Der Ausbau neuer Betreuungsangebote für Kleinkinder geht in Deutschland zu langsam voran, kritisiert IW-Ökonom Wido Geis-Thöne in einem Gastbeitrag für die Fuldaer Zeitung.
Die Lücke ist größer geworden
Während im Osten bereits zu DDR-Zeiten in größerem Maße Betreuungsplätze für unter Dreijährige angeboten wurden, war es im Westen lange Mehrheitsmeinung, dass eine institutionelle Betreuung vor Erreichen des Kindergartenalters die Entwicklung der Kinder beeinträchtigen könnte. Noch in der Diskussion um einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab zwölf Monaten in den 2000er-Jahren wurde dies häufig als Gegenargument ins Feld geführt.
Inzwischen sind diese kritischen Stimmen allerdings verstummt und es ist fast einhellige Expertenmeinung, dass bereits Kleinkinder von einer qualitativ hochwertigen institutionellen Betreuung profitieren können. Auch die Familien selbst haben kaum mehr Vorbehalte gegen eine Betreuung ihrer Kinder vor dem dritten Lebensjahr und nehmen die verfügbaren U3-Betreuungsangebote gern in Anspruch. So wünschten sich im Jahr 2019 deutschlandweit 81 Prozent der Eltern eine Betreuungsplatz für ihre Zweijährigen und 64 Prozent für ihre Einjährigen.
Rechnet man das mit der Kinderzahl Ende letzten Jahres hoch, ergibt sich ein Bedarf von rund 1,17 Millionen Betreuungsplätzen für unter Dreijährige. Tatsächlich betreut wurden am 1. März dieses Jahres allerdings nur 830 000 Kinder unter drei Jahren, bleibt eine Lücke von rund 340 000 Plätzen. Dass die betroffenen Eltern ihren Rechtsanspruch nur selten vor Gericht durchsetzen, hat zwei Gründe: Zum einen wollen sie die Betreuungseinrichtungen für ihre Kinder meist selbst auswählen und nicht einfach irgendeinen Betreuungsplatz zugewiesen bekommen und zum anderen bedeutet ein ungedeckter Bedarf in der Regel nicht, dass kein Betreuungsplatz zu Verfügung steht, sondern nur dass sie diesen erst später als eigentlich gewünscht in Anspruch nehmen können, sodass sich die Sache bis zum möglichen Abschluss eines Klageverfahren vielfach ohnehin erledigt hat. Dass die Städte und Gemeinden den Bedarf der Eltern an frühkindlicher Betreuung auch sieben Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs noch nicht decken können und die Lücke in den vergangenen Jahren sogar noch größer geworden ist, hat mehrere Ursachen. Zunächst ist der Betreuungsausbau viel langsamer vonstatten gegangen, als man in den 2000er-Jahren erwartet hatte. So wurde das beim Krippengipfel im Jahr 2007 an sich für das Jahr 2013 avisierte Ziel von 750 000 Plätzen erst im Jahr 2017 erreicht. Gleichzeitig
wollen die Eltern ihre Kinder heute im Schnitt sehr viel früher betreuen lassen als noch zu Beginn des Jahrzehnts.
Allein in den fünf Jahren zwischen 2014 und 2019 ist der Anteil der unter Dreijährigen mit Betreuungsbedarf von 42 Prozent auf 49 Prozent gestiegen. Hinzu kommt noch eine sehr positive Entwicklung der Geburtenzahlen in den 2010-Jahren, die dazu geführt hat, dass immer mehr Betreuungsplätze notwendig waren, um das bestehende Niveau überhaupt zu halten.
Auch wenn hier deutschlandweit der Höhepunkt bereits überschritten ist, gilt das nicht für die wirtschaftlichen Zentren im Süden der Republik. Daher muss hier der quantitative Ausbau der Betreuungsinfrastruktur auch besonders intensiv weiter vorangetrieben werden, wohingegen im Osten mit seinen deutlich ungünstigeren Betreuungsrelationen die Qualität stärker Fokus stehen kann.
306.000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige fehlen
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IW
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IW