Die Corona-Krise zeigt, wie anfällig die Globalisierung ist, auch weil Lieferketten zusammenbrechen. IW-Ökonomin Galina Kolev erklärt in einem Interview mit ZDF online, was das für die deutsche Wirtschaft heißt.

Lieferketten in der Corona-Krise: Muss die Globalisierung zurückgedreht werden?
Ihr Fazit nach Wochen der Corona-Krise: War der Zusammenbruch der Lieferketten für die deutsche Industrie so heftig wie erwartet?
Der Einbruch des internationalen Handels war recht stark im März. Und für April erwarten wir einen noch stärkeren. Es ist jedoch schwer zu trennen, ob Unternehmen die Produktion einstellen, weil Lieferteile oder Arbeitskräfte fehlen oder weil die Nachfrage nach ihren Produkten sinkt.
Der Produktionseinbruch ist besonders stark, wenn diese Komponenten zusammentreffen, zum Beispiel aktuell in der Automobilindustrie.
Haben für deutsche Unternehmen viele Probleme nicht schon vor Corona begonnen?
Ja, man kann sagen, die Globalisierung ist etwas "erschöpft". Gerade in den letzten Jahren haben wir eine Trendwende beobachtet: Anstatt den internationalen Handel weiter zu erleichtern, haben einzelne Länder neue Handelsbarrieren eingeführt.
Zudem gibt es neue Themen, es geht nicht mehr nur um Effizienz, sondern auch um Nachhaltigkeit. Die EU-Kommission versucht, im Rahmen von Handelsabkommen auch auf die Einhaltung von Umweltzielen, Menschenrechten und Arbeitsstandards einzuwirken.
Die internationale Ausrichtung der deutschen Industrie macht sie erfolgreich und gleichzeitig verwundbar. Muss sie auch von sich aus die Globalisierung zurückdrehen?
Der Globalisierung haben wir in Deutschland einen erheblichen Anteil unseres Wohlstands zu verdanken. Diese Entwicklung zurückzudrehen ist weder sinnvoll noch einfach umzusetzen. Wenn wir beispielsweise ein Bauteil, was aus Italien kommt, hierzulande produzieren wollen, müssen wir Produktionskapazitäten dafür aufbauen.
Soll ein Unternehmen monatelang in Technologie investieren, um seine Vorprodukte hierzulande gegebenenfalls zu höheren Kosten zu produzieren?
Oder soll es nicht besser noch zwei Monate warten und auf die Erholung nach der Krise setzen? Zumal es in manchen Bereichen Produkte gibt, die wir aufgrund der natürlichen Ressourcen nur aus dem Ausland beziehen können.
Was würde eine Rückverlagerung von Produktionsstätten bedeuten?
Eine Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland wäre mit höheren Kosten und Preisen verbunden. Wenn wir vermehrt Produkte im Inland oder in der EU produzieren, würden outgesourcte Branchen zwar eine Renaissance erleben, indem sich beispielsweise wieder Textilindustrie in Deutschland ansiedelt.
Gleichzeitig aber würden auch unsere Exportunternehmen weniger Produkte im Ausland absetzen, wenn der internationale Handel ausgebremst wird. Man kann sich fragen, ob wir gut entlohnte Arbeitsplätze in der Automobilindustrie beispielsweise aufs Spiel setzen möchten, um dann weniger gut entlohnte Arbeitsplätze in der Textilbranche zurückzuholen?
Zum Interview auf zdf.de

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