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Michael Hüther in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Gastbeitrag 28. September 2012

Die Grenzen der Wachstumskritik

Wachstumskritik ist ein Phänomen des Wohlstands. Die Entlastung von existentiellen Sorgen gibt Raum für die Würdigung abstrakter Zusammenhänge. Im Extremfall wird sogar die Wachstumsrücknahme gefordert. Doch die Absage an das Wirtschaftswachstum unterbindet Innovationsprozesse. Wollen wir das wirklich?

Wirtschaftswachstum – getrieben durch technischen Fortschritt, Kapitalbildung und Arbeitsteilung – ist ein Phänomen der Moderne. Dies gilt ebenso für die Kritik des Wachstums. Deren heutige Aktualität – man denke nur an die Enquetekommission des Deutschen Bundestages – führt zu der Frage, wie sich Wachstum und Wachstumskritik in den vergangenen zweihundert Jahren entwickelt haben. Die heute zur Fundamentalkritik ausgewachsene Haltung wird im Licht der historischen Einordnung mehr als fragwürdig, denn sie verkennt im moralischen Überschwang elementare Zusammenhänge, die Wachstum in seiner tatsächlichen Bedeutung und seiner moralischen Bedingung kennzeichnen.

Die Welt vor der Industrialisierung war gekennzeichnet von immer wiederkehrenden Hungersnöten und Massenverelendung. Bevölkerungswachstum bedeutete stets den Beginn der nächsten wirtschaftlichen Krise und damit eine existentielle Bedrohung des Lebens. Armut war die Normalität für die große Masse der Menschen, der Grund lag in der völlig unzureichenden Produktivität der Arbeit. Die wirtschaftlichen Folgen von Krieg, Klimaveränderungen, Naturkatastrophen, Missernten oder Epidemien konnten kollektiv nicht wirksam bekämpft werden.

All dies änderte sich nach 1800: Technische Neuerungen, Verbesserungen in der Landnutzung und Innovationen in der Landwirtschaft wirkten dabei mit Anpassungen im generativen Verhalten, mit einer Sentimentalisierung der Familie und mit Heiratserleichterungen im Rahmen bewusster Bevölkerungspolitik zusammen. So wurde das 19.Jahrhundert geprägt durch Industrialisierung und Bevölkerungsexplosion, durch Verkehrsrevolution, durch Nationalstaatsbildung und durch Verstädterung. Lebten in Europa um 1800 rund 19 Millionen Menschen in Städten, so waren es um 1900 schon mehr als 108 Millionen. Die Anzahl der Großstädte mit über 100000 Einwohnern hatte sich von 21 auf 147 erhöht.

Der breite Modernisierungsprozess infolge der Industrialisierung reflektiert sich in dem geistesgeschichtlichen Wandel der „Sattelzeit“ (Reinhart Koselleck), der Begrifflichkeiten neu formt, bestehende Begriffe mit neuem Inhalt belegt und kollektive Perspektiven sowie Kontexte erstmals begrifflich fassbar macht. Signalhaft wird der Übergang zur Moderne beschrieben durch den Bedeutungswandel des Wortes „Fortschritt“, das vor dem Ende des 18.Jahrhunderts gedanklich wie auch erfahrungsbezogen jeglicher Grundlage entbehrte. Dabei wird „aus den Geschichten der einzelnen Fortschritte der Fortschritt der Geschichte“ und aus dem „Fortschritt selber . . . ein Kollektivsingular“ (Koselleck). Die Ergebnisoffenheit des Fortschritts macht die Kraft des nun erlebbaren wirtschaftlichen Wachstums deutlich.

Die Hoffnung darauf, von nun an im Regelfall der Armut und Existenzbedrohung zu entgehen, wurde im Lauf des 19.Jahrhunderts für immer mehr Menschen greifbar, realistisch und erwartungsprägend. Die lebensbedrohlichen Krisen wichen in der Wahrnehmung der Menschen weniger dramatischen konjunkturellen Krisen, die als zyklische Anpassungen Koordinationsstörungen im Marktsystem bereinigten, aber den Wachstumstrend nicht in Zweifel zogen.

Damit war es nicht das ökonomische System, das einer kritischen Begleitung bedurfte, sondern dadurch begünstigte Verhaltensweisen und Haltungen des Einzelnen. Das betraf die moralische Überforderung durch den Fortschritt der Technik und die neuen Möglichkeiten zu einem Verhalten der Gier. Beides hat die moderne Nationalökonomie mit auf den Plan gerufen. Es ging darum, den Eigennutz als moralische Kategorie zu charakterisieren. So rückten die schottischen Moralphilosophen – neben Adam Smith David Hume, Adam Ferguson und John Millar – die Frage in den Mittelpunkt, wie unter den Bedingungen der Arbeitsteilung, der Kapitalbildung und der ökonomischen Herausbildung gesellschaftlicher Klassen Bürgertugenden entwickelt werden können. Dabei ging es Adam Smith keineswegs um die Huldigung des Egoismus und unbeschränkter, sich gar selbst verzehrender Freiheit, sondern um die nüchterne, emotionsfreie Analyse des menschlichen Handelns im sozialen Kontext.

So hat die zeitgenössische Ökonomik jene Diskussionsstränge aufgenommen, die als Basis für Kritik und Zweifel an einer ansonsten positiv gewürdigten Entwicklung des wirtschaftlichen Wachstums dienen konnten. Die Kritik des Wachstums blieb damit im 19.Jahrhundert verhalten. Sie war eingebettet in eine gegenaufklärerische Argumentation der Romantik, die gegen die Fixierung des Menschen auf Rationalität und gegen seine Vereinzelung gerichtet war. Es war angesichts des Ausbruchs aus der Armutsfalle der vorindustriellen Welt eine elitär anmutende Debatte.

Dabei wurde die Suche nach individuellem Glück und Wohlstand als soziale Sackgasse bewertet, weil die Auflösung ständischer Strukturen den Menschen Halt und Orientierung genommen und Unzufriedenheit verursacht habe. Das verweist auf eine bis heute beständige Argumentationsfigur der Wachstumskritik, die sich mit der Furcht vor der Freiheit verbündete, die materielle Besserung als moralisch minderwertig bewertete und die normative Eigenständigkeit wirtschaftlicher Steuerung sowie die Autonomisierung der Ökonomie beklagte. Beispielhaft steht dafür der romantische Staatstheoretiker Adam Müller, der all dies als Resultat einer falschen Politik ansah, die letztlich vom Werk Adam Smith beeinflusst wurde, der „nur eine Form des Gemeinwesens kennt, nämlich den Markt“ (1812).

Die geringe Wirkung dieser Kritik an Fortschritt und Wirtschaftswachstum gründete in der nach 1850 sich einstellenden konstruktiveren Verbindung der Arbeiterbewegung mit der industriellen Welt. Der Industriearbeiter wurde vom abhängigen Lohnarbeiter mit fehlender eigener Subsistenzsicherung zum tragenden Akteur der Wertschöpfung. Die Versorgungslage verbesserte sich deutlich, der Gewinn des technischen Fortschritts für alle wurde sichtbar. Dazu gehörte eine wirtschaftliche Emanzipation, die sich gemäß „Laissez-faire“ und „Laissez-passer“ gegen die Beschränkung wirtschaftlicher Freiheit durch ständische Privilegien und feudale Strukturen wandte. Die Industrialisierung erreichte ihre menschheitsgeschichtliche Dimension durch die „Institutionalisierung von Wachstum“ (F. J. Bauer).

Die große Zäsur dieser Entwicklung war die Weltwirtschaftskrise ab dem Jahr 1929. Es war eine multiple Krise – eine Krise des Welthandels, eine Agrarkrise, eine Reparationskrise, eine Bankenkrise und eine Krise des Weltwährungssystems. Das Verständnis als zyklisches Phänomen, als notwendige und rekurrierende Krise vom Typ Marktwirtschaft, greift jedenfalls zu kurz. „The Great Depression“ der dreißiger Jahre ist ohne „The Great Disorder“ der zwanziger Jahre nicht zu verstehen. Die besondere Schwere der Krise war den Zeitgenossen schnell klar.

Im Anblick der Verelendung weiter Bevölkerungskreise wurden Erinnerungen an die Krisen der vorindustriellen Welt wach. Dennoch kam es nicht zu einer generellen Kritik des Wirtschaftsmodells und der sie kennzeichnenden Merkmale. Die wirtschaftstheoretischen Antworten waren darauf gerichtet, die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft wiederherzustellen. Das galt für die großen wirtschaftstheoretischen Innovationen – den Ordoliberalismus und den Keynesianismus –, die darauf zielten, den dynamischen wirtschaftlichen Prozess zu stabilisieren, indem der Staat eine prominentere Rolle erhielt als zuvor.

Der Ordoliberalismus betonte dafür bei einer Abkehr vom Grundsatz des „laissez faire“ die Ordnungsverantwortung des starken Staates, um den Preismechanismus funktionsfähig und den Wettbewerb intensiv zu halten. Denkbare Fehlentwicklungen sollten durch verlässlich sanktionsbewehrte Regeln – im Kern Privateigentum, Vertragsfreiheit und Haftung – vorbeugend berücksichtigt werden. Der Keynesianismus machte den Staat zum Kompensator privater Unsicherheit, wodurch der Ausbruch aus der tiefen Depression gelingen sollte.

Sowenig die Wirtschaftstheorie in der Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise wachstumskritisch wurde, so wenig war dies in der Wirtschaftspolitik der Fall. Zwar gab es vielfache Versuche, der Marktsteuerung zu entgehen und an deren Stelle den steuernden Staat zu setzen. Doch war dies nicht dem Ziel geschuldet, ökonomisches Wachstum zu schwächen, sondern zu stärken. Die Weltwirtschaftskrise wirkte also nicht nur dadurch nach, dass fortan über Jahrzehnte schon jede konjunkturelle Wendung vom Extremfall der Großen Depression her gedeutet wurde. Nachwirkend war ebenso eine generelle Skepsis freien Märkten gegenüber, die staatliche Gestaltungsversprechen gerne aufnahm.

Tatsächlich war die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg mit geringeren Anpassungsschwierigkeiten verbunden als erwartet worden war. Der Marshallplan und die Umstellung von der Kriegswirtschaft eröffneten in Europa die Aussicht auf neues und anhaltendes Wachstum. In den 1950er Jahren dominierte gar ein Wachstumsüberschwang, eine Wachstumseuphorie. Denn die friedliche Nutzung der Kernenergie versprach den Ausweg aus der Endlichkeit fossiler Energieträger und über die Aussicht auf dauerhaft preiswerte und unabhängige Energie eine grundlegende Absicherung des Wachstums. Auf der internationalen Konferenz der Vereinten Nationen zur friedlichen Nutzung der Atomenergie 1955 wurde diese Hoffnung deutlich.

Doch schon bald wurden Zweifel am Wachstumsmodell und Skepsis gegenüber dem Wohlstandsversprechen der marktwirtschaftlichen Ordnung gesellschaftsfähig und fanden breiteren Zuspruch. Unmissverständlich wurde in der westlichen Welt durch die Studentenbewegung Ende der sechziger Jahre das bis dahin dominante Fortschrittsparadigma zur Disposition gestellt. Die Erfolge der Industrieländer – gemessen an den Konsummöglichkeiten – wurden nun primär durch die Brille der Armut und des Elends in der Dritten Welt gesehen und bewertet. Die Befreiung der dort lebenden Menschen von der Armut setzte, so wurde argumentiert, die Befreiung der Menschen in den Industrieländern vom Diktat des Marktes und des Konsums sowie vom Sog des Wachstums voraus.

Man kann die vor über 40 Jahren aufkeimende Distanz zu den Bedingungen wie den Ergebnissen der marktwirtschaftlichen Ordnung auch grundlegender verorten. Der Philosoph Hans Blumenberg hat den Begriff „Wissensüberdruss“ in den weiteren Kontext der Debatte eingeführt. Das tatsächliche Wohlstandserleben und der Aufstieg der klassischen Industriebeschäftigten aus prekären Lebensverhältnissen sowie die nivellierende Verortung der Gesellschaft im Mittelstand führten dazu, dass weiteres Wachstum weniger dringlich erschien. Es verlor seine Relevanz und seine Legitimation. Der Wachstumsüberdruss ist nicht vom Wissensüberdruss zu trennen, denn wirtschaftliches Wachstum ist stets die Folge neuen Wissens sowie der dadurch ermöglichten Produkt- und Prozessinnovationen. Es bedroht freilich den wohlstandsgesättigten Wunsch nach Stabilität und Sicherheit.

Bereits in den sechziger Jahren ist in den Wirtschaftswissenschaften die Frage nach den individuellen und gesellschaftlichen Kosten des Wachstums gestellt worden (Ezra J. Mishan). Dabei ging es um den Konflikt zwischen einer Politik, die dem Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens verschrieben ist und dies über Märkte sowie Produktivitätszuwächse zu erreichen versucht. Zugleich wurde nach den spezifischen Voraussetzungen menschlichen Wohlbefindens und den dafür notwendigen Umlenkungen von Ressourcen aus dem privaten Sektor in den staatlichen gefragt.

Bald wurde der Blick bewusst auf die Umwelt und deren Beeinträchtigung durch die Ökonomie gerichtet. Kenneth Boulding (1966) forderte spezifische ökonomische Prinzipien für das Raumschiff Erde, er lieferte ein Plädoyer für eine Politik, welche die sich verändernden Bedingungen antizipiert und durch gezielte Eingriffe – beispielsweise steuerlicher Art – negative Effekte der Wirtschaft auf die Umwelt korrigiert. Angesichts erkennbarer Umweltschäden hat die Politik sich dieses Themas tatsächlich relativ zügig angenommen. Die Bundesregierung legte im September 1970 ein erstes „Umweltschutz-Sofortprogramm“ vor, das 1971 zu einem „Umweltprogramm“ erweitert wurde. In jenem Jahr wurde auch der „Rat von Sachverständigen für Umweltfragen“ eingerichtet.

All dies war eingeleitet, als 1972 die Programmschrift der Wachstumskritik erschien: der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ an den Club of Rome. Auf der Grundlage eines Weltmodells wurde die Bedeutung endlicher natürlicher Ressourcen für die wirtschaftliche Entwicklung und Dynamik ermittelt. In diesem Modell, das Rückkopplungsprozesse und damit Korrekturprozesse insbesondere durch die Veränderung relativer Preise als Ausdruck veränderter Knappheit nicht abbilden konnte, war die pessimistische Weltsicht zwingend angelegt. Die Endlichkeit der Ressourcen führte zu der Einschätzung, die Endlichkeit des Wachstums sei absehbar.

Die seinerzeit aus Modellen abgeleiteten Prognosen haben sich so nicht bestätigt. Dessen ungeachtet blieb dieser Bericht bis heute wirkungsmächtig. Die Vorstellung vom Raumschiff Erde erscheint eingängig und überzeugend. Die Möglichkeit, über technischen Fortschritt neue Handlungschancen und höhere Leistungskraft auch unabhängig von natürlichen Ressourcen zu begründen, wurde dabei stets geringer eingeschätzt als der Effekt begrenzter Ressourcen. Das Ringen um das ökologische Überleben erscheint dann schnell als hoffnungslos. Dies mündete in Überlegungen einer stationären Ökonomie mit minimiertem Ressourcen- und Materialumsatz und konstanten Produktionsfaktoren (Herman Daly).

Diese sehr fundamentale Wachstumskritik wurde seit den späten achtziger Jahren im Konzept der Nachhaltigkeit aufgehoben. Dies wurde erstmals mit dem Bericht der Brundtland-Kommission in die breitere Öffentlichkeit getragen und 1998 zum Thema einer Enquetekommission des Deutschen Bundestages. Einerseits sind in diesem Konzept die ökologische, die ökonomische und die soziale Entwicklung gemeinsam betrachtet worden. Andererseits etablierte sich damit das Konzept der Generationengerechtigkeit. Der Blick auf kritische Ressourcenbestände wird indes zunehmend weniger skeptisch, da die Möglichkeiten steigender Ressourcenproduktivität positiver eingeschätzt werden. Deutlicher betont wurde stattdessen die Bedeutung der Senken, das heißt die Belastung von Umweltmedien durch bestimmte Stoffe und ihrer begrenzten Aufnahmefähigkeit.

Zugleich eröffnete die Nachhaltigkeitsdebatte eine neue Dimension der Wachstumskritik. Mit Blick auf die Bedürfnisse künftiger Generationen wurde nämlich neben der Kompensation externer Effekte und der Korrektur unzureichender Preissignale eine davon unabhängige Steuerung der Ressourcennutzung begründet. Die Antwort kann in Verzichtsvorgaben liegen, sie kann sich aber auch auf eine Effizienzrevolution beziehen. Letztere verbindet sich mit Vorstellungen, die generell auf eine Steigerung der Ressourcenproduktivität zielen. Die sogenannten Degrowth-Konzepte (Wachstumsrücknahme) hingegen fordern durch die Weiterentwicklung der Idee einer stationären Wirtschaft eine vollständige Änderung der Wirtschaftsweise.

Der lange Pfad der Wachstumskritik in den vergangenen zwei Jahrhunderten lässt immer wieder vergleichbare Motive erkennen: die generelle, meist romantische, wenn nicht gegenaufklärerische Skepsis gegenüber der Veränderungsdynamik offener marktwirtschaftlicher Systeme, die kollektivethisch verankerte Sorge um den Naturverbrauch und die eher individualethisch orientierte Anklage der Gier. Versteckt übermittelt die Wachstumskritik uns auch eine „Furcht vor der Freiheit“ (Erich Fromm), denn sie verlangt so oder so nach mehr staatlicher Intervention. Dabei hat die Kritik, welche die Voraussetzungen des Wachstums durch Naturkapital und Sozialkapital thematisiert, wichtige Impulse für eine ressourcenorientierte Ökonomik und eine verantwortliche Wirtschaftspolitik gegeben. Wünschenswert wäre es jedoch, wenn wachstumskritische Diskurse offener und bewusster mit ihren freiheitsskeptischen Aspekten umgingen.

Der Rückspiegel zeigt durchaus im Einklang mit der ökonomischen Theorie, dass die Wachstumskritik ein Phänomen des Wohlstands ist. Die Entlastung von existentiellen Sorgen gibt Raum für die Würdigung abstrakter Zusammenhänge. Im Extremfall wird sogar die Wachstumsrücknahme gefordert. Doch die Absage an das Wirtschaftswachstum unterbindet Innovationsprozesse, weil Finanzierungen nicht realisierbar sind und die internationale Arbeits- und Wissensteilung durch die Fokussierung auf regionale Wirtschaftskreisläufe austrocknet. Wollen wir das wirklich?

Wie soll isoliert dort, wo es – wie auf dem afrikanischen Kontinent – erst um die Gewährleistung elementarer Lebensbedingungen geht, die notwendige Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens erreicht werden, wenn Degrowth die politische Zielsetzung ist? Zwar wird der Aufholbedarf der Entwicklungsländer akzeptiert, doch es bleibt offen, ob und wie das damit verbundene internationale Kooperationsproblem gelöst werden kann.

Dahinter verbirgt sich die fragwürdige These, dass es anderen erst dann bessergehen kann, wenn es einem selbst schlechtergeht und umgekehrt. Diese Form instrumentalisierter „Fernstenliebe“ müsste wegen ihres normativen Gehalts in einer aufgeklärten Gesellschaft Widerstand auslösen. So sollte es gelingen, die Wachstumskritik auf ihren konstruktiven Kern der sorgsamen Beachtung begrenzter Umweltsenken zu fokussieren, ohne die aus der Vergangenheit gut begründete Zuversicht für die Lösungskompetenz freiheitlicher Gesellschaften zu verlieren.

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