Weniger Importe bedeutet mehr Wachstum - das ist die Meinung von Donald Trumps Berater Peter Navarro. Diese Darstellung ist so vereinfacht, dass sie schon nicht mehr ökonomisch genannt werden kann. Ein Gastbeitrag von IW-Ökonom Jürgen Matthes auf Focus Online.
Ein Denkfehler von Trumps Wirtschaftsberater wird zur Gefahr für die ganze Welt
Donald Trump hat in den ersten Tagen seiner Amtszeit bereits einiges an Porzellan zerschlagen. Die Hoffnung, seine Wahlkampfversprechen würden wie so häufig nach Wahlen weitgehend in der Mottenkiste verschwinden, scheint sich nicht zu erfüllen. Vielmehr ist Anfang dieser Woche auch die deutsche Wirtschaft mit ihrem hohen Leistungsbilanzüberschuss gegenüber den USA ins Visier der neuen protektionistisch gesinnten US-Administration geraten. So warf der handelspolitische Chefberater Trumps, Peter Navarro, Deutschland mehr oder weniger direkt vor, den Eurokurs zu manipulieren.
Dahinter steht der äußerst kritische Blick Navarros auf das Leistungsbilanzdefizit der USA. Nach jüngsten Schätzungen der OECD dürfte es sich in diesem Jahr auf knapp 500 Milliarden US-Dollar belaufen. Auf den ersten Blick eine große Summe, doch in Relation zur US-Wirtschaftsleistung entspricht dies lediglich 2,6 Prozent. Gleichwohl könnte der deutschen Exportwirtschaft erhebliches Ungemach drohen, falls Donald Trump und sein Team Ernst machen und tatsächlich Importbeschränkungen für deutsche Produkte einführen würden. Es wird gegenwärtig über Zölle oder Importsteuern in zweistelliger Größenordnung spekuliert.
Das hat nichts mehr mit Ökonomie zu tun
Das erscheint inzwischen nicht mehr ausgeschlossen, zumal die Denke der US-Administration in Handelsfragen aus ökonomischer Sicht recht seltsam und damit wenig kalkulierbar erscheint. So schreibt Ex-Wirtschaftsprofessor Navarro in einem Papier, das er mit dem designierten Handelsminister Wilbur Ross vor einigen Monaten publiziert hat, dass Trump das US-Wachstum durch eine Verringerung des Leistungsbilanzdefizits steigern will, indem Import eingeschränkt und Export erhöht werden. Die Ansicht, das Wachstum durch eine Einschränkung der Importe zu erhöhen, ist so vereinfacht, dass sie schon nicht mehr ökonomisch genannt werden kann.
- Auf den ersten Blick ist es zwar richtig, dass weniger Importe die heimische Produktion dann erhöhen können, wenn die Nachfrage in den USA konstant bleibt und von Importen auf heimische Güter umgelenkt wird. Das gilt freilich nur kurzfristig und zudem bei sonst gleichen Bedingungen. Doch bleiben die Bedingungen bei einer Einschränkung der Importe nicht gleich. Vielmehr verschlechtern Handelsbarrieren auf mittlere Sicht die Exportkraft und damit auch das Wachstumspotenzial einer Volkswirtschaft:
- Es dürfte zu einer Aufwertung des US-Dollars kommen, weil bei teureren Einfuhren die Nachfrage der US-Importeure sinkt und sie daher auch weniger ausländische Währungen zur Bezahlung der Importe nachfragen. Die Aufwertung konterkariert jedoch die geplante Wirkung der Importbeschränkungen. Denn sie macht US-Importe wieder merklich billiger und verteuert zudem US-Exporte auf dem Weltmarkt – der Abbau des Leistungsbilanzdefizits würde so gerade erschwert.
- Einfuhrbeschränkungen würden Importe verteuern, da die Aufwertung wohl nur einen Teil des Preiseffekts wettmachen dürfte. Soweit US-Konsumenten ausländische Güter deutlich mehr schätzen als US-Produkte, würden ihre Realeinkommen durch die Importpreissteigerungen sinken. Das ginge zulasten des privaten Konsums, der das Gros der US-Nachfrage ausmacht.
- Auch US-Firmen würden unter den höheren Einfuhrpreisen leiden. Denn sie würden durch die gestiegenen Kosten auf dem Weltmarkt an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen, was ebenfalls die Exportfähigkeit der USA schwächen würde. Dieses Argument gilt für Unternehmen, die auf ausländische Investitionsgüter (wie etwa deutsche Maschinen) angewiesen sind. Betroffen wären auch Firmen, die in internationale Wertschöpfungsketten eingebunden sind und die ausländische Vorprodukte in ihre Güter einbauen.
- Höhere Importsteuern – in der diskutierten Größenordnung von rund 20 Prozent – würden den internationalen Wettbewerbsdruck in den USA deutlich mindern. Damit will Trump der US-Industrie gezielt einen Schutzraum schaffen, um sie wieder zum Florieren zu bringen. Kurzfristig mögen hier gewisse Erfolge möglich sein. Doch auf längere Sicht würden mangelnde Effizienz und Innovationsanreize dazu führen, dass die US-Unternehmen an internationaler Wettbewerbsfähigkeit einbüßen.
- All diese indirekten Effekte einer Abschottungspolitik schwächen auf Dauer nicht nur die Exportperformance, sondern letztlich auch die Produktivkraft und Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft.
Die seltsame Denke von Navarro und Ross könnte damit nicht nur Deutschland, sondern am Ende auch der US-Wirtschaft gefährlich werden.
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