Wieso steckt Deutschland Milliarden in die Bekämpfung des Klimawandels – zuhause, aber auch im Ausland? Lohnt sich das überhaupt? Ja, schreiben IW-Direktor Michael Hüther und Thilo Schaefer, Leiter des Themenclusters Digitalisierung und Klimawandel am IW. Denn wer nicht jetzt handelt, muss am Ende nur noch größere Kosten tragen.
Eine einfache Rechnung zeigt, warum wir sofort in Klimaschutz investieren müssen
Die 28. Klimakonferenz in Dubai ist mit einem Bekenntnis zur Abkehr von fossilen Brennstoffen zu Ende gegangen. Das wird von einigen als Erfolg oder gar als Durchbruch gewertet angesichts des Widerstands nicht zuletzt des Gastgeberlandes und seiner Nachbarn, deren Geschäftsmodell ganz wesentlich an den fossilen Energieträgern hängt.
Nicht wenige betrachten das Ergebnis dagegen kritisch, denn die Formulierungen der Abschlusserklärung sind eher weich und nicht allzu verbindlich. In gewisser Weise sind beide Sichtweisen zutreffend: Denn ein Bekenntnis der Weltgemeinschaft, dass für eine Begrenzung des anthropogenen Klimawandels eine Abkehr von der Verbrennung von Öl, Gas und Kohle erfolgen muss, bedeutet für viele Teilnehmerländer auch eine Abkehr von einem äußerst erfolgreichen und lukrativen Geschäftsmodell.
Vor dem Hintergrund der in Paris formulierten Ziele geht die vage Ankündigung eines Zurückfahrens gleichzeitig längst nicht weit genug. Für ein Erreichen des 1,5 Grad-Ziels wäre vielmehr eine Vollbremsung bei der Verbrennung der fossilen Energieträger notwendig. Das freilich ist recht unrealistisch.
Auch in Deutschland drohen große Schäden
Für zahlreiche Staaten sind die Auswirkungen des massiven Treibhausgasausstoßes des Industriezeitalters schon lange spürbar in Form häufiger auftretender Überschwemmungen, Bränden und Dürren. Die Folgen des Klimawandels führen zu Gesundheitsschäden und sind ein wesentlicher Grund für Migrationsbewegungen. Und sie verursachen häufig enorme Kosten für den Wiederaufbau von Gebäuden und Infrastruktur.
Aber nicht nur die Schäden aufgrund von Extremwetterereignissen, sondern auch in Form von Ertragsausfällen in der Land- und Forstwirtschaft oder durch Einschränkungen in der Verkehrsinfrastruktur bei Hoch- oder Niedrigwasser machen sich in volkswirtschaftlichen Kosten bemerkbar. In anderen Weltregionen ist mit deutlich schlimmeren Ausmaßen der Folgen des Klimawandels zu rechnen. Doch auch in Deutschland sind signifikante Schäden zu erwarten: Nach einer vom Bundeswirtschaftsministerium im Frühjahr 2023 veröffentlichten Studie belaufen sich allein in Deutschland diese Kosten bis zum Jahr 2050 auf mindestens 280 bis 900 Milliarden Euro in heutigen Preisen. Die große Spanne ergibt sich dabei aufgrund verschiedener Szenarien je nach Ausprägung des Klimawandels.
Deutschlands 100-Millionen-Zahlung ist recht überschaubar
CO2 und andere Treibhausgase wirken auf das globale Klima, unabhängig vom Ort der Emission. Demnach sind die in Deutschland ausgestoßenen Treibhausgase für weltweite Klimaschäden mitverantwortlich. Mit seiner starken energieintensiven Industrie gehört Deutschland historisch zu den größten Verursachern weltweit. Entsprechend wirken die 100 Millionen Euro, die Deutschlands in den „Loss and Damages Fund“ einzahlt, recht überschaubar - zumal die Schäden an anderen Orten auf der Welt deutlich umfangreicher ausfallen als hierzulande.
Wie stark der Klimawandel und dementsprechend seine Folgen ausfallen, hängt davon ab, wie gut es gelingt, die Emissionen von Treibhausgasen zu vermeiden. Damit Energiewirtschaft, Industrie, Fahrzeuge und Heizungen weniger CO2 und andere Treibhausgase ausstoßen, sind zunächst Investitionen notwendig - sei es in Erzeugungsanlagen für Wind- und Sonnenenergie und entsprechende Leitungen oder Elektrolyseure, Elektroautos und Wärmepumpen, die diese regenerative Energie nutzen können.
Die Ein-Euro-Rechnung
Dies gilt in großem Maßstab auch für viele Industrieanlagen, die für den Einsatz von klimafreundlicher Energie erst um- oder sogar neu gebaut werden müssen. Die dafür notwendigen Investitionen überschreiten in den meisten Fällen den Umfang üblicher Erhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen, zumal zum Teil nicht abgeschriebene Anlagen ersetzt werden müssen.
Im ökonomischen Modell ist jeder zusätzliche Euro für den Klimaschutz dann effizient investiert, wenn dadurch so viele Emissionen vermieden werden, dass mindestens ein Euro an zusätzlichen Folgekosten eingespart werden kann. Wenn dies auch bei Klimaschutzinvestitionen in der Praxis nicht ohne Weiteres bemessen werden kann, verdeutlicht dieser Ansatz jedoch den Zusammenhang zwischen Maßnahmen zur Vermeidung von Emissionen und den Folgekosten.
Wer später investiert, verursacht Mehrkosten
Dies hat auch eine zeitliche Dimension, denn je früher Treibhausgase gar nicht ausgestoßen werden, desto geringer fallen die Klimafolgekosten aus. Je mehr Emissionen heute und in den nächsten Jahren ausgestoßen werden, desto weniger sind im Hinblick auf die in Paris formulierten Ziele in den Folgejahren noch möglich.
Ein weiterer Aspekt der zeitlichen Dimension sind technologische Lernkurveneffekte. Denn viele klimafreundliche Technologien sind zunächst teuer, können aber bei zunehmender Marktdurchdringung Skaleneffekte realisieren und an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Ein Aufschieben von emissionssenkenden Investitionen verursacht also volkswirtschaftliche Mehrkosten. Diese Kosten des Wartens steigen im Zeitverlauf immer weiter an.
Deshalb ist es auch im Sinne der Generationengerechtigkeit notwendig, die Transformation in Richtung Klimaneutralität so schnell wie möglich zu vollziehen. Ein Abwarten verschiebt nicht nur die Transformationskosten in die Zukunft, sondern häuft zusätzliche Schadenskosten an.
In diesem Sinne argumentierte das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil aus dem Jahr 2021, das vor allem auf die intergenerationale Verteilung der Lasten von Klimaschutz und -folgen abzielte und entsprechend frühzeitige Maßgaben für die Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion einforderte. Anders gewendet: Die heutigen Generationen dürfen den zukünftigen nicht über Gebühr zusätzliche Klimaschulden auferlegen.
Rettung durch den „Skaleneffekt“
Einer radikal schnellen Umsetzung steht vor allem die internationale Dimension entgegen. Denn angesichts der globalen Wirkung der Treibhausgase ist das Herunterfahren CO2-intensiver Produktion an einem Ort, das dann durch Mehrproduktion an anderen Orten ausgeglichen wird, kein klimapolitisch sinnvoller Ansatz. Zudem nimmt es einer stark industriebasierten Volkswirtschaft wie der deutschen den Spielraum, die für die Transformation notwendigen Investitionen in Technologie und Infrastruktur zu stemmen.
Wenn es dagegen gelingt, klimafreundliche Technologie zu entwickeln und marktfähig zu machen, so dass diese weltweit eingesetzt werden kann, dient das dem globalen Klimaschutz. Positivbeispiele sind die beträchtlichen Skaleneffekte, die bei PV- und Windkraftanlagen realisiert werden konnten und sich in sinkenden Preisen bemerkbar machen. Lediglich die Finanzierung des Markthochlaufs – den im Falle der Photovoltaik größtenteils die deutschen Stromverbraucher großzügig übernommen haben – bleibt dann zu klären.
Die stärksten Konkurrenten der klimafreundlichen Energieerzeugung und Produktion sind deren konventionelle Pendants, die auf den immer noch günstigen fossilen Brennstoffen beruhen. Vor diesem Hintergrund ist eine globale Abkehr von fossilen Brennstoffen, wie sie die Abschlusserklärung von Dubai benennt, prinzipiell die entscheidende Voraussetzung dafür, dass die klimaneutrale Transformation weltweit eine Chance hat.
Doch wie sich das in konkreten Maßnahmen ausdrückt, gerade in Ländern, in denen Emissionen anders als in der EU bislang nicht begrenzt und bepreist werden, ist noch völlig unklar. Ohne eine internationale Koordination der klimapolitischen Ansätze stehen Standorte mit unterschiedlichen Möglichkeiten und Ambitionsniveaus im Wettbewerb, und Investitionen in klimafreundliche Lösungen werden nur dort getätigt, wo klimapolitische Anreize gesetzt werden. Dabei ist Geld zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen gut investiert. Jeder Tag des Wartens erhöht die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimawandels – weltweit.
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