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(© Foto: chungking - Fotolia)
Hans-Peter Fröhlich im Kölner Stadt-Anzeiger Gastbeitrag Nr. 1 26. November 2013

Von China lernen

Vielen Medien war die Meldung nur eine Randnotiz wert: Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas hat beschlossen, die Wirtschaftspolitik des Landes künftig stärker marktwirtschaftlich auszurichten. Hans-Peter Fröhlich, der stellvertretende Direktor des IW Köln, betont im Kölner Stadt-Anzeiger, dass der Paradigmenwechsel in Peking mehr Aufmerksamkeit verdient hat – sowohl mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung im Reich der Mitte als auch vor dem Hintergrund der wirtschaftspolitischen Debatte hierzulande.

Der Aufholprozess Chinas in den letzten drei Jahrzehnten ist in der Wirtschaftsgeschichte beispiellos. Mit jährlichen Wachstumsraten von fast zehn Prozent hat sich das Land von einem Armenhaus zum Exportweltmeister entwickelt. Wo einst Bataillone von Fahrradfahrern das Straßenbild beherrschten, gibt es heute die größte Dichte von deutschen Nobelkarossen. Kein Wunder, dass das staatsgelenkte Wirtschaftssystem auch viele Beobachter im Westen fasziniert hat und manchen an die Überlegenheit des chinesischen Modells glauben ließ.

Inzwischen ist das System offenbar an seine Grenzen gestoßen. Überhitzung auf dem Immobilienmarkt, starkes soziales Stadt/Land-Gefälle, Umweltprobleme gigantischen Ausmaßes und andere Ungleichgewichte haben Chinas politische Führer offenbar zu der Erkenntnis gebracht, dass sie nicht alle Probleme am Reißbrett lösen können. Eine Volkswirtschaft ist ein hochkomplexes Gebilde, in dem fast alles mit allem zusammenhängt. Ein Eingriff hier hat nur allzu oft unerwünschte Rückwirkungen an anderer Stelle. Das komplexe System lässt sich nicht von einem zentralen Kommandostand steuern.

Genau an der Stelle kommt der Markt ins Spiel. Dort treffen Nachfrager mit ihren vielfältigen Bedürfnissen und Präferenzen auf Anbieter mit ganz unterschiedlichen Produkten, Ideen und Verfahren. Nur im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage zeigen sich die wahren Knappheitsrelationen in einer Volkswirtschaft, nur so können Ressourcen in die produktivste Verwendung gelenkt und Innovationen stimuliert werden. Das Geheimnis des Marktes liegt darin, dass er das Wissen, den Erfindungsreichtum und die Risikobereitschaft von Millionen von Menschen koordiniert und daraus in einem dynamischen, von Wettbewerb geprägten Prozess Wohlstand generiert.

Umso mehr verblüfft es, wie schnell diese Erkenntnis auch in Ländern mit langer marktwirtschaftlicher Tradition mitunter in Vergessenheit gerät. Deutschland ist davon nicht ausgenommen. Beispiel Energiepolitik: Hier wird von Seiten der Politik munter und unkoordiniert mit CO2-Zielen, Kraftwerk-Laufzeiten, Preisfestsetzungen und Mengenvorgaben operiert. Das alles geschieht wohl in hehrer Absicht - hat aber zur Folge, dass der Verbraucher von explodierenden Strompreisen betroffen ist, die Wettbewerbsfähigkeit leidet und die Versorgungssicherheit in Frage gestellt ist. Eine Rückbesinnung auf marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismen ist dringend geboten.

Ein weiteres Beispiel ist der Arbeitsmarkt. Die marktwirtschaftlich inspirierten Reformen Mitte des vergangenen Jahrzehnts haben Deutschland einen kaum für möglich gehaltenen Beschäftigungsaufbau beschert - auch und gerade bei sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Jetzt machen sich die angehenden Großkoalitionäre daran, gleich mit einem ganzen Bündel von Gesetzesinitiativen in den Arbeitsmarkt einzugreifen. Niemand Geringeres als das Bundesfinanzministerium hat vor den damit verbundenen Arbeitsplatzverlusten gewarnt.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung brandmarkt in seinem Jahresgutachten den derzeitigen Regulierungseifer in Berlin als "rückwärtsgewandte Politik". Es mutet wie ein Treppenwitz der Geschichte an, dass just zum selben Zeitpunkt ausgerechnet die kommunistische Partei Chinas zur Bewältigung der großen wirtschaftlichen Zukunftsherausforderungen auf mehr Markt setzt.

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