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Hagen Lesch in der Allgemeinen Bäckerzeitung Interview 23. Juli 2018

„Wenn der Mindestlohn steigt, müssen Bäcker die Preise anheben“

Beim Institut der deutschen Wirtschaft leitet Hagen Lesch das Kompetenzfeld Tarifpolitik und Arbeitsbeziehungen. Damit ist der Volkswirtschaftler auch Experte für Mindestlohn. Welche Auswirkungen die Anhebung - auch auf die Backbranche – hat, sagt er im Interview mit der Allgemeinen Bäckerzeitung.

Welche gesellschaftliche Aufgabe erfüllt der Mindestlohn?

Der Mindestlohn zielt darauf ab, faire Bezahlung zu sichern. Man sollte von seiner Arbeit leben können. Allerdings gilt das nicht für eine drei- oder vierköpfige Familie, die auch mit dem Mindestlohn nicht auskommt.

Ist der Mindestlohn ein Eingriff des Gesetzgebers in die Autonomie der Tarifparteien?

Es ist Aufgabe der Tarifparteien, faire Löhne auszuhandeln. Da ihnen dies nicht immer gelungen ist, hat der Gesetzgeber eingegriffen, um die kritisierten Zustände abzuschaffen. Er hat die Regie übernommen und damit in die Tarifautonomie eingegriffen.

Wie viel Druck übt der Mindestlohn auf die Tarifpartner aus?

Das schlechteste Modell ist die Variante, bei der die Tarifpartner nichts mehr tun, da sich ja der Gesetzgeber eingeschaltet hat.

Und die besseren Konsequenzen sind welche?

Wollen Gewerkschaften und Arbeitnehmer erfahrungsgemäß den alten Abstand zwischen Tarif und angehobenem Mindestlohn möglichst schnell wieder hergestellt wissen?

Natürlich wollen die Gewerkschaften einen möglichst großen Abstand zum Mindestlohn erzielen. Und bei den Arbeitgebern entsteht dadurch ein enormer Anpassungsdruck. Beispiele dafür sind die Systemgastronomie, Friseure, Bäcker, Landwirte und die Fleischindustrie, wo der Mindestlohn die Tariflöhne determiniert hat.

Das ist ein Anpassungsprozess.

Der nicht dramatisch ist. Ein Problem entsteht erst dann, wenn die Fähigkeit zum Tarifabschluss darunter leidet. Der Mindestlohn steigt, es gibt keine Einigung, und damit liegt der Tarif unter Mindestlohn ...

... und der Tarif wird außer Kraft gesetzt.

Zumindest der Entgelttarifvertrag. Der Manteltarif bleibt in Kraft.

Muss eine Branche wie die der Bäcker auf höhere Mindestlöhne reagieren und übertarifliche Leistungen anpassen?

Wenn sich das rechnet: ja. Wer übertariflich zahlen kann, sollte das machen. Aber das können nicht alle Betriebe.

Was sind Alternativen?

Ein Betrieb muss auf weniger Qualifizierte zurückgreifen, wenn er nur geringe Löhne zahlen kann. Notfalls müssen Leute mit schulischen Defiziten nachqualifiziert werden, aber auch Flüchtlinge und Langzeitarbeitslose, die ein geringeres Anspruchsdenken haben. Das kann aber kein einzelner Bäcker, da müsste die gesamte Branche eine Regelung finden.

Wie sollte ein Bäcker mit der Anhebung des Mindestlohns umgehen?

Wenn der Mindestlohn steigt, muss der Bäcker die Preise seiner Produkte anheben. Die Branche befindet sich aber in einem Strukturwandel. Discounter sind auf dem Vormarsch. Der Handwerksbäcker muss daher auf Qualität setzen. Dann kann er auch den Mindestlohn besser auf die Preise abwälzen, weil viele seiner Kunden nicht so preisreagibel sind.

Hat der Mindestlohn mehr Vor- oder Nachteile?

Positiv ist, dass er eine Art Norm für eine faire Lohnuntergrenze markiert. Der Mindestlohn kann aber das Lohngefüge stauchen. Das kann den Anreiz mindern, sich zu qualifizieren. Außerdem ist unklar, wer eigentlich die Kosten trägt: Ist es der Verbraucher, der höhere Preise zahlt, der Chef, der auf Gewinn verzichtet oder die Belegschaft, deren Zulagen gekürzt werden?

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