1. Home
  2. Presse
  3. In den Medien
  4. Hätte Weidmann nur geschwiegen
Zeige Bild in Lightbox Hätte Weidmann nur geschwiegen
(© Foto: Kalle Kolodziej - Fotolia)
Arndt Günter Kirchhoff in der Frankfurter Allgemeinen Gastbeitrag 7. August 2014

Hätte Weidmann nur geschwiegen

Es bedarf keiner Lohnermahnung der Bundesbank, schreibt Arndt Günter Kirchhoff, Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die Deutsche Bundesbank sorgt für Aufsehen. Ihr Präsident Jens Weidmann hat in einem Interview mit dieser Zeitung den Spielraum für Lohnzuwächse in diesem Jahr mit rund 3 Prozent beziffert. Wenngleich der Bundesbank-Präsident mit dieser Zahl ausdrücklich keine Empfehlung, sondern lediglich eine geldpolitische Einordnung abgegeben haben will, drängt sich die Frage auf, warum die Währungshüter fern ihrer eigentlichen Zuständigkeit ausgerechnet dieses Thema auf ihre Agenda gesetzt haben.

Unverständlich für uns ist die Einlassung der Zentralbank deshalb, weil sie sich – wenn auch betont vorsichtig – in den Bereich der Tarifautonomie einmischt. Dass sich hier und da die Politik im Vorfeld von Tarifrunden immer wieder unaufgefordert mit Ratschlägen zu Wort meldet, scheint sich in den vergangenen Jahren leider etabliert zu haben. Dass dies jetzt aber ausgerechnet eine Institution tut, die ihren eigenen Autonomieanspruch in der Geld- und Zinspolitik gegenüber der Politik stets mit großem Selbstbewusstsein äußert, ist für uns neu. Es stellt sich die Frage, ob die Lohnentwicklung in Deutschland tatsächlich so mager ist, als dass sich die Gralshüter einer stabilen Währung große Sorgen machen müssten.

Ein Blick auf die tarifpolitischen Fakten in Deutschlands größtem Industriezweig, der Metall- und Elektroindustrie, zeigt folgenden Befund: Im vergangenen Jahr sind die Entgelte für unsere 3,7 Millionen Beschäftigten um 3 Prozent, im laufenden Jahr um 3,25 Prozent gestiegen. Angesichts einer moderaten Preisentwicklung von 1,5 Prozent im Jahr 2013 und von derzeit 1,1 Prozent bleibt unseren Mitarbeitern ein spürbares Lohnplus im Geldbeutel. Unsere Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen verdienen derzeit im Schnitt 4180 Euro im Monat. Damit unterstreicht unser Industriezweig seinen Ruf als Hochlohnbranche.

Den Tarifparteien der deutschen Metall- und Elektroindustrie ist es in den vergangenen 15 Jahren weitgehend gelungen, den schmalen Grat einer die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht zu sehr beeinträchtigenden und die faire Teilhabe der Beschäftigten am wirtschaftlichen Erfolg ermöglichenden Lohnentwicklung nicht zu verlassen. Tarifabschlüsse mit einer „4“ vor dem Komma waren ebenso dabei wie ein Moratorium in der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit, als der Beschäftigungssicherung der Vorrang gegenüber Lohnerhöhungen gegeben wurde. Fakt ist aber auch: Die Lohnstückkosten sind in unseren Betrieben zuletzt wieder deutlich gestiegen. Vor diesem Hintergrund können wir Unternehmer Stimmen nicht nachvollziehen, die in den vergangenen Jahren eine Lohnzurückhaltung in Deutschland ausgemacht haben wollen.

Sorge bereitet uns vielmehr der Umstand, dass die Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland unter den Abschreibungen liegen. Anders ausgedrückt: Unser Land lebt in vielen Bereichen von seiner Substanz. Wenn wir das Wirtschaftswachstum dauerhaft steigern wollen, dann bedarf es höherer Investitionen von Unternehmen und Staat. Was die privaten Investitionen angeht, sind die anhaltende Unsicherheit über die Entwicklung der Energiekosten und politische Entscheidungen wie die Einführung des gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohns oder die Rente mit 63 mit all ihren Folgewirkungen für Lohngefüge und Demographie klare Minuspunkte für den Investitionsstandort Deutschland.

Wenn nun auch noch kräftigen Lohnsteigerungen jenseits des Produktivitätsfortschritts das Wort geredet wird, dann verschlechtern sich die Investitionsbedingungen weiter. Unternehmen unserer Industrie würden noch stärker als bisher ausländische Standorte für Erweiterungen oder Verlagerungen in Betracht ziehen. Dies müssen sie aus Gründen der Marktnähe ohnehin schon tun. Eine unnötige, weil dann hausgemachte Verstärkung dieses Trends wollen wir unbedingt vermeiden, denn am liebsten schaffen wir mit unseren Unternehmen Arbeitsplätze in Deutschland.

Ein letzter Gedanke: Mit Blick auf die Metall- und Elektroindustrie kommt hinzu, dass die IG Metall schon angekündigt hat, in der Tarifrunde 2015 neben einer noch zu beziffernden Lohnerhöhung auch Neuregelungen zur Altersteilzeit und eine sogenannte Bildungsteilzeit zu fordern. Unabhängig davon, was wir am Ende des Weges im Frühjahr 2015 miteinander vereinbaren werden, steht eines wohl fest: Die Arbeitskosten in unserer Industrie werden voraussichtlich auch ohne Einmischung der Bundesbank steigen. Es bedarf hier keiner Ermahnung.

Wenn allerdings die „Einordnung“ der Bundesbank dazu beiträgt, dass die Arbeitskosten über das vom Produktivitätszuwachs vertretbare Maß hinaus steigen, dann hätte sie Deutschland, seinen Unternehmen und den Beschäftigten einen Bärendienst erwiesen. Dann würde der alte Satz gelten: „Ach, hättest Du nur geschwiegen.“

Mehr zum Thema

Artikel lesen
De-Industrialisierung – Gefahr für den Finanz- und Wirtschaftsstandort Deutschland?
Markus Demary Veranstaltung 29. April 2024

33. Finanzmarkt Round-Table: De-Industrialisierung – Gefahr für den Finanz- und Wirtschaftsstandort Deutschland?

Das Institut der deutschen Wirtschaft, die DekaBank und die Börsen-Zeitung laden Sie zum Finanzmarkt Round-Table am Montag, den 29. April 2024 von 10:30 bis 12:30 Uhr ein. Der Round-Table findet als Online-Veranstaltung statt.

IW

Artikel lesen
Hagen Lesch Pressemitteilung 18. April 2024

Tarifverhandlungen 2024: Es droht eine höhere Inflation

Im Frühjahr stehen weitere Tarifverhandlungen in der Chemie- und Baubranche sowie dem Bankwesen an. Beharren die Gewerkschaften auf ihre hohen Forderungen, könnte dies auch die Inflation wieder hochtreiben. Davor warnt eine neue Studie des Instituts der ...

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880