Für die deutsche Wirtschaft ist die Logistik der Schlüssel zur langfristigen Prosperität, sagt IW-Ökonomin Barbara Engels im Interview mit Internetworld. Es helfe, Konzepte komplett neu zu denken und sich nicht an etablierten festzuhalten.

„Der Verbraucher ist beweglicher, als viele Händler denken”
Barbara Engels ist Ökonomin und forscht und berät seit 2015 am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln zur Digitalen Transformation, insbesondere auch im Handel. Hervorragende Voraussetzungen, um auf unserer eLogistics World Conference im Juli in München als Keynote-Sprecherin die Themen "Logistik und Fulfillment" einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Wir sprachen mit ihr vorab über Trends und die aktuelle Logistik-Lage im Online-Handel. In Ihrer Keynote geht es um die Frage, warum Logistik und Fulfillment mehr Sex-Appeal für Händler haben sollten. Können Sie das genauer erklären?
Ich bin der Meinung, dass Logistik durchaus schon "Appeal" hat - aber Händler müssen ihn noch deutlicher wertschätzen. Zwar werden mit Hochdruck neue Logistiklösungen entwickelt, aber die Implementierung erfolgt sehr langsam und schleppend. Gerade die großen Anbieter wie DHL und Hermes bewegen sich viel zu langsam, um der steigenden Paketflut Herr zu werden. Gleichzeitig ist der Kunde immer anspruchsvoller, wenn er online bestellt. Er hätte das Produkt gerne sofort und macht weniger Kompromisse, wenn es um Lieferzeiten geht. Ihm wird es immer egaler, wo er das Produkt kauft - Hauptsache, er hält es so schnell wie möglich in den Händen.
Sie sagen, für die deutsche Wirtschaft ist die Logistik der Schlüssel zur langfristigen Prosperität. Warum? Wo heben wir uns gegenüber anderen Ländern ab?
In Deutschland wird gerne und viel konsumiert. Den Menschen geht es gut. Gleichzeitig verstopfen unsere Straßen zusehends - wegen des zunehmenden Individualverkehrs, vielen Pendlern - und natürlich auch wegen zahlreicher Warenlieferungen. Die LKW-Dichte auf den deutschen Straßen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Dafür müssen wir Lösungen finden . Dann kann es gelingen, die bestehende hohe Nachfrage optimal zu bedienen.
Personalmangel, Preiserhöhungen, steigende Anforderungen der Verbraucher… Die Liste der Probleme, die die Logistik-Branche hat, ist lang. Was ist für Sie derzeit die größte Herausforderung?
Eines der zentralen Probleme ist sicherlich, wie die letzte Meile sinnvoll, schnell, günstig und umweltbewusst überwunden werden kann. Da kommen dann im Prinzip alle Probleme zusammen, die Sie in Ihrer Frage beschreiben. Da wird derzeit mit Hochdruck an Lösungen gearbeitet. Wir werden noch einige Bewegung in diesem Feld sehen.
Was sind für Sie Lösungsansätze, um die genannten Schwierigkeiten zu beheben?
Um eine allgemeine Empfehlung zu geben: Es hilft, Konzepte komplett neu zu denken und sich nicht an etablierten festzuhalten. Picnic ist ein Online-Händler, der dies gerade probiert: Er fährt feste Routen ab, so wie früher der Milchmann. Das wäre in den vergangenen Jahren undenkbar gewesen. Unter ein paar Bedingungen kann dies aber funktionieren. Ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren - denn auch der Verbraucher ist beweglicher, als viele Händler denken.
Worauf dürfen sich die Besucher Ihres Vortrags freuen?
Auf frische Thesen zur Bedeutung der Logistik für den Handel aus der Perspektive einer Digitalisierungsökonomin.
Zum Interview auf internetworld.de

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