Ist LNG die Lösung für Deutschlands Energie-Probleme? Ja. Wie der stärkere Import von Flüssiggas mittelfristig russische Gaslieferungen ersetzen kann und welche Hürden auf dem Weg dorthin liegen erklärt IW-Ökonom Andreas Fischer in einem Gastbeitrag in Focus Online.
Flüssiggas ist nur der erste Schritt, um der Abhängigkeit von Putins Pipelines zu entkommen
Deutschland importierte in den vergangenen Jahren über die Hälfte des Erdgases aus Russland, seit letztem Herbst sind es noch etwa 40 Prozent. Im Gegensatz zu Steinkohle und Erdöl ist bei Erdgas der Anbieterwechsel deutlich schwieriger. Die Pipelines sind gebaut, über sie bezieht Deutschland Gas bisher aus Russland, Norwegen und den Niederlanden. Es gibt kaum noch Möglichkeiten, um hier mehr zu fördern oder liefern zu lassen. Europa importiert zwar ebenfalls Erdgas über Pipelines aus Nordafrika, die Möglichkeit weiterer Importe aus Algerien etwa ist zumindest in naher Zukunft aber begrenzt. Und weitere Pipelineimporte aus Aserbaidschan können aufgrund der geringen Transportkapazitäten vernachlässigt werden.
Es bleibt also nur die Alternative Flüssiggas. Doch das ist leichter gesagt als getan. Schiffsladungen mit LNG (liquified natural gas) können russische Pipelines nicht so einfach ersetzen. Es ist bisher unklar, wieviel LNG zur Verfügung steht und wie es in Europa verteilt werden kann.
Katar und USA statt Putins Pipelines: Gibt es genug Flüssiggas?
Bisher hatten LNG-Lieferungen einen Anteil von rund 20 Prozent an der europäischen Gasversorgung. Allerdings zeigt der Trend bereits in die richtige Richtung: Denn die auf den Weltmärkten gehandelte Menge LNG hat sich zwischen 2015 und 2020 fast verdoppelt. Hinzu kommt die Frage, ob auf dem Weltmarkt verfügbare Mengen auch bei uns in Europa ankommen.
Langfristverträge mit LNG-Anbietern und Transportschiffen spielen eine wichtige Rolle – das schränkt kurzfristige Lieferungen ein. Der Handel mit LNG zeichnet sich im Unterschied zu Pipelinelieferungen außerdem durch einen höheren Wettbewerb aus. Gerade mit den Märkten in Asien müssen wir um vorhandene Mengen konkurrieren. Ohnehin hat LNG in der Regel ein höheres Preisniveau: Lieferungen nach Japan und Korea lagen in den letzten zehn Jahren etwa 30 Prozent über den deutschen Importpreisen für Erdgas.
Dennoch sind positive Signale aus zwei der wichtigsten Förderländer erkennbar: Während Wirtschaftsminister Habeck sich für Lieferverträge in Katar einsetzt, sagten die USA Europa bereits für dieses Jahr größere Mengen Flüssiggas zu, in den kommenden Jahren wollen sie sogar ein Drittel der russischen Gaslieferungen ersetzen.
Problem Spanien: Wie kommt das Flüssiggas beim Verbraucher an?
Damit das Flüssiggas in Deutschland ankommt, braucht es Terminal-Kapazitäten. Hier wird LNG aus dem flüssigen wieder in den gasförmigen Zustand umgewandelt und kann in die Versorgungsnetze eingespeist werden. Zwar besitzt die EU bereits umfangreiche Terminalkapazitäten, diese sind allerdings im Westen konzentriert. Da die Kapazitäten in den letzten beiden Jahren nicht einmal zur Hälfte ausgelastet waren, könnte so grundsätzlich ein Großteil der russischen Gaslieferungen ersetzt werden. Der Knackpunkt liegt aber in der Weiterleitung des importierten Flüssiggases.
Das beste Beispiel dafür ist Spanien: Das Land verfügt über 40 Prozent der europäischen LNG-Terminalkapazitäten. Allerdings fehlen Pipelines, um dieses Gas in andere europäische Länder weiterzuleiten. Theoretisch könnten allein in Spanien nicht ausgelastete Terminals rund ein Drittel der russischen Gasimporte ersetzen – allerdings gibt es gerade einmal zwei Pipelines, die insgesamt nur etwa ein Sechstel dieser Menge aus Spanien nach Frankreich weiterleiten können. Pläne zum Ausbau der Verbindungsleitungen stockten bisher.
Ohnehin ist Spanien ein wichtiger Umschlagplatz für die zukünftige Gasversorgung in Europa: Hier gibt es nicht nur die größten Terminalkapazitäten, an die iberische Halbinsel sind auch Pipelines für Gaslieferungen aus Algerien angeschlossen. Dieses Nadelöhr in der europäischen Gasversorgung gilt es zukünftig zu beseitigen.
Flaschenhals droht: Deutschland braucht eigene Terminals
Im Vergleich zu Spanien verfügt Deutschland über deutlich weniger Möglichkeiten den Gasimport auf andere Anbieter auszuweiten. Im Falle eines Lieferstopps sind wir allerdings in einer besseren Position als einige Nachbarn im Osten und Süden Europas. Dort besteht teilweise eine noch höhere Abhängigkeit von russischen Lieferungen und kaum kurzfristige Ausweichmöglichkeiten – auch weil die nötigen Terminals, Leitungen und Speicher bisher fehlen. So haben beispielsweise die baltischen Länder oder Bulgarien deutlich höhere Anteile an russischen Gasimporten, während Italien für die Stromerzeugung stärker auf Erdgas angewiesen ist als Deutschland.
Aufgrund der Lage und guten Anbindung wäre für Deutschland ein Bezug von LNG auch ohne eigene Terminals über Belgien und die Niederlande grundsätzlich möglich. Gleichzeitig würde die Nachfrage der Nachbarländer steigen, sodass hier neue Flaschenhälse in der Gasversorgung entstehen. Daher ist die Errichtung eigener Terminals ein richtiger und notwendiger Schritt. Einerseits zur eigenen Gasversorgung, andererseits spielt Deutschland mit seiner zentralen Lage auch für die Versorgung der Nachbarländer eine wichtige Rolle.
Turbo zünden: Langfristige Unabhängigkeit von Russland durch Energiewende
Auch mittelfristig brauchen wir Erdgas. LNG bietet dabei eine Alternative zu russischen Importen. Deshalb lohnt sich die Investitionen in LNG-Importe und Infrastrukturen. Gleichzeitig reduziert sich so die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern. Im Gegensatz zum Transport durch Pipelines ist es egal, welche Tanker am Terminal anlegen.
Langfristig braucht es eine Abkehr vom Erdgas: Eine starke Elektrifizierung bringt die Energiewende vorwärts. Dafür muss beim Ausbau der Erneuerbaren der Turbo gezündet und eine ganze Reihe an Bremsklötzen entfernt werden. Aber machen wir uns nichts vor: Auch zukünftig werden wir Energie importieren müssen. Daher ist es sinnvoll, neben LNG bereits jetzt Importbeziehungen für klimafreundlichen Wasserstoff aufzubauen und frühzeitig eine Vielzahl an Partnern ins Boot zu holen, um bisherige Fehler zu vermeiden und nicht erneut in eine derart große Abhängigkeit zu geraten.
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