EU-Währungskommissar Pierre Moscovici hat die Entscheidungsstrukturen beim Hilfsprogramm für Griechenland als „demokratischen Skandal“ bezeichnet. Diese Skandalisierung ist falsch, fehlgeleitet und scheinheilig, kommentiert IW-Währungsexperte Jürgen Mattes im Weser-Kurier.
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Ein Bärendienst vom EU: Währungskommissar
Vor allem kritisiert Pierre Moscovici laut Medienberichten das vermeintliche demokratische Defizit in der Eurogruppe. Die Eurofinanzminister hätten bei den Entscheidungen über die von Griechenland umzusetzenden Reformen hinter verschlossenen Türen debattiert, zu sehr auf Technokraten gehört und ohne ein Minimum an parlamentarischer Kontrolle entschieden.
Diese Skandalisierung ist falsch, fehlgeleitet und scheinheilig. Sie ist falsch, weil jeder Euro-Finanzminister Mitglied einer gewählten Regierung und damit offenkundig demokratisch legitimiert ist. Da die Garantien für die Kredithilfen des Euro-Rettungsschirms letztlich von den Mitgliedstaaten gegeben werden, liegt hier auch die alleinige Entscheidungshoheit – und nicht in Brüssel bei der EU-Kommission oder beim Europäischen Parlament, wie Moscovici es anstrebt. Um ihre eigenen Steuerzahler zu schützen, haben die Euro-Finanzminister dafür zu sorgen, dass die nötigen Reformen umgesetzt werden, weil andernfalls die Rückzahlung der Hilfskredite nicht gewährleistet ist.
Sie ist fehlgeleitet, weil die Reformprogramme durch Mitentscheidungsrechte der Kommission oder des Europäischen Parlaments politisiert und damit verwässert würden. Sachrationalität und Politikferne sind unverzichtbar für effektive Reformen, gegen die sich üblicherweise einflussreiche Interessengruppen wehren. Auch beim Internationalen Währungsfonds ist es seit Jahrzehnten eingeübte Praxis, dass Experten die Reformen ausarbeiten und Delegierte nationaler Regierungen darüber entscheiden. Etwas mehr Transparenz über die Entscheidungsfindung und die abgewogenen Argumente wäre möglich und sinnvoll.
Sie ist scheinheilig, weil er selbst als französischer Finanzminister von 2012 bis 2014 mitentschieden hat. Außerdem kommen die von ihm kritisierten Technokraten, die die Reformpläne ausgearbeitet haben, zum Großteil aus seiner eigenen Generaldirektion. Und schließlich verunglimpft er die Eurogruppe, um der Kommission – und möglicherweise sich selbst als zukünftigem Euro-Finanzminister – mehr Entscheidungsmacht über Kreditprogramme zuzuschanzen.
Mit so populistischen, eigennützigen und schlecht kaschierten Vorstößen lässt sich das Image der EU-Kommission nicht aufbessern. Zudem verärgert Moscovici die Euro-Finanzminister, ohne die er seine ehrgeizigen Pläne zur weiteren fiskalischen Integration des Euroraums nicht durchsetzen kann. Damit erweist er seiner eigenen Sache einen Bärendienst.
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