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Andreas Fischer auf Focus Online Gastbeitrag 26. März 2023

Wenn wir das Klima retten wollen, muss die Wirtschaft brummen

Unternehmen fahren ihre Produktion zurück, Haushalte heizen weniger und vielerorts wird Strom gespart: Die Energiekrise hat Deutschland stark getroffen. Ähnlich wie in der Corona-Krise stellt sich dabei die Frage: Helfen Krisen im Kampf für mehr Klimaschutz? Darüber schreibt IW-Klimaexperte Andreas Fischer ein einem Gastbeitrag für Focus online.

Im vergangenen Jahr sind die Emissionen im Vergleich zu 2021 leicht gefallen, das zeigen vorläufige Zahlen des Umweltbundesamtes . Auch das selbstgesteckte Einsparungsziel des Klimaschutzgesetzes wurde damit eingehalten. Im Energiesektor zeigt sich allerdings ein deutlicher Anstieg der Emissionen zum Vorjahr. Hier ist auch bereits der negative Einfluss der Gaspreiskrise in Europa zu erkennen, denn die Mehremissionen sind vor allem durch die zusätzliche Kohleverstromung zu erklären.

Der leichte Anstieg im Verkehrssektor scheint dabei weniger intuitiv, wo doch der Effekt des russischen Angriffskrieges auch an der heimischen Zapfsäule deutlich spürbar war. Zudem könnte eigentlich davon auszugehen sein, dass in Krisenzeiten Einschränkungen für Haushalte und Industrie zumindest kurzfristig einen positiven Effekt auf die CO2-Emissionen haben. Insgesamt stellt sich daher die Frage: Wie wirken sich derartige Krisen auf unseren CO2-Ausstoß aus?

Plötzlich lohnt sich die Wärmepumpe

Aufgrund der Schutzmaßnahmen im Corona-Jahr 2020 waren deutliche Einschnitte zu beobachten, beispielsweise in der industriellen Produktion oder der Mobilität. Dies führte zu erkennbaren CO2-Einsparungen im Energie-, Industrie- und Verkehrssektor. Die Folge: Erst dadurch konnten die nationalen Klimaziele in einigen Sektoren überhaupt erreicht werden.

Die seit Monaten allgegenwärtige Energiekrise hingegen führt nicht nur zu potenziellen Produktionsrückgängen und damit zu Einsparungen. Die hohen Preise für fossile Energieträger können in ihrer Wirkung auch mit einem rasanten Anstieg des CO2-Preises verglichen werden. Dieser soll die Nachfrage nach fossilen Energieträgern senken und dadurch klimafreundliche Alternativen attraktiver machen. Beispielsweise könnte es sich nun eher lohnen, eine elektrische Wärmepumpe und eine Photovoltaik-Anlage zu installieren, um der hohen Gasrechnung der alten Heizung zu entgehen. Dabei machen nicht nur die aktuell hohen Preise, sondern auch die spürbare Unsicherheit aufgrund der starken Abhängigkeit von Energielieferungen die klimafreundlichen Alternativen deutlich interessanter.

Deshalb werden aktuell die erneuerbaren Energien erst recht als zentrale Möglichkeit gesehen, die Energieversorgung nicht nur klimafreundlicher, sondern auch unabhängiger, aufzustellen. Nicht zu Unrecht sprach Bundesfinanzminister Christian Lindner bereits von „Freiheitsenergien“. Der Druck, die angestrebte Energiewende nun auch zeitnah umzusetzen, ist eindeutig gewachsen. Allerdings stellt die jetzige Situation die geplante Energiewende vor weitere Hindernisse.

Steigende Kosten und gestörte Lieferketten

Erstens sind die Auswirkungen beider Krisen auf die internationalen Lieferketten noch deutlich zu spüren. Dies trifft auch die nötigen Komponenten und Anlagen für die Energiewende. Beispielsweise sind die Preise für Photovoltaik-Anlagen in den vergangenen Monaten gestiegen. Auch verweist die OECD auf Engpässe bei wichtigen Materialien und Komponenten. Demnach führt der Einfluss der Corona- als auch der Energiepreiskrise zu deutlichen Lieferschwierigkeiten und Preisanstiegen bei den zentralen technischen Bausteinen der Energiewende.

Zweitens haben wir es zwar mit einer Preisexplosion fossiler Energieträger zu tun, vor allem Erdgas. Allerdings katapultierte der Erdgaspreis über die Preisbildung an der Börse auch den Strompreis in ungeahnte Höhen. Dadurch wird zwar folgerichtig die Knappheit des Energieträgers Erdgas abgebildet und es handelte sich nicht um ein Marktversagen.

Der positive Nebeneffekt der Energiepreiskrise, fossile Energien im Vergleich zu klimafreundlichen Alternativen deutlich zu vergünstigen, wird dabei allerdings ad absurdum geführt. Denn die zentrale, zumindest potenziell, klimafreundliche Alternative ist Strom. Im Endeffekt ist durch die aktuelle Krise beispielsweise die direkte Eigenversorgung mit einer Photovoltaik-Anlage zwar attraktiver geworden - vorausgesetzt die nötigen Komponenten sind auch verfügbar. Der Anreiz im Sinne der Energiewende, für zusätzliche Anwendungen Strom zu beziehen, ist hingegen eher gesunken.

Investitionen bleiben aus

Drittens braucht es langfristig umfangreiche Investitionen in neue Anlagen und Prozesse, um die Energiewende umzusetzen. Dies gilt insbesondere für die in Deutschland stark vertretene Industrie. Wenn allerdings in Krisenzeiten die Produktionen runtergefahren werden müssen, kann auch kein Geld erwirtschaftet werden, um dieses wiederum in klimafreundliche Prozesse zu investieren.

In den vergangenen drei Jahren lag der jährliche krisenbedingte Wertschöpfungsverlust in Deutschland laut Berechnungen des IW zwischen 120 und 175 Milliarden Euro. Infolgedessen fehlen oftmals die finanziellen Mittel, um konsequent in die ökologische Transformation zu investieren. Dies trifft im besonderen Maße kleinere und mittlere Unternehmen, die harte Einschnitte weniger verkraften können.

Hier zeigt eine Umfrage des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) im industriellen Mittelstand, dass im Februar 2022 34 Prozent der Unternehmen aufgrund aktueller Preisentwicklungen planten, Investitionen in die ökologische Transformation zurückzustellen. Zum Zeitpunkt der bisher höchsten Gas- und Strompreise im August vergangenen Jahres stieg die Zahl auf 42 Prozent. Auch beispielsweise Stadtwerke und der öffentliche Nahverkehr sind von den hohen Energiekosten stark betroffen. Dadurch fehlen perspektivisch finanzielle Spielräume für neue Investitionen in klimafreundliche Technologien oder die Angebotsausweitung des öffentlichen Nahverkehrs.

Zusätzlicher Transformationsdruck

Sind die Krisen also gut für das Klima? Vielfach ist das nicht der Fall, im Gegenteil: Lieferengpässe verlangsamen den Ausbau erneuerbarer Energien, Wertschöpfungsverluste zehren an den Investitionsmitteln der Unternehmen und kontraproduktive Anreize, wie im Fall der Strompreise, bremsen die notwendige Energiewende in Deutschland aus.

Kurzfristig mag es in einigen Fällen Einsparungen geben, doch für nachhaltige Erfolge im Klimaschutz brauch es deutlich mehr. Allerdings sollte die Entwicklung der vergangenen Monate als Ansporn dienen: Die Krisen haben uns die Folgen einer starken Abhängigkeit vor Augen geführt und so die Aufmerksamkeit für die nötige Energiewende, sei es auf Seiten der Bürger, Politiker oder Unternehmen, erhöht. Die Transformation muss jetzt umso konsequenter vorangetrieben werden, denn Klimaschutz ist kein Selbstläufer.

Zum Gastbeitrag auf focus.de

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