Bundeskanzlerin Angela Merkel wird von US-Präsident Donald Trump mit dem Vorwurf konfrontiert, dass Deutschland deutlich mehr ex- als importiert. Das stimmt zwar, aber anders als Trump behauptet, hat das nichts mit Ungerechtigkeit zu tun. Ein Gastbeitrag von IW-Konjunkturforscher Michael Grömling auf Focus Online.
Merkel bei Trump: Eine kleine Nachhilfe in Sachen Leistungsbilanz
297 Milliarden Dollar betrug der deutsche Leistungsbilanzüberschuss im vergangenen Jahr, die USA verbuchten dagegen ein Defizit von 466 Milliarden. Während Deutschland also sehr viel mehr Waren und Dienstleistungen ins Ausland verkaufte als es dort erwarb, war es in den USA umgekehrt. Aus Sicht von US-Präsident Donald Trump – aber auch einiger europäischer Politiker – ist das zutiefst ungerecht. Deshalb sucht Trump nach Mitteln und Wegen, Exporte in die USA, insbesondere auch aus Deutschland, zu erschweren – zum Beispiel durch Strafzölle. Dabei ignoriert er die Ursachen für die gute deutsche und schlechte amerikanische Leistungsbilanz.
Wie die meisten wirtschaftlichen Zusammenhänge wird auch die Leistungsbilanz von Angebot und Nachfrage bestimmt. So kann zum Beispiel eine hohe Staatsnachfrage – also die Ausgaben eines Staates für Güter, beispielsweise für Rüstung oder Infrastruktur – ein Leistungsbilanzdefizit verursachen.
Die USA sind ein exzellentes Beispiel hierfür: Die Wirtschafts- und Steuerpolitik der aktuellen Regierung treibt das Staatsdefizit voraussichtlich weit über 1000 Milliarden Dollar im kommenden Jahr. Dieses Geld verschwindet nicht einfach, sondern wird ausgegeben – im Inland, aber eben auch im Ausland. Die hohe Güternachfrage bekommen die USA nicht aus eigener Leistung bedient, viele Güter müssen woanders eingekauft werden. Zum Beispiel in Deutschland. Das Ergebnis: Die deutsche Leistungsbilanz steigt, die amerikanische sinkt. Ungerecht ist daran hauptsächlich eines: Deutschland dafür die Schuld zu geben, dass es – im Gegensatz zu den USA – einen ausgeglichenen Haushalt anstrebt.
Die Leistungsbilanz aller Länder im Überblick
Inhaltselement mit der ID 3424Mindestens genauso entscheidend ist jedoch die Angebotsseite – das, was in einem Land hauptsächlich produziert wird. Die rohstoffreichen Länder in Asien, Afrika und Südamerika haben zum Beispiel in der Phase einer hohen Rohstoffnachfrage und gleichzeitig steigender Preise Leistungsbilanzüberschüsse von insgesamt über 600 Milliarden Dollar pro Jahr erwirtschaftet. Erst eine schwächere Weltkonjunktur und stark gefallene Rohstoffpreise haben diesen Überschuss zuletzt aufgelöst.
Hierzulande gibt es zwar kaum Rohstoffe, dennoch spielt hier die Angebotsseite eine große Rolle: Denn Deutschland produziert sehr viele Investitionsgüter, beispielsweise Maschinen, die in Fabriken zum Einsatz kommen. Unter den fortgeschrittenen Volkswirtschaften hat Deutschland einen der höchsten Anteile solcher Güter an der gesamtwirtschaftlichen Produktion. Dadurch hängt die deutsche Wirtschaft stark von der globalen Investitionstätigkeit ab.
Deutschland profitiert von den Investitionen...
Deshalb profitierte Deutschland besonders vom globalen Investitionsboom nach der Jahrtausendwende, der bis zur Finanzmarktkrise anhielt. Zwischen 2002 und 2008 verdoppelte sich das globale Investitionsvolumen. Zugleich stieg auch die deutsche Leistungsbilanz sprunghaft an. Während die deutsche Bilanz im Jahr 2000 noch ein Defizit von 34 Milliarden Dollar aufwies, gab es 2007 ein Plus von 233 Milliarden.
... und leidet stärker in der Krise
Auf der anderen Seite treffen globale Investitionsflauten Deutschland ebenfalls überproportional. Als während der Krisenjahre fast alle Länder ihre Investitionen massiv zurückfuhren, ging die deutsche Leistungsbilanz zwischen 2007 und 2010 um 40 Milliarden Dollar zurück. Allein im Jahr 2009 brachen die deutschen Warenexporte real um fast 17 Prozent ein. Das hatte Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft: Das reale Bruttoinlandsprodukt sank um 5,6 Prozent. Man kann es sich also – wie Trump – leicht machen und Deutschland für die momentan gute Leistungsbilanz kritisieren. Oder man versucht, die wirtschaftlichen Zusammenhänge von Angebot und Nachfrage zu verstehen und seine Schlüsse daraus zu ziehen. Statt mit Strafzöllen zu drohen und dadurch einen für alle Seiten schädlichen Handelskrieg zu riskieren, wären die Amerikaner gut beraten, ihre eigene Wirtschaftsstruktur zu überdenken. Eine Senkung des Haushaltsdefizits wäre dafür ein guter Beginn.
Zum Gastbeitrag auf focus.de
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