für dieses Jahr aus – das ist schon sehr hoch. Das Bruttoinlandsprodukt soll um 8 Prozent zurückgehen. Es gibt aber auch andere Vorhersagen von Forschungsinstituten, die von einem Rückgang um sogar 15 Prozent in diesem Jahr ausgehen.

Zum Interview auf rnd.de.

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