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(© Foto: cbarnesphotography/iStock)
Christian Rusche auf n-tv.de Gastbeitrag 8. Juni 2017

Kein Grund zur Panik

Unsichere Zeiten für die deutsche Wirtschaft. Mit den USA und Großbritannien wandeln sich gleich zwei Handelspartner zu Wackelkandidaten. Auf der Suche nach neuen Beziehungen richtet sich der Blick nach China. Ein Gastbeitrag von Christian Rusche, Wissenschaftler im Institut der deutschen Wirtschaft Köln.

Bei seinem Besuch in Berlin machte der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang erneut deutlich, dass China international eine Führungsrolle beansprucht. Bereits seit Jahren wird China immer wichtiger für die hiesige Wirtschaft, deutsche Unternehmen machen Milliardengewinne in Fernost. Im vergangenen Jahr flossen Waren im Wert von 76 Milliarden Euro nach China – Tendenz stark steigend. Doch damit liegt das Reich der Mitte weiter klar hinter den USA (107 Milliarden Euro) und Großbritannien mit 86 Milliarden. Gleichzeitig wurden 2016 Waren im Wert von über 90 Milliarden Euro aus China nach Deutschland importiert. Damit ist China sogar der wichtigste Handelspartner der Bundesrepublik. Deutsche Unternehmen investieren seit Jahrzehnten viel Geld in Fabriken und Filialen in China, um an der rasanten Entwicklung im Riesenreich mitzuverdienen.

Doch auch chinesische Firmen investieren immer stärker auf den Weltmarkt und das mit prall gefüllten Geldbörsen. Legten sie 2010 global noch rund 69 Milliarden Dollar an, verdoppelte sich dieser Wert bis 2015 auf 128 Milliarden. Laut chinesischen Angaben wurden in diesem Jahr sogar annähernd 146 Milliarden US-Dollar investiert. Rund 44 Milliarden Dollar setzen sie ein, um ausländische Firmen zu übernehmen, der Rest floss unter anderem in Immobilien. China wandelt sich somit von einen Investitionsziel zu einem globalen Investor.

Chinesen investieren in deutsche Firmen

Übernahmen und Beteiligungen seit 2014

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Auch Deutschland rückt immer stärker in den Fokus chinesischer Anleger: Seit 2005 wechselten bereits 196 Unternehmen in die Hände chinesischer Investoren – mit zunehmender Geschwindigkeit. So war 2016 ein Jahr der Rekorde, zeigen IW-Berechnungen. 39 deutsche Firmen wurden nach China verkauft, zum Gesamtpreis von mindestens 10 Milliarden Euro. Vor allem im Bereich des Maschinenbaus und der Automobilindustrie schlagen Investoren aus Fernost zu, 120 Firmen wurden hier übernommen. Doch auch der Bereich der Medizintechnik und der Erneuerbaren Energien wird immer wichtiger – alles Schlüsseltechnologien für die deutsche Wirtschaft.

Vorteile für Deutschland trotz chinesischer Übernahmen?

Das chinesische Vorgehen wird immer wieder kontrovers diskutiert und beschwört nicht selten Ängste herauf – sichern sich chinesische Firmen doch so deutsches Know-how, Technologie und Patente. Unterstützt werde sie dabei zudem häufig von der Regierung in Peking, die den technologischen Vorsprung deutscher und europäischer Firmen schnellstmöglich aufholen möchte. Vor allem bei der geplanten Übernahme von Aixtron und der vollzogenen Akquisition von Kuka erhitzten sich die Gemüter, es wurde offen darüber diskutiert, ob und wann die deutsche Regierung solche Übernahmen verbieten darf.

Bei aller berechtigten Kritik an diesen staatsgestützten Investitionen dürfen aber die Vorteile für Deutschland nicht aus den Augen verloren werden. Denn häufig steigen chinesische Firmen bei deutschen Unternehmen ein, die in wirtschaftliche Schieflage geraten sind – ein Beispiel ist das Solarunternehmen Conergy. Zwar erwerben die Investoren damit deutsches Know-how, sie sichern aber gleichzeitig auch Arbeitsplätze. Zudem können die übernommenen Unternehmen mit neuem Kapital leichter und schneller auf neue Märkte vorstoßen und expandieren. Darüber hinaus bleiben Forschungseinrichtungen und damit die Arbeitsplätze in Deutschland erhalten, eine Verlagerung nach China findet kaum statt.

Eine Zusammenarbeit mit China ist also verlockend und gewinnbringend, doch es gibt auch entscheidende Hürden: Viele europäische Firmen fühlen sich in China benachteiligt. Der chinesische Staat schützt heimische Unternehmen häufig vor Übernahmen aus dem Ausland und erschwert europäischen Firmen den Einstieg in den Markt. Diese Sorgen muss die Politik ernst nehmen. Es gilt, eine Symmetrie herzustellen: Wenn chinesische Firmen in Europa investieren, zukaufen und Zugang zu Patenten und dem europäischen Markt bekommen, muss dies auch europäischen Unternehmen in China erlaubt sein.

Zudem kann sich der chinesische Staat über gezielte Investitionen in wichtige Unternehmen und die Infrastruktur in Deutschland Einfluss verschaffen, was umgekehrt nicht möglich ist. Denn auch wenn chinesische Spitzenpolitiker in den vergangenen Wochen oft vom Freihandel gesprochen haben, scheint weiter unklar, ob das auch für den chinesischen Markt gelten soll. Die Regierung ist also gut beraten, die chinesische Investitionsfreude sorgfältig im Auge zu behalten, ohne sie im Keim zu ersticken.

Hier braucht es vor allem eines: gesundes Selbstvertrauen. Deutschland und die EU sind in der Lage, ihre Stärken auszubauen und eine entscheidende Rolle in der Weltpolitik zu übernehmen. Sie müssen es nur wollen. Der Handel zwischen der EU und China wird weiter an Bedeutung gewinnen, auch und vor allem im Schatten von Trump und Brexit. China hat hierbei viel zu bieten, doch Europa darf sich nicht verstecken und muss auf eine gleichberechtigte Partnerschaft setzen. Nur so kann sich China, neben anderen Staaten wie Indien, zu einem verlässlichen Partner wandeln.

Zum Gastbeitrag auf n-tv.de

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