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Michael Hüther im Handelsblatt Gastbeitrag 7. Juni 2010

Warum doch kein böses Ende naht

Die Ängste vor der wirtschaftlichen Zukunft sind groß, aber den Unternehmen geht es gut. Das liegt auch am deutschen Ausbildungssystem.

Wenn man derzeit bei privaten Einladungen auf wirtschaftlich interessierte Personen trifft, hört man als Ökonom häufig die etwas mitleidige Vermutung, es müsse einem in diesen Tagen doch alles ganz schrecklich vorkommen und fast in die Verzweiflung treiben.

Nichts scheine der Wirtschaftspolitik noch zu gelingen, langfristige Perspektiven seien gar nicht mehr vorhanden. Die ausufernden Staatsschulden würden unweigerlich in eine kräftige Inflation münden, der Euro könne das Desaster um Griechenland nicht überleben. Mit ökonomischer Logik habe dieses alles nichts mehr zu tun.

Das böse Ende sei nah.

Zum Glück ist es nicht ganz so nah. Und das verdanken wir auch unserem dualen Ausbildungssystem.

Denn mit der trüben Stimmung kontrastiert die Lage der Unternehmen. Laufend liefern die Wirtschaftsseiten der Tagespresse positive Meldungen. Selbst in den besonders von der Krise gebeutelten Branchen wie dem Maschinenbau und der Elektrotechnik hat sich die Wende zum Besseren in den ersten Monaten des Jahres deutlich ausgebildet. Wenngleich der Einbruch bei Aufträgen und Produktion noch nicht aufgeholt wurde und dies noch eine Weile dauern wird, so ist die Erholung der letzten zwölf Monate doch eindrucksvoll. Der Maschinenbau berichtet über einen weiter anhaltenden Aufwärtstrend. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es deutlich mehr offene Stellen, und die Arbeitslosigkeit lag im Mai auf dem niedrigsten Stand seit 14 Jahren.

Wer die Entwicklung so beschreibt, wird aber eines unverbesserlichen Optimismus geziehen. Viele trauen dem Braten nicht so recht. Verunsicherungen, die sich aus anderen Quellen speisen, werden dafür als Bestätigung angesehen. So hat die Krise der Europäischen Währungsunion die Frage aufgeworfen, ob nun der mitunter schon in Aussicht gestellte zweite Absturz der Konjunktur nahe.

Bislang ist ein plausibler Übertragungsmechanismus nicht beschrieben worden. Die Reaktion der Wechselkurse hat vorübergehend eine hohe Dynamik gehabt, doch nicht zu irritierenden Niveaus geführt. Inflation ist unverändert kein Thema. Eine Konjunkturbedrohung kann das Euro-Thema psychologisch werden, wenn die Zweifel an der Bewältigung der Konsolidierungsaufgabe zunehmen und die Verunsicherung über den Bestand der Währungsunion erneut aufflackert. Das dürfte aber angesichts der erkennbaren budgetpolitischen Reaktionen vieler europäischer Staaten an Plausibilität verlieren. Indem sich der berechtigte Eindruck verbreitet, dass die Regierungen die Botschaft der Griechenlandkrise zumindest teilweise verstanden haben, dürfte sich auch das Risiko von Verwerfungen im Bankensystem mindern. Dort läge - wie die Finanzmarktkrise lehrt - die größte Gefahr. Bleiben Industrie und die sie umrankenden Dienstleistungen frei von Störungen aus dem Bankensystem, dann dominieren dort dieselben Megatrends des Strukturwandels wie vor der Krise. Und die Marktposition der Unternehmen scheint unangefochten.

Das hat seine Gründe. „Innovationskraft“ und „Internationalität“ werden zu Recht immer genannt. Doch dieser Erfolg greift in seinen Voraussetzungen tiefer, als es diese Schlagworte erkennen lassen, die auch in die Irre leiten können. So wird für die Sicherung der Innovationskraft die Bedeutung der tertiären Bildung betont, und zwar durchaus berechtigt. Im jährlichen Bericht „Bildung auf einen Blick“ konstatiert die OECD regelmäßig einen Mangel an Hochqualifizierten in Ländern, die wie Deutschland ein duales Berufsbildungssystem haben. Wäre dies wirklich ein Mangel, dann könnte der Erfolg unserer Industrie schon seit längerem nicht plausibel erklärt werden.

Tatsächlich liefert die duale Berufsausbildung mit ihren differenzierten Zugängen zur Arbeitswelt eine wesentliche Erklärung für den Erfolg unserer Industrie. Wertschöpfungsnah wird ausgebildet und zugleich die Basis für eine entsprechende berufsbegleitende Weiterbildung gelegt. Den Erfolg messen wir an der im internationalen Vergleich sehr geringen Jugendarbeitslosigkeit, die unter den OECD-Staaten nur in Deutschland seit Ende des Jahres 2007 rückläufig war. Zugleich landen mehr Weiterbildungsabsolventen auf dem Chefsessel als Fachhochschulabgänger.

Um dem Fachkräftemangel angemessen Rechnung zu tragen, müssen wir die duale Berufsausbildung stärken: Durch Praxisorientierung wird die Integration von Problemgruppen in den Arbeitsmarkt noch effektiver gelingen; durch Modularisierung und flexible Kombination kann den Bedürfnissen der Auszubildenden wie der Unternehmen noch besser entsprochen werden; durch eine engere Verzahnung von Berufsausbildung und Studium wird der Einstieg in die Bildungsbiografie des lebenslangen Lernens Realität. Deshalb gilt: Wir haben genauso Anlass zur Zuversicht wie zum Zweifel! Ob das böse Ende naht, bleibt unsere Sache.

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