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Wido Geis / Anja Katrin Orth IW-Kurzbericht Nr. 42 9. Juli 2018 Migration: Süddeutschland profitiert am meisten von erwerbsorientierter Zuwanderung

Rund die Hälfte der Zuwanderer aus den anderen EU-Ländern und der Erwerbsmigration aus Drittstaaten entfällt derzeit auf die besonders von Fachkräfteengpässen betroffenen Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Hingegen besteht bei den anerkannten Flüchtlingen kein derartiger räumlicher Fokus. Zudem zeigt sich, dass Berlin für alle Zuwanderergruppen sehr attraktiv ist.

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Süddeutschland profitiert am meisten von erwerbsorientierter Zuwanderung
Wido Geis / Anja Katrin Orth IW-Kurzbericht Nr. 42 9. Juli 2018

Migration: Süddeutschland profitiert am meisten von erwerbsorientierter Zuwanderung

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Rund die Hälfte der Zuwanderer aus den anderen EU-Ländern und der Erwerbsmigration aus Drittstaaten entfällt derzeit auf die besonders von Fachkräfteengpässen betroffenen Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Hingegen besteht bei den anerkannten Flüchtlingen kein derartiger räumlicher Fokus. Zudem zeigt sich, dass Berlin für alle Zuwanderergruppen sehr attraktiv ist.

Um vor dem Hintergrund des demografischen Wandels die Wirtschaftskraft zu erhalten, den Wohlstand der Bevölkerung zu sichern und die öffentlichen Haushalte zu stabilisieren, ist Deutschland zunehmend auf Zuwanderung angewiesen. Denn auch wenn die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge 1955 bis 1969 zurzeit noch am Arbeitsmarkt aktiv sind und die Erwerbsbeteiligung der inländischen Bevölkerung entsprechend hoch ist, bestehen bereits heute schon in einer ganzen Reihe von Berufen substanzielle Fachkräfteengpässe (Burstedde/Risius, 2017).

Regional stellt sich allerdings sowohl die aktuelle Lage am Arbeitsmarkt als auch die absehbare zukünftige Entwicklung unterschiedlich dar. Die bestehenden Fachkräfteengpässe sind im Süden am größten, wohingegen in den neuen Ländern besonders viele Ältere beschäftigt sind, die in absehbarer Zeit in den Ruhestand wechseln werden (Burstedde/Risius, 2017). In beiden Bereichen ist es für die Unternehmen zudem besonders schwierig, ihre Ausbildungsstellen zu besetzen und Nachwuchsfachkräfte auszubilden.

Die Zuwanderung hat bereits in den letzten Jahren einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung geleistet. So ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer zwischen 2012 und 2017 von 2,2 Millionen auf 3,5 Millionen gestiegen (Statistisches Bundesamt, 2018a). Ausschlaggebend hierfür war vor allem eine sehr große Zahl an Zuwanderern aus den anderen EU-Ländern, denen es sehr gut gelungen ist, am deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen (Geis, 2017). Hingegen stellt die Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt das Land weiterhin vor große Herausforderungen. So liegt der Beschäftigtenanteil bei ihnen noch immer auf sehr niedrigem Niveau, obwohl er in den letzten Monaten bereits deutlich gestiegen ist (Geis, 2018).

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Vor diesem Hintergrund ist für den Effekt der Zuwanderung auf die Fachkräftesicherung in den einzelnen Regionen Deutschlands nicht nur die Gesamtzahl der ins Land gekommenen Personen, sondern auch ihre Aufteilung auf die verschiedenen Zuwanderergruppen von Bedeutung. Betrachtet man die Verteilung der im Jahr 2017 zugewanderten Ausländer, die sich am 31.12.2017 noch im Land aufgehalten haben, liegen die entsprechenden Anteile in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen und Hessen höher als die Anteile der Länder an der Gesamtbevölkerung, wobei auf die drei Länder im Süden zusammen 43,4 Prozent entfallen, im Vergleich zu 36,5 Prozent der Bevölkerung. Werden nur Zuwanderer aus den anderen EU-Ländern in den Blick genommen, zeigt sich ein ähnliches Bild, allerdings ist der Anteil der wirtschaftsstarken südlichen Bundesländer hier mit 47,2 Prozent sogar noch höher (Statistisches Bundesamt, 2018b; eigene Berechnungen).

Werden anstatt der im Jahr 2017 Zugewanderten alle seit 2014 Zugewanderten, die am 31.12.2017 noch im Land lebten betrachtet, ergibt sich für den Anteil der Länder im Süden an der EU-Zuwanderung mit 47,5 Prozent ein sehr ähnlicher Wert. Hingegen ist ihr Anteil an allen Zugewanderten bei dieser Abgrenzung mit 40,6 Prozent etwas niedriger und Nordrhein-Westfalen sowie Hamburg weisen hier zusätzlich einen überproportionalen Wert auf (Statistisches Bundesamt, 2018b; eigene Berechnungen).

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Während der besonders stark von Fachkräfteengpässen betroffene Süden derzeit also sehr viele EU-Zuwanderer anzieht, gilt das nicht für den vom demografischen Wandel besonders bedrohten Osten. So entfallen auf die ostdeutschen Länder ohne Berlin nur 6,9 Prozent der seit 2014 zugewanderten EU-Bürger und 9,4 Prozent aller in diesem Zeitraum ins Land gekommenen Ausländer im Vergleich zu 15,2 Prozent der Bevölkerung. Berlin, auf das allein 7,4 Prozent der zugewanderten EU-Bürger und 6,8 Prozent aller zugewanderten Ausländer entfallen, hat hier regional aufgrund seiner Geschichte und seines Status als Bundeshauptstadt eine starke Sonderstellung (Statistisches Bundesamt, 2018b; eigene Berechnungen).

Anders als bei den EU-Zuwanderern, die im Kontext der Freizügigkeit keine Angabe zu den Motiven für ihre Zuwanderung machen müssen, lassen sich diese bei Drittstaatenangehörigen bis zu einem gewissen Grad aus der Art der vergebenen Aufenthaltstitel ableiten. Damit lässt sich zwischen den vier Kategorien Erwerbszuwanderung, Zuwanderung aus politischen oder humanitären Gründen, Bildungszuwanderung und Familiennachzug unterscheiden. Dabei sind die letzten beiden Formen mit Blick auf die Beschäftigungslage in den einzelnen Ländern weniger relevant. Bei den Bildungsmigranten, bei denen es sich zu wesentlichen Teilen um ausländische Studierende handelt, kann nach dem Studienabschluss unter Umständen noch ein Umzug in ein anderes Bundesland erfolgen, wenn sie in Deutschland bleiben. Beim Familiennachzug handelt es sich zu großen Teilen um Kinder und nicht erwerbstätige Ehepartner.

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Flüchtlinge ließen sich selten in Bayern nieder

Zuwanderung in den Jahren von 2014 bis 2017 je 10.000 Einwohner

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Wird die Entwicklung der Zahl der Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit betrachtet, so ist diese zwischen dem 31.12.2013 und dem 31.12.2017 insgesamt um 77.000 auf nunmehr 181.000 gestiegen. Dabei entfällt mit 54,5 Prozent über die Hälfte des Anstiegs auf die drei südlichen Länder, 22,5 Prozent allein auf Bayern. Bemerkenswert ist auch der Wert für Berlin, der mit 15,6 Prozent fast viermal so hoch wie der Bevölkerungsanteil ist. Hingegen ist der Anteil der ostdeutschen Länder an der Zunahme der Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit mit 4,8 Prozent sehr gering. Dasselbe gilt auch für Nordrhein-Westfalen mit 13,0 Prozent, bei einem Anteil an der deutschen Bevölkerung von 21,7 Prozent (Statistisches Bundesamt, 2018b; eigene Berechnungen). Bei der Erwerbsmigration zeigt sich also ein ähnliches Bild wie bei der EU-Zuwanderung.

Völlig anders stellt sich die Lage hingegen bei den Aufenthaltstiteln aus politischen oder humanitären Gründen dar, die vorwiegend an anerkannte Flüchtlinge vergeben werden und bei denen seit Sommer 2016 zunächst eine Wohnsitzauflage bestehen kann. Ihre Gesamtzahl ist zwischen dem 31.12.2013 und dem 31.12.2017 insgesamt um 719.000 auf nunmehr 923.000 gestiegen. Hier entfallen nur 29,1 Prozent auf die südlichen Länder und damit deutlich weniger als ihr Bevölkerungsanteil. Hingegen weisen Nordrhein-Westfalen mit 24,4 Prozent und Niedersachsen mit 11,3 Prozent Werte über ihrem Bevölkerungsanteil auf (Statistisches Bundesamt, 2018b; eigene Berechnungen). Auch der Anteil der ostdeutschen Länder ist mit 12,4 Prozent deutlich höher als bei den anderen Zuwanderergruppen. Anders als die EU-Zuwanderer und Erwerbsmigranten leben die anerkannten Flüchtlinge also nicht besonders häufig in den Regionen, die starke Fachkräfteengpässe aufweisen und entsprechend auch besonders gute Erwerbsperspektiven bieten.

Hier sollte die Politik gezielt Anreize setzen, dass Flüchtlinge verstärkt auch in Regionen ziehen, die ihnen aktuell besonders gute Arbeitsmarktperspektiven bieten. Hingegen sollte bei den stärker erwerbsorientierten Formen der Zuwanderung darauf hingewirkt werden, dass auch die besonders vom demografischen Wandel betroffenen Regionen profitieren.

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Süddeutschland profitiert am meisten von erwerbsorientierter Zuwanderung
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Wido Geis / Anja Katrin Orth: Der Süden profitiert am meisten von erwerbsorientierter Zuwanderung

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Zuwanderung nach Bundesland, Herkunft und Aufenthaltstitel

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