Wenn Politik und Wirtschaft eng zusammenarbeiten und die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt gelingt, kann Deutschland vom Zuzug profitieren. Den Fachkräfteengpass wird dies aber kurzfristig kaum abmildern, schreibt IW-Ökonomin Regina Flake in einem Gastbeitrag für der Welt.
Arbeit für Flüchtlinge
Der Weg hin zu einer Integration der rund 1,2 Millionen Flüchtlinge, die seit 2015 nach Deutschland kamen, wird lang und teuer; bis 2020 könnten die Kosten für Unterbringung, Sozialleistungen und Bildungsangebote auf etwa 29 Milliarden Euro pro Jahr anwachsen. Doch Fakt ist auch: Langfristig kann Deutschland vom Zuzug profitieren. Dafür müssen Politik und Wirtschaft eng zusammenarbeiten. Die Erfahrung früherer Zuwanderungswellen zeigt, dass Arbeit ein zentraler Baustein der Integration ist. Auch Studien des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) belegen, dass erwerbstätige Menschen im Schnitt zufriedener mit ihrem Leben sind. Gleichzeitig sorgt Arbeit aus Sicht des Ziellandes dafür, dass die Sozialkassen entlastet werden. Denn allein 2017 fallen für die Unterbringung sowie Leistungen wie Hartz IV für arbeitslose Flüchtlinge rund 12 Milliarden Euro an. Viele Unternehmen leisten bereits einen Beitrag, um Flüchtlinge in Arbeit zu bekommen. Rund ein Viertel aller Firmen beschäftigt derzeit Flüchtlinge oder hat dies in den vergangenen drei Jahren getan, zeigen neueste Studien. Rund jedes zehnte Unternehmen hat inzwischen Flüchtlinge regulär angestellt, sieben Prozent der Firmen bilden Flüchtlinge aus. Am häufigsten finden Flüchtlinge über Praktika in die Unternehmen, belegen IW-Studien. In diesem Jahr wollen viele Firmen noch mehr leisten: Rund ein Drittel plant, Flüchtlinge einzustellen.
Viele Unternehmen berichten zudem von positiven Erfahrungen: In einer IW-Umfrage loben fast alle bislang engagierten Firmen die hohe Motivation und den Lerneifer der Flüchtlinge. Das sind gute Nachrichten. Doch täuschen sollte sich niemand: Schon einmal - Stichwort Gastarbeiter - wurde in Deutschland der Fehler begangen, Integration für einen Selbstläufer zu halten und Zuwanderer und Firmen sich selbst zu überlassen. Die kritischen Töne, die es aus der Wirtschaft ebenfalls gibt, müssen deshalb ernst genommen werden.
Gerade kleinere und mittlere Betriebe - die breite Masse der deutschen Unternehmen - kämpfen mit Schwierigkeiten. Größtes Hindernis ist die Sprache. Für rund 86 Prozent der Unternehmen sind die fehlenden Deutschkenntnisse der Flüchtlinge das größte Problem. Dabei ist das Erlernen der Sprache Grundvoraussetzung für die Integration. Ziel ist nicht, dass alle Flüchtlinge perfektes Deutsch sprechen, aber vor Arbeitsbeginn sollten die Sprachkenntnisse gut genug für den Arbeitsalltag sein.
Doch auch die oft unklaren oder fehlenden fachlichen Fähigkeiten der Flüchtlinge machen eine Einstellung häufig schwer bis unmöglich. So hat mindestens jeder fünfte Flüchtling gar keine Schule oder lediglich eine Grundschule besucht. Nur rund jeder Fünfte hat in seinem Herkunftsland einen Berufsabschluss erworben, zeigen Befragungen. Für die Firmen ist es mühsam, die Gleichwertigkeit zu deutschen Abschlüssen festzustellen - ein afghanischer Kfz-Mechaniker muss nicht mit Bordcomputern hiesiger Autos umgehen können. Die Unternehmen gehen dieses Problem derzeit pragmatisch an, indem sie über Praktika die Fähigkeiten der Flüchtlinge testen.
Doch auch wenn diese Probleme gelöst werden und immer mehr Flüchtlinge Arbeit finden: Den Fachkräfteengpass werden sie kurzfristig kaum abmildern - von diesem Wunschdenken müssen wir uns verabschieden. Daher bleibt es unabdingbar, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben. Zuwanderung und Integration sollten so gesteuert werden, dass sie nachfrage- wie angebotsorientiert sind und sich gut in die Praxis übersetzen lassen. Nur wenn Politik und Wirtschaft eng zusammenarbeiten, kann Deutschland aufnahmefähig und leistungsstark zugleich bleiben.
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