Wie stark belastet die Niedrigzinspolitik die Betriebsrenten? Die andauernde Zinspolitik der EZB beschert Unternehmen finanzielle Sorgen: Firmen müssen heute für Pensionen mehr Geld zurückstellen, als noch vor wenigen Jahren. Was muss jetzt passieren?
Die Politik kann das volkswirtschaftliche Risiko drosseln
Für die Staatskasse ist die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank ein Grund zur Freude. Den Unternehmen verhagelt sie dagegen die Bilanz: Firmen müssen heute für versprochene Betriebsrenten deutlich mehr Geld als noch vor wenigen Jahren zurückstellen, da der Staat geringere Kapitalerträge unterstellt. Der maßgebliche Rechnungszins nach dem Handelsgesetzbuch ist in den vergangenen fünf Jahren von über fünf Prozent auf unter vier Prozent gefallen. Nur weil die Regierung im März den Berechnungszeitraum für den Zinssatz von sieben auf zehn Jahre ausgeweitet hat, ist der Satz wieder über die Vier-Prozent-Schwelle geklettert.
Der Berechnungszeitraum sollte auf 15 bis 20 Jahre ausgedehnt werden
Doch es gibt allenfalls eine kurze Verschnaufpause für die Betriebe. Denn der Rechnungszins ist aufgrund des fortwährenden Zinstiefs schon wieder im Sturzflug. Das kommt die Firmen teuer zu stehen: Sinkt der Rechnungszins um einen Prozentpunkt, steigen die Pensionsrückstellungen nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln insgesamt um 14 bis 18 Prozent. Gewinn und Eigenkapitalquoten der Firmen gehen dadurch spürbar zurück. Als Folge fordern Banken beispielsweise von krisengeschüttelten Mittelständlern höhere Kreditzinsen. Der Staat sollte den Berechnungszeitraum daher auf 15 bis 20 Jahre ausdehnen. Dies würde zudem eher dem Charakter einer langfristig zugesagten Betriebsrente entsprechen.
Die bilanziellen Folgen sind allerdings nicht die einzige Sorge der Unternehmen. Denn zusätzlich scheint das Steuerrecht gegen die veränderte Zinswelt immun zu sein. So werden Pensionslasten nach dem Einkommensteuergesetz seit Jahrzehnten mit sechs Prozent abgezinst. In der Welt des Fiskus benötigen die Unternehmen damit geringere Rückstellungen, als die Bilanzregeln in der Realität verlangen. Der Unterschied zwischen Handels- und Steuerrecht führt zur Besteuerung fiktiver Gewinne.
Der Systemfehler ist erst dann behoben, wenn die Rückstellungen aufgelöst sind
Die volkswirtschaftlichen Folgen können schwerwiegend sein. Denn das Geld, das sie an den Fiskus abführen müssen, steht den Unternehmen nicht für Investitionen oder zur Bezahlung von Rechnungen zur Verfügung. Vollständig behoben wird der Systemfehler erst, wenn die Pensionsrückstellung gänzlich aufgelöst ist. Bis dahin vergehen oft Jahrzehnte, in denen es im schlimmsten Fall zur Pleite eines Unternehmens kommen kann.
Früher fielen die Unterschiede zwischen Steuer- und Handelsrecht weniger ins Gewicht, jetzt verstärkt die andauernde Niedrigzinsphase den Handlungsdruck. Es wäre ein Leichtes für die Politik, die Besteuerung der Scheingewinne und den damit einhergehenden Liquiditätsentzug bei den Unternehmen zu verhindern, indem der steuerrechtliche Rechnungszins an den handelsrechtlichen gekoppelt wird. Die einmaligen Steuerausfälle in Höhe von schätzungsweise 20 bis 25 Milliarden Euro wären für den Fiskus zu stemmen, da er selbst dank der niedrigen Zinsen viel Geld spart. Die Politik würde so auf einen Streich für mehr Steuergerechtigkeit sorgen, die betriebliche Altersvorsorge stärken und den Unternehmen mehr Luft für Investitionen verschaffen.
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