Vor dem Hintergrund des Ausscheidens der geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt wird Deutschland in den nächsten Jahren in zunehmendem Maße auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen sein, um Wachstum und Wohlstand zu sichern.
Zuwanderung aus Lateinamerika: Erfolge und Potenziale für die Fachkräftesicherung
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Vor dem Hintergrund des Ausscheidens der geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt wird Deutschland in den nächsten Jahren in zunehmendem Maße auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen sein, um Wachstum und Wohlstand zu sichern.
Gleichzeitig schreitet der demografische Wandel auch in den anderen EU-Ländern voran, sodass von hier zumindest per Saldo keine starke Zuwanderung mehr zu erwarten ist und die deutsche Migrationspolitik ihren Fokus auf den außereuropäischen Bereich richten muss. Hier sollten möglichst unterschiedliche Regionen adressiert werden, um zu vermeiden, dass politische oder wirtschaftliche Verschiebungen in einzelnen Ländern zu starken Einbrüchen bei der erwerbsbezogenen Zuwanderung nach Deutschland führen können. Ein Schwerpunkt sollte dabei auf den amerikanischen Ländern südlich der Vereinigten Staaten liegen, die im Folgenden als Lateinamerika bezeichnet werden.
Auch wenn diese Region mit einer Gesamtfläche von 20,1 Millionen Quadratkilometer sehr groß ist, leben in ihr mit 654,1 Millionen weniger als halb so viele Menschen wie in Indien mit 1,40 Milliarden. Das mit Abstand größte und bevölkerungsstärkste Land in der Region ist Brasilien mit 213,8 Millionen Einwohnern. An zweiter Stelle folgt Mexiko mit 126,4 Millionen Einwohnern. Zusammen kommen diese beiden Länder bereits auf einen Anteil von 52,0 Prozent der Bevölkerung Lateinamerikas. Nimmt man noch die drei nächstfolgenden Länder Kolumbien, Argentinien und Peru hinzu, kommt man auf 71,9 Prozent. Dabei umfasst die Region insgesamt 33 unabhängige Staaten. Auch wenn die kleineren Länder vor dem Hintergrund ihrer Bevölkerungsgröße allein nur sehr beschränkte Potenziale für die Fachkräftesicherung in Deutschland haben, sollten sie bei der Entwicklung einer entsprechenden Strategie nicht vollständig außer Acht gelassen werden. Dabei wird glücklicherweise in den meisten von ihnen, wie in den großen Ländern außer Brasilien, Spanisch gesprochen, sodass gegebenenfalls dieselben Werbekampagnen und Informationsmaterialien zum Einsatz kommen können. Die Ausgangslage für eine verstärkte Fachkräftezuwanderung nach Deutschland ist in den lateinamerikanischen Ländern grundsätzlich günstig. Allerdings muss sich das Land hier in der Konkurrenz um die wanderungsbereiten Personen insbesondere gegen die Vereinigten Staaten durchsetzen, wo bereits sehr starke ethnische Communities bestehen. Daher dürfte auch eine ausgefeilte Anwerbestrategie notwendig sein, um größere Zuzugszahlen zu erzielen.
In den letzten Jahren war Deutschland an dieser Stelle bereits sehr erfolgreich. So ist die Zahl der Lateinamerikaner im Land zwischen dem 31.12.2011 und 31.12.2021 von 108.100 auf 168.300 gestiegen und gleichzeitig hat der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten an den 15- bis 64-Jährigen unter ihnen von 28,3 Prozent auf 51,5 Prozent zugenommen. Diese waren mit einem Anteil von 38,9 Prozent im Juni 2022 überdies sehr viel häufiger in Experten- und Spezialistenberufen tätig, für die in der Regel eine hochschulische Ausbildung oder ein Fortbildungsabschluss zum Meister, Techniker oder Fachwirt notwendig ist, als die inländischen Beschäftigten mit nur 29,7 Prozent. Auch vor dem Hintergrund einer verstärkten Branchenzugehörigkeit im IKT-Bereich und Gesundheits- und Sozialwesen leisten die Lateinamerikaner in Deutschland bereits heute einen besonders großen Beitrag zur Fachkräftesicherung. Damit bestehen aktuell auch kaum Handlungsbedarfe bei ihrer Integration und die große Herausforderung liegt letztlich nur darin, noch mehr Personen für einen Zuzug nach Deutschland zu gewinnen. Dafür ist neben einer Erleichterung der Einreise auch eine gezielte, werbende Ansprache der für die Fachkräftezuwanderung in Frage kommenden Personen notwendig, wie sie durch das Online-Portal „Make it in Germany“ insbesondere in Brasilien, Mexiko, Kolumbien und Argentinien auch bereits in den letzten Jahren erfolgt ist.
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