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Andreas Fischer auf Focus Online Gastbeitrag 22. Juni 2022

Habeck macht Tempo, doch Länder blockieren trickreich die Windpläne der Ampel

Der Ausbau der Erneuerbaren ist in den vergangenen Jahren nur schleppend vorangekommen, gerade bei der Windkraft. Die Länder weisen zu wenig Flächen aus. Die Ampel bläst nun zum Angriff.

Das sogenannte „Wind-an-Land“ Gesetz soll nun für ein Wiederaufleben des zuletzt mehr als schwächelnden Windausbaus sorgen. Mit einem Blick auf die vergangenen Jahre scheint dies auch bitter nötig. Zwar schaffte es die Windkraft 2019 zum ersten Mal vor die Braunkohle auf Platz eins der deutschen Stromerzeugung, allerdings liegen die bisherigen Hochzeiten des Windausbaus schon einige Jahre zurück.

Ein Blick auf aktuellere Ausbauzahlen zeigt deutlichen Handlungsbedarf, wenn man die selbstgesteckten Klimaziele auch nur ansatzweise erreichen möchte.

Flaute beim Windenergie-Ausbau – Habeck und Ampel wollen mehr Landesflächen

Die bisherigen Höchstwerte des Zubaus lagen zwischen 2014 und 2017 mit knapp 1640 neuen Anlagen. Bezogen auf die Erzeugungskapazität waren dies im Schnitt 4,6 Gigawatt pro Jahr. Nach 2017 zeichnete sich ein deutlich schwärzeres Bild ab: 2018 halbierte sich der Zubau bereits und in den drei Folgejahren wurden nicht einmal zwei Gigawatt erreicht.

Im Vergleich dazu plant die Ampel ab 2025 jährlich 10 Gigawatt Windenergie an Land zuzubauen. Das gesunkene Interesse der Investoren in deutsche Windparks wurde auch bereits in den Ausschreibungen sichtbar. Gerade 2019 sank die Zuschlagsquote deutlich und zeitweise fanden sich für etwa zwei Drittel der ausgeschriebenen Mengen keine Interessenten.

Für ein Wiederaufleben des Windausbaus braucht es vor allem die Ausweisung ausreichender Flächen und schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Nachdem die Ampel im Osterpaket bereits den Vorrang der Windkraft aus rechtlicher Sicht unterstrichen hat und auch Genehmigungen vereinfacht werden sollen, geht es darum, die nötigen Flächen für den Ausbau zu reservieren. Dabei soll auch der Zubau in Landschaftsschutzgebieten kein Tabu mehr sein. Zudem soll nun die zentrale Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden, um dem Windausbau wortwörtlich den nötigen Raum zur Entfaltung zu garantieren: Zwei Prozent der Landfläche sollen für den Bau von Windparks bereitstehen.

Nicht nur Söders Bayern: Mindestabstände der Länder blockieren den Ausbau

In vielen Bundesländern sind seit Jahren pauschale Abstände von Windrädern zur Wohnbebauung vorgeschrieben. Ein Mindestabstand von 1000 Metern war auch Teil des Aktionsplan Wind, den die große Koalition 2019 als Reaktion auf die Misere beim Windausbau vorgestellt hatte. Zwar sollte hiermit die Akzeptanz für den Ausbau erhöht werden, in der Realität bremst dies den Ausbau der regenerativen Energieerzeugung in einem so dicht besiedelten Land aber schlicht aus.

Beispielsweise in NRW, Hessen und Sachsen-Anhalt werden derartige pauschale Abstände eingehalten. In Sachsen wurden sie vor kurzem auch verabschiedet und in Thüringen sind sie zumindest noch nicht vom Tisch. Besonders sticht hier die sogenannte 10H-Regel in Bayern hervor. Dort müssen Windräder mindestens um das Zehnfache ihrer Höhe von den nächsten Wohngebäuden entfernt sein. Da scheint es nicht verwunderlich, dass im Freistaat über die vergangenen Jahre nur ein Ausbau in homöopathischen Dosen zu beobachten war. Damit steht Bayern allerdings bei Weitem nicht alleine da. In vielen Bundesländern besteht beim Windausbau ein deutlicher Aufholbedarf.

Zwar ist es sinnvoll, gerade dort einzelne Erzeugungsarten zu fördern, wo sie die besten Potenziale vorfinden. Aber für eine regenerative Energieversorgung brauch es eine Kombination vieler Lösungen. Gerade Solar- und Windenergie sind keine Substitute, sondern Komplementäre, und ergänzen sich im Rahmen einer nachhaltigen Energieversorgung.

Repowering: Größere Windkraftanlagen müssen kleinere ersetzen

Laut einer Studie des Umweltbundesamtes im Jahr 2019 führt eine pauschale Abstandsregelung von 1000 Metern deutschlandweit zu einer Verkleinerung der Neubaupotenziale um nahezu die Hälfte. Wenn man nun annimmt, dass die dadurch verhinderten Windräder durch den Weiterbetrieb konventioneller Kraftwerke ersetzt werden müssten, ergäben sich grob jährlich zusätzliche Emissionen von über 70 Millionen Tonnen CO.

Das ist deutlich mehr als in der kompletten deutschen Landwirtschaft pro Jahr ausgestoßen wird. Dazu kommen noch die Erneuerungen alter Anlagen, das sogenannte Repowering, die durch pauschale Abstände ebenso behindert werden können. Dabei ist auch dies ein wichtiger Teil des Ausbaus, da neue Anlagen deutlich ergiebiger Strom erzeugen. Allein zwischen 2015 und 2021 nahm die Generatorleistung neuer Windanlagen im Schnitt um 46 Prozent zu.

Je nach Land unterschiedliche Windenergie-Potenziale

Um die angepeilten zwei Prozent zu erreichen, sollen den einzelnen Ländern nun spezifische Vorgaben gemacht werden, wieviel Prozent ihrer jeweiligen Landesfläche für den Ausbau zur Verfügung gestellt werden muss. Dabei gilt es, das erste Zwischenziel bis 2026 zu erreichen und ab 2032 dann die finale Zielvorgabe einzuhalten. Im Falle, dass diese Ziele unterschritten werden, soll die Vorgabe auf Bundeseben die länderspezifischen Abstandsregeln ausstechen, so dass diese den Ausbau nicht entscheidend behindern können.

Bei den einzelnen Zielmarken gibt es dabei Unterschiede, gerade aufgrund der unterschiedlichen Potenziale in Form des Windaufkommens vor Ort, die sogenannte Windhöffigkeit. Daher wird bei der Aufteilung sehr wohl auch der unterschiedlichen Potenziale Rechnung getragen.

Stadtstaaten wie Hamburg und Bremen müssen nur einen vorgeschriebenen Wert von 0,5 Prozent einhalten und für Flächenländer mit hohen Potenzialen wie Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg liegen die Vorgaben langfristig bei 2,2 Prozent. So können im bundesweiten Durchschnitt die 2 Prozent erreicht werden, sinnvollerweise werden aber unterschiedliche Potenziale entsprechend eingepreist.

Die Richtung stimmt: Windenergie senkt Rohstoff-Importe

Nach den ersten Schritten im Osterpaket geht die Bundesregierung mit den neuen Plänen zum Windausbau weiter in die richtige Richtung, um eine erfolgreiche Energiewende überhaupt zu ermöglichen. Wie weit die angepeilten Ausbauziele damit erreicht werden können, bleibt natürlich noch abzusehen. Bei den ambitionierten Zielen der Bundesregierung ist es aber richtig und wichtig, jetzt ein deutliches Signal in der Weichenstellung zu setzen und die Energiewende nicht durch die Abstandsregeln der Länder zu gefährden. Daher ist es vollkommen richtig, den Flächenbedarf klar zu beziffern und einzufordern.

Ein konsequenter Ausbau der Erneuerbaren hilft dabei nicht nur die eigenen Sektor- und Klimaziele zu erreichen. Auch wenn wir zukünftig weiterhin auf Importe angewiesen sein werden, hilft dies die Importquote der Energieträger deutlich zu senken. Zurzeit werden in Deutschland etwa 70 Prozent des Primärenergiebedarfs durch Importe gedeckt. Ebenso stärkt dies den Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland durch die Verfügbarkeit grüner Energie.
Diese braucht es zukünftig auch zu wettbewerbsfähigen Preisen. Aber die entsprechende Preisgestaltung inklusive passender Anreize für einen flexibleren Verbrauch in Zeiten schwankender Einspeisung von Sonne und Wind muss zukünftig noch angegangen werden. Auch hier ist mit der Abschaffung der EEG-Umlage der erste richtige Schritt eines langen Weges getan.

Zum Gastbeitrag auf focus.de

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