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Jürgen Matthes in der taz Interview 18. März 2024

Folgen einer zweiten Amtszeit Trumps: „Der Schaden wäre dramatischer”

Donald Trump könnte zum zweiten Mal US-Präsident werden. Das hätte große Folgen für die deutsche und globale Wirtschaft, warnt IW-Ökonom Jürgen Matthes im Interview mit der taz.

Herr Matthes, Donald Trump wird aller Voraussicht nach US-Präsidentschaftskandidat der Republikaner. Umfragen sehen ihn zurzeit gegenüber Amtsinhaber Joe Biden vorne. Wie viel Angst haben Sie vor einer Wiederwahl Trumps zum US-Präsidenten im Herbst?

Ob Trump zum zweiten Mal US-Präsident wird, ist schwer abzuschätzen. Aber wenn er es wird, befürchten wir erheblichen Schaden für den Welthandel und für die deutsche Exportnation. Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist es tragisch für Biden, dass zwar sein großes Infrastrukturprogramm und die umfangreichen Klimaschutz-Subventionen im Rahmen des US Inflation Reduction Act die US-Wirtschaft messbar nach vorn bringen, aber die zwischenzeitlich hohe Inflation und die damit verbundenen Kaufkrafteinbußen haben bei den US-Wählern die Zustimmung zu den US-Demokraten bröckeln lassen.

Können Sie die Auswirkungen einer zweiten Amtszeit für die globale Konjunktur genauer beziffern?

Auch das ist schwer einzuschätzen, weil Trump im Vergleich zu anderen Staatschefs extrem schwer berechenbar ist. Wenn er seine Ankündigungen verwirklicht, Strafzölle in Höhe von 10 Prozent auf alle Importe einzuführen, und den Handelskrieg mit China weiter verschärft, dann wird das schwere Auswirkungen auf den Welthandel haben. Insbesondere Deutschland als exportstarke Volkswirtschaft wird dies spüren.

Können Sie die Folgen für Deutschland abschätzen?

Wir haben in einer Studie jüngst geschätzt, dass ein solches Szenario die deutsche Wirtschaft im Laufe einer vierjährigen Trump-Präsidentschaft insgesamt 150 Milliarden Euro kosten könnte. Pro Jahr entspricht das einer Einbuße von mehr 1 Prozent der Wirtschaftsleistung. Neben den deutschen Exporten, die unter der durch Trump geschwächten Weltwirtschaft leiden würden, würden vor allem die Investitionen hierzulande einbrechen. In der Schätzung berücksichtigt ist neben den direkten Auswirkungen der angekündigten Strafzölle auch, dass ein solcher Handelskrieg die Wirtschaft und die Aktienmärkte kurzfristig stark verunsichern dürfte.

Bereits Bidens Investitions¬offensive im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) wurde in der Europäischen Union wegen¬ der protektionistischen Elemente als Angriff gewertet, weil in den USA produzierende Unternehmen bei diesen Subventionen bevorzugt würden. Was ist der Unterschied zu Trumps möglichen neuen Strafzöllen?

Bei aller teils ja berechtigten Kritik dürfen wir nicht vergessen: Biden muss sich aufgrund der knappen Wahlausgänge und des Trump’schen Populismus an den Interessen der US-Arbeiterschaft orientieren, die unter der Globalisierung gelitten hat. Das macht er dadurch, dass er sein großes IRA-Klimaschutzprogramm mit den protektionistischen Vorschriften so gestaltet hat, dass mehr als üblich von den Ausgaben in den USA hängen bleibt. Aber Biden ist der EU beim IRA entgegengekommen und hat einige protektionistische Elemente aufgeweicht, ¬gerade für E-Auto-Exporte aus der EU. Um hier noch weiter voranzukommen, verhandelt die Biden-Administration mit der EU derzeit ein Abkommen über kritische Rohstoffe, das hoffentlich noch vor den Wahlen gelingt.

Also sind mögliche neue Strafzölle für die deutsche Wirtschaft gefährlicher als Bidens Protektionismus beim IRA?

Auf jeden Fall. Um ein Bild zu verwenden: Nehmen wir an, die US-Wirtschaft ist als Absatzmarkt ein Kuchen, von dem auch deutsche Unternehmen über Exporte Jahr für Jahr ein Stück abbekommen. Mit seinen Investitionsoffensiven macht Biden diesen Kuchen größer. Die protektionistischen Elemente des IRA verringern zwar den Anteil, der für EU-Exporteure zugänglich ist. Aber insgesamt wird deren Stück Kuchen durch die Investitionsprogramme größer. Per Saldo profitiert die deutsche Wirtschaft also vom IRA. Trump hingegen würde den Kuchen mit neuen Handelsbarrieren schrumpfen lassen.

Bereits die erste Amtszeit Trumps war von Handelskonflikten zwischen den USA und der EU geprägt. Wie groß war damals der Schaden für die deutsche Wirtschaft?

Ein wichtiges Konfliktfeld waren die Sonderzölle, die Trump auf Stahl und Aluminium aus der EU und vielen anderen Ländern eingeführt hat. Das war vor allem deshalb hochproblematisch, weil er die Zölle regelwidrig mit Bedenken bezüglich der nationalen Sicherheit begründete, die an den Haaren herbeigezogen waren. Doch letztlich war der wirtschaftliche Schaden für die deutsche Wirtschaft begrenzt, da wir relativ wenig Stahl in die USA exportieren. Der eigentliche Schaden bestand also mehr in der Beschädigung der internationalen Handelsordnung durch Trump.

Die EU hat als Antwort damals als Reaktion ihrerseits Sonderzölle auf Produkte aus den USA erhoben.

Das war richtig und wichtig, um Trump unter Druck zu setzen. Dieser Gegendruck hat wohl dazu beigetragen, dass er in seiner ersten Amtszeit doch nicht seine Drohung wahr gemacht hat, Sonderzölle auf Autos aus der EU zu erheben.

Wären die jetzt angekündigten Zölle schmerzhafter als die Handelsschranken, die Trump damals schuf?

Ja, auf jeden Fall. Denn die jetzt angekündigten Strafzölle würden alle Exporte treffen. Das wäre weit dramatischer als das, was Trump in seiner ersten Amtszeit angerichtet hat.

Und wie sollte die EU antworten?

Die EU sollte versuchen, noch vor den Präsidentschaftswahlen mit Biden ein verbindliches Abkommen über kritische Rohstoffe abzuschließen, das Trump nicht so leicht wieder vom Tisch bekommt. Das wäre generell wichtig, um die Abhängigkeiten von China bei kritischen Rohstoffen zu mindern, und würde zudem EU-Autoexporteuren und Zulieferern den Zugang zu den Fördermaßnahmen des US-Klimaschutzprogramms erleichtern. Zudem geht es für den Fall der Fälle darum, gegen konkrete Pläne für neue US-Zölle selbst frühzeitig wieder mit Gegenmaßnahmen drohen zu können.

Und schließlich sollte die EU den Republikanern im US-Kongress deutlich machen, dass die USA beim Vorgehen gegenüber China effektiver sind, wenn sie gemeinsam mit Verbündeten wie der EU vorgehen. Wenn das gelingt, würde es Trump sehr viel schwerer haben, die transatlantischen Brücken wieder abzureißen, die Biden gebaut hat.

Zum Interview auf taz.de

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