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IW-Hauptstadtbüroleiter Knut Bergmann
Knut Bergmann bei t-online Interview 9. August 2022

Schröder bleibt SPD-Mitglied: „Das dürfte die Partei noch auf Jahre beschäftigen“

Gerhard Schröder darf in der SPD bleiben, obwohl der Altkanzler nach wie vor zu Wladimir Putin hält. IW-Hauptstadtbüroleiter Knut Bergmann erklärt im Interview mit t-online, was dahintersteckt.

Gerhard Schröder entkommt vorerst einem Parteiausschluss. Der Altkanzler habe nicht gegen die Parteiordnung verstoßen, verkündete das SPD-Schiedsgericht in Hannover am Montag.

Schröder steht seit Jahren wegen seiner Nähe zu Kremlchef Wladimir Putin in der Kritik. Bereits kurz nach dem Abschied aus dem Kanzleramt 2005 begann er mit seiner Arbeit für russische Energiekonzerne. Seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine ist der Druck auf ihn massiv gewachsen. Mehrere Politikerinnen und Politiker legten ihm bereits einen freiwilligen Parteiaustritt nahe. Schröder weigerte sich – und provozierte mit neuen Aussagen erst recht.

Er betonte immer wieder, dass er seinen Draht zu Putin weiter aufrechterhalten wolle. Den Krieg nannte Schröder zwar einen Fehler Russlands. Gleichzeitig zeigte er aber auch Verständnis für russische Ängste vor einer "Einkreisung" durch die Nato, sprach sich gegen Sanktionen und für eine Inbetriebnahme der umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 aus. Weil er damit die russische Propaganda übernehme und der SPD schade, wurden mehrere Anträge auf Parteiausschluss gestellt.

Wie geht es nun weiter?

Dennoch unterstrich Schröder seine Aussagen Ende Juli mit einem Besuch in der russischen Hauptstadt Moskau – nach eigenen Angaben, um Urlaub zu machen. Später stellte sich heraus, dass er mit Putin unter anderem über Gaslieferungen gesprochen hatte. International sorgte das Treffen für Empörung.

Was bedeutet es für Schröder und die Partei nun, dass das Parteiausschlussverfahren gescheitert ist? Und wie könnte es in dem Fall weitergehen? Der IW-Hauptstadtbüroleiter Knut Bergmann gibt Antworten.

Das SPD-Schiedsgericht in Hannover hat die Anträge auf einen Parteiausschluss Gerhard Schröders abgelehnt. War das absehbar?

Es überrascht kaum, dass es beim jetzigen Verfahren nicht zum Parteiausschluss gekommen ist. Eine derartige Entscheidung hätte vermutlich eine jahrelange Hängepartie nach sich gezogen, denn Gerhard Schröder hätte die Entscheidung wahrscheinlich juristisch angefochten. Die staatlichen Gerichte hätten dann entscheiden müssen, ob der Parteiausschluss grob unbillig, also Willkür war oder nicht – das dauert beim Gang durch die Instanzen Jahre.

Warum denken Sie, dass Schröder gegen die Entscheidung vorgegangen wäre?

Er hat nichts zu verlieren. Er hat bislang weder Putin die Freundschaft aufgekündigt noch hat er den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt als das, was es ist: als einen durch nichts zu rechtfertigenden Völkerrechtsbruch mit katastrophalen humanitären Folgen. Warum hätte er sich dann nicht mit seiner eigenen Partei streiten sollen? Schröder hat sein politisches Kapital doch schon verspielt.

Inwiefern?

Was Schröder tut, kann man schwerlich noch der SPD zuschreiben. Von den meisten wird er in der Öffentlichkeit ohnehin nicht mehr als SPD-Mitglied wahrgenommen, sondern als politischer Unternehmer auf eigene Rechnung.

Warum wurden die Ausschlussanträge denn abgelehnt?

In Deutschland gibt es für einen Parteiausschluss hohe Hürden, denn es ist die Höchststrafe in einem Parteiordnungsverfahren. Die Schiedskommission darf nur dann ein Mitglied ausschließen, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Partei verstoßen hat und dadurch schwerer Schaden für die Partei entstanden ist, so heißt es im Parteiengesetz.
Dabei stellen sich allerdings die Fragen: Was ist ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Satzung? Wie wird ein schwerer Schaden der Partei definiert? Der Schiedskommission zufolge kann bei Schröder kein Verstoß nachgewiesen werden.

Fügt Schröders Russland-Nähe der SPD denn keinen schweren Schaden zu? Medial wirkt es so.

Die persönliche Freundschaft zu einem kriegsführenden Diktator reicht formal nicht aus, um einen Ausschluss zu erwirken. Ich habe für Schröders Position sehr wenig Verständnis und es ist mir rätselhaft, warum er sein politisches Erbe zerstört hat, indem er sich derart in russische Fänge begeben hat.
Aber es ist fraglich, ob seine Partei gut beraten gewesen wäre, wenn sie ein Mitglied wegen einer umstrittenen Freundschaft ausgeschlossen hätte. Beim Beispiel Max Otte war ein Ausschluss aus der CDU einfach: Er hatte sich als Kandidat der AfD für die Wahl zum Bundespräsidenten aufstellen lassen. Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen die Satzung. Schröders Fall ist komplexer.

Also hätte sich die SPD mit dem Parteiausschluss letztlich selbst mehr geschadet als Schröder?

Schon mit dem Verfahren hat sich die SPD keinen Gefallen getan. Denn zum einen könnte der abgelehnte Ausschlussantrag dem flüchtigen Betrachter suggerieren, die SPD würde Schröders Position legitimieren. Und wenn Schröder ausgeschlossen worden wäre, lenkte das den Blick auf das lange unkritische Russland-Bild der SPD. Die Auseinandersetzung damit dürfte die Partei noch auf Jahre beschäftigen.
Generell sorgen solche Verfahren für viel Öffentlichkeitspräsenz. Im Fall von Thilo Sarrazin hat das Jahre gedauert, wodurch seine Thesen in der Öffentlichkeit immer wieder Aufmerksamkeit bekamen und sich seine Bücher nur noch besser verkauften.

Und wie könnte es in dem Fall nun weitergehen: Wäre ein zweites Parteiausschlussverfahren möglich?

Hier dürfte der Grundsatz gelten, dass nicht zweimal in derselben Sache verhandelt werden darf. Beim Präzedenzfall Thilo Sarrazin waren es insgesamt drei Verfahren. Das zweite und dritte wurden nach neuen Vorfällen eingeleitet. Überträgt man das auf Schröder, müssten neue Antragsgründe eine Qualität haben, die über das bisher vorgeworfene Fehlverhalten hinausgeht. Gegen die jetzige Entscheidung kann aber binnen zwei Wochen noch Berufung eingelegt werden.

Zum Interview auf t-online.de

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