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Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 40 26. Juni 2018 Länderfinanzausgleich: Die Schere geht nicht auseinander

Das Volumen des Länderfinanzausgleichs wächst von einem Rekordwert zum nächsten. Allerdings liegt das nicht an zunehmenden Finanzkraftunterschieden zwischen den Bundesländern, sondern an den insgesamt stark gestiegenen Steuereinnahmen und an der geringeren Finanzkraft einiger großer Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

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Die Schere geht nicht auseinander
Tobias Hentze IW-Kurzbericht Nr. 40 26. Juni 2018

Länderfinanzausgleich: Die Schere geht nicht auseinander

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Das Volumen des Länderfinanzausgleichs wächst von einem Rekordwert zum nächsten. Allerdings liegt das nicht an zunehmenden Finanzkraftunterschieden zwischen den Bundesländern, sondern an den insgesamt stark gestiegenen Steuereinnahmen und an der geringeren Finanzkraft einiger großer Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

Der Länderfinanzausgleich als wichtigstes Instrument zum Ausgleich der finanziellen Unterschiede zwischen den Bundesländern hat im Jahr 2017 einen Rekordwert erreicht. Mit 11,2 Milliarden Euro wurden 600 Millionen Euro mehr zwischen den Bundesländern umverteilt als im Jahr zuvor (BMF, 2018). Gleichzeitig hat der Bund im Rahmen der Bundesergänzungsweisungen (BEZ) seine Unterstützung im Vergleich zu 2016 nochmals um 240 Millionen Euro auf 4,5 Milliarden Euro aufgestockt.

Damit setzt sich ein mehrjähriger Trend fort. Im Jahr 2012 betrug das Volumen des horizontalen Länderfinanz­ausgleichs, also der Ausgleichszahlungen unter den Ländern, lediglich 7,9 Milliarden Euro. Von 2012 bis 2017 ist der Wert damit um 42 Prozent gewachsen. Die BEZ stiegen im gleichen Zeitraum sogar um 55 Prozent, im Jahr 2012 beliefen sie sich noch auf 2,9 Milliarden Euro.

Diese Entwicklung legt die Vermutung nahe, dass die Finanzkraftunterschiede, also die Unterschiede bei den Steuereinnahmen je Einwohner, zwischen den Bundesländern in den vergangenen Jahren zugenommen haben. Dabei gilt es jedoch zwei Punkte zu bedenken:

  • Ein Grund für den stetigen Anstieg der Ausgleichszahlungen sind die steigenden Steuereinnahmen, so dass das ermittelte Volumen wächst. Die originären Steuereinnahmen der Länder sind von 2012 bis 2017 um 35 Prozent gestiegen. Steuereinnahmen und Finanzausgleichsvolumen sind nominale Werte, das heißt die Inflation erklärt einen Teil des Anstiegs.
  • Eine weitere Erklärung für das steigende Volumen ist, dass mit Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen einige große Bundesländer relativ betrachtet in den vergangenen Jahren an Finanzkraft verloren haben. Wenn zum Beispiel Nordrhein-Westfalens Finanzkraft um 1 Prozent sinkt und Thüringens Finanzkraft um 1 Prozent steigt, führt dies zu einem höheren Ausgleichsvolumen, ohne dass sich die Finanzkraftunterschiede in der Summe verändert hätten. Zudem sorgt die gewachsene Finanzkraft der Geberländer Bayern, Hamburg und Hessen für ein höheres Ausgleichsvolumen. Denn Verbesserungen bei Geberländern erhöhen die Unterschiede in der Finanzkraft weiter, während Verbesserungen bei Nehmerländern die Unterschiede reduzieren.
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Insgesamt wich die Finanzkraft der Bundesländer vom Durchschnitt im Jahr 2012 genauso stark ab wie 2017. Im Schnitt betrug die Differenz nach der primären Steuerverteilung und vor dem Länderfinanzausgleich in den vergangenen Jahren gut ein Viertel. Am größten war das Delta 2017 in Hamburg (+54 Prozent) und Thüringen (-45 Prozent) („Finanzkraft 2017 vor LFA“ in der Abbildung). Das gestiegene Volumen des Länderfinanzausgleichs lässt sich folglich mit höheren Steuereinnahmen und Veränderungen in der Finanzkraft einiger großer Bundesländer erklären, nicht aber mit gewachsenen Finanzkraftunterschieden. Im Zeitverlauf zeigen sich mit Blick auf einzelne Bundesländer erhebliche Unterschiede. Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen und das Saarland wiesen im Jahr 2017 eine geringere originäre Finanzkraft auf als 2012, alle anderen Länder eine höhere. Die größten Verbesserungen bei den Steuereinnahmen pro Kopf entfallen relativ betrachtet auf Sachsen und Hessen, am stärksten verschlechtert haben sich Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg („Veränderung ggü. 2012 vor LFA“ in der Abbildung). Das Ausgleichssystem zwischen den Bundesländern erfolgt in vier Stufen. Ausgangspunkt ist die primäre Steuerverteilung, das heißt die Aufteilung der Steuereinnahmen auf Bund, Länder und Gemeinden. Die Umsatzsteuer wird dabei ausgeklammert, da sie erst im zweiten Schritt an die Länder verteilt wird. Ein Teil des Umsatzsteueraufkommens wird dabei im Rahmen des Vorwegausgleichs genutzt, um finanzschwächere Länder zu unterstützen. Im dritten Schritt, dem Länderfinanzausgleich im engeren Sinne, kommt es zu Zahlungen von finanzstarken zu finanzschwachen Bundesländern. Im vierten Schritt zahlt der Bund BEZ an die Bundesländer, deren Finanzkraft noch unterhalb des Durchschnitts liegt (Hentze, 2017).

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Im Ergebnis zählten sowohl 2017 als auch 2012 Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen im horizontalen Länderfinanzausgleich zu den Geberländern. Unter Berücksichtigung des Umsatzsteuervorwegausgleichs zählte 2017 zusätzlich Nordrhein-Westfalen zu den Geberländern, Rheinland-Pfalz dagegen – anders als noch 2012 – nicht mehr. Auf Seiten der Nehmerländer erreichen die ostdeutschen Bundesländer die geringste Finanzkraft. Immerhin stellt sich eine leichte Steigerung gegenüber 2012 dar.

Nach Abrechnung des Länderfinanzausgleichs einschließlich Umsatzsteuervorwegausgleich und BEZ verändert sich das Bild nachhaltig. Die Stadtstaaten haben pro Kopf mit Abstand am meisten Steuern zur Verfügung. Dies liegt insbesondere an der höheren Gewichtung ihrer Einwohnerzahl. Die ostdeutschen Bundesländer erreichen nun immerhin mindestens 95 Prozent des Durchschnitts („Finanzkraft 2017 nach LFA“ in der Abbildung). Diese spürbare Angleichung liegt an den relativ hohen Abschöpfungs- und Auffüllungsquoten in der Augleichsarithmetik. Diese sorgt sogar dafür, dass sich eine Veränderung der originären Finanzkraft kaum in nennenswerten Veränderungen der Finanzkraft nach Durchführung des Länderfinanzausgleichs niederschlägt. Während das Delta zwischen 2012 und 2017 bezogen auf die originäre Finanzkraft nach der primären Steuerverteilung bei immerhin sieben Bundesländern 5 Prozentpunkte oder mehr beträgt, belaufen sich die Veränderungen nach dem Länderfinanzausgleich auf maximal gut 1 Prozentpunkt („Veränderung ggü. 2012 nach LFA“ in der Abbildung).

Damit zeigen sich zwei zentrale Charakteristika des Länderfinanzausgleichs: Zum einen führt die komplizierte Verrechnungssystematik wirksam zu einer Angleichung der Finanzkraft der finanzschwächeren Bundesländer. Zum anderen werden die bestehenden Fehlanreize im System des Länderfinanzausgleichs offensichtlich. Denn selbst wenn ein Bundesland zum Beispiel durch attraktive Rahmenbedingungen es schafft, die eigenen Steuereinnahmen relativ stark zu erhöhen, werden Mehr­einnahmen vom System absorbiert, das heißt, die sogenannten Grenzbelastungen oder Abschöpfungsquoten sind sehr hoch. Es ist bereits abzusehen, dass sich mit Blick auf die Anreizsystematik auch mit der Neuordnung der Bund-Ländern-Finanzen ab dem Jahr 2020 keine strukturelle Besserung einstellen wird (Hentze, 2017).

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