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Zeige Bild in Lightbox Das falsche Bild vom reichen Mann
(© Foto: olly - Fotolia)
Petra Bahr und Knut Bergmann in Christ & Welt Gastbeitrag 23. August 2012

Das falsche Bild vom reichen Mann

Die Ökonomisierung nahezu aller Lebensbereiche führt zu einer Spaltung in unserer Gesellschaft, schreibt der Leiter des IW-Hauptstadtbüros Knut Bergmann gemeinsam mit der Kulturbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland Petra Bahr in der Zeit-Beilage Christ & Welt. Die einen sehen im Privatunternehmer einen skrupellosen Geldmacher, die anderen die ethische Stütze des Systems. Es ist an der Zeit, die alten Klischees zu überdenken.

Nur wenige sehen in ihm das Pferd, das den Karren zieht“, sagte schon Winston Churchill über den Unternehmer. Die Menschen wollten im Geschäftsmann nur die Melkkuh oder sogar den räudigen Wolf sehen, den es zu bekämpfen gelte, meinte er. An diesem Befund hat sich wenig verändert. Das Klischee wirkt immer noch: der zigarrenrauchende Patriarch, der kurz vor seinem 60. Geburtstag seine Ehefrau gegen eine viel jüngere Blondine tauscht; die Kinder waren glücklicherweise schon im Internat. Oder der Freak, der in der Schule nie ein Mädchen abkriegte und von dem man nun hört, er habe sich mit einer Internetfirma in den USA eine goldene Nase verdient.

Wer sonntagabends „Tatort“ schaut, bekommt zumeist als Unternehmer die eiskalten Typen präsentiert, die zur Not noch ihre eigene Großmutter für eine höhere Rendite verkaufen würden, während der Boulevard gern den Einzelfall des raffgierigen Pleitiers heraushebt, der schnell noch sein Vermögen auf die Ehefrau übertragen hat. Passend dazu lässt sich der Vorstandsvorsitzende der größten deutschen Bank mit der Victory-Geste vor Gericht ablichten. Damit schrieb Josef Ackermann deutsche Wirtschaftsgeschichte, denn dieses Foto des Schweizers wurde zur deutschen Ikone der Kapitalismuskritik.

Zwar wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der massive Vertrauensverlust vor allem den Finanzbereich betrifft – nicht einmal 20 Prozent der Menschen hierzulande vertrauen den Banken –, doch auch das Ansehen und die Glaubwürdigkeit von Unternehmern erodieren. Insgesamt hat unser Sozial- und Wirtschaftsmodell an Renommee eingebüßt; je nach Umfrage rangiert die Zustimmung zur sozialen Marktwirtschaft bei lediglich rund 50 Prozent. Schon in Schulbüchern kommen Unternehmen nur selten vor, und wenn, dann als bedrohliche Großkonzerne, die allein profitorientiert Leute entlassen, die Umwelt verschmutzen und denen ethische Maßstäbe fremd sind.

Es wird leicht übersehen, dass der durchschnittliche Unternehmer nichts mit dem gierigen Investmentbanker gemeinsam hat. Das typische deutsche Unternehmen ist kein weltumspannender Großkonzern, schon gar nicht aus der Finanzwirtschaft, auf die sich die öffentliche Wahrnehmung und die politische Debatte fokussieren. Im Gegenteil: 95 Prozent der deutschen Unternehmen sind in Familienbesitz und werden von ihren Eigentümern geführt, die persönlich haften. Mehr als 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten in aller Regel in kleinen und mittleren Betrieben.

Ihre Eigentümer genießen bei ihren Mitarbeitern einen sehr viel besseren Ruf als der Unternehmer im Allgemeinen, den kaum mehr jemand mit positiven Eigenschaften wie selbstlos, sozial oder gar gerecht verbinden will – nicht einmal mehr jeder Fünfte tut dies. Am schiefen Das falsche Bild des Unternehmers ist auch die Inflation ökonomischer Kriterien schuld. Das ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Die Ökonomisierung der Universitäten und Verwaltungen, des Gesundheitswesens und nicht zuletzt sogar der Kirchen haben zur Allgegenwart unternehmerischer Kategorien geführt. Der Sound der Unternehmensberater hat sich in den Amtsstuben, Forschungslaboren und Krankenstationen zu einer Art Management-Raunen verdichtet. Verantwortlicher Umgang mit dem Geld anderer Leute ist wahrlich nicht unmoralisch.

Doch die Referenz für die Ökonomisierung mehr oder weniger aller Lebensbereiche sind nicht Unternehmen, sondern Unternehmensberatungen. Sie haben nicht nur lange so getan, als könne jeder Bereich der Gesellschaft wie ein Unternehmen funktionieren. Sie haben auch das Bild des unternehmerischen Handelns vermutlich in den letzten Jahren mindestens so stark geprägt wie die Skandale um taumelnde Banken und zynische Hasardeure in deren Investmentabteilungen. In der Euphorie der Reformen ist oft übersehen worden, dass weder Recht noch Bildung, noch Kirche, noch Politik originär wirtschaftliche Handlungsfelder sind.

Sie orientieren sich weder an Quartalszahlen noch am Ethos des ehrbaren Kaufmanns, sie müssen lediglich wirtschaftlich handeln, um ihre eigenen Aufgaben für sich selbst und die Gesellschaft zu erfüllen. Schulen, Kirchen und die Polizei sind schlicht keine Unternehmen. Deshalb wird die ökonomische Rationalität am eigenen Arbeitsplatz vor allem als Störung oder als Überforderung begriffen, die die Abwehr gegenüber allem Unternehmerischen weiter fördert. Wie eine Bestätigung dieses Unbehagens lesen sich die Ergebnisse von Studien, die zeigen, dass die eigene Lebenszufriedenheit zunehmend an Sicherheit, auch an berufliche Sicherheit, gebunden ist.

Das mag ein Reflex auf den Zustand der Dauerkrise sein. Abenteuer, Erfindungsgeist und die damit verbundenen finanziellen und persönlichen Risiken werden vor allem als Bedrohung empfunden. Oder sie werden nur denen zugetraut, die das „Unternehmer-Gen“ zu haben scheinen, weil sie schon immer vor allem durch ihre Geschäftstüchtigkeit aufgefallen sind. „Der hat schon als Schüler Gummibärchen und Klassenarbeiten auf dem Pausenhof verkauft“, heißt es dann (oder Drogen im Internat, wie jüngst in der samstäglichen Feuilletonreportage einer großen deutschen Zeitung). Im Hintergrund steht eine zutiefst freiheitsfeindliche Mentalität unserer Gesellschaft. Freiheit wird selten als Gestaltungsraum verstanden, jedenfalls nicht jenseits des individuellen Lebensstils. Freiheit ist eine Bedrohung, vor der es sich so gut wie möglich zu schützen gilt. Die gilt allein dem Bundespräsidenten noch als Verheißung.

Das hat Folgen für die ethische Bewertung. Freiheit und Verantwortung sind die Lieblingsbegriffe aller Sonntagsreden. Im Grunde dienen beide Begriffe aber nur als Einstieg, um dann Gleichheit zu predigen. Keine Frage: Es gibt einen inneren Zusammenhang zwischen Freiheit und Verantwortung, der auch in den christlichen Positionen zum Unternehmertum immer wieder betont wird. Wer aber die Freiheit, die mit dem unternehmerischen Handeln verbunden ist, immer schon verdächtigt, delegiert oft auch die Verantwortung an andere. An „die da oben“, an Institutionen, für die man ansonsten kein gutes Wort übrig hat, oder eben an die „Wirtschaft“, die als großes Ungetüm mit neoliberaler Zockerei Sicherheit und Gleichheit verspiele.

Unternehmer stehen mittlerweile nicht nur unter dem Generalverdacht, auf Kosten anderer reich werden zu wollen, sie stehen unter einem ständigen Legitimationsdruck jenseits ihres Kerngeschäfts. Wie oft werden öffentlich Bedienstete gefragt, wie es denn mit ihrem bürgerschaftlichen Engagement stehe? Wann müssen Konsumenten Rechenschaft darüber ablegen, warum sie die Macht der Großkonzerne auf den Lebensmittelmärkten stützen?

Unternehmen wird nur selten zugute gehalten, dass sie Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, Jugendliche ausbilden und in Forschung und Entwicklung investieren. Und wenn man bemerkt, dass fast alle Unternehmen in Deutschland auf irgendeine Art und Weise bürgerschaftlich engagiert sind, dann entgegnet das Gegenüber, das sei doch bloß Marketing oder diene dazu, das zu Recht schlechte Gewissen zu beruhigen. An der Karikatur des unmoralischen Unternehmers basteln allerdings auch die Vertreter der wirtschaftlichen Eliten, die keinen Hehl daraus machen, dass sie das mühsame Geschäft der Politik genauso gering schätzen wie die Mahnungen von Intellektuellen, an das große Ganze zu denken. Der Gestus, der diesem Hochmut zugrunde liegt, wird allerdings auch deshalb befördert, weil das, was in dieser Gesellschaft „Elite“ ist oder zu sein beansprucht, immer stärker über materiellen Reichtum definiert wird.

Der Jetset der Reichen und Schönen und der schnelle Erfolg der Superstars werden immer mehr zum Sehnsuchtsbild. Nachdenklichkeit und Wissen, Kreativität, Durchhaltevermögen und der Sinn für Neues, die Lust, etwas zu gestalten, etwas zu hinterlassen, etwas aufzubauen, das möglichst in die nächste Generation weitergeht, alles auch Attribute eines guten Unternehmers, treten immer stärker in den Hintergrund.

Oder liegt das Problem auch einfach nur darin, dass Mark Zuckerberg trotz abgestürztem Aktienkurs immer noch für viele cooler ist als eine schwäbische Mittelständlerin, die mit ihrem Unternehmen seit Jahrzehnten zur Weltmarktspitze zählt und nebenbei noch dafür sorgt, dass Familie und Beruf in ihrem Unternehmen vereinbar sind? Solche „hidden champions“ haben wir viele. Vielleicht sollten wir uns einfach mal deren Geschichten erzählen.

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