Die Kirchensteuereinnahmen haben sich in Deutschland in den Jahren 2020 bis 2022 zwar besser entwickelt als noch zu Beginn der Corona-Krise prognostiziert. Knapp 13 Milliarden Euro betrug das Aufkommen im Jahr 2022. Doch der anhaltende Mitgliederschwund stellt die Kirchen zunehmend vor finanzielle Herausforderungen. Kaufkraftbereinigt sinken die Steuereinnahmen bis zum Jahr 2027.
Kirchensteuer: Austrittswelle hinterlässt immer größere Spuren
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Die Kirchensteuereinnahmen haben sich in Deutschland in den Jahren 2020 bis 2022 zwar besser entwickelt als noch zu Beginn der Corona-Krise prognostiziert. Knapp 13 Milliarden Euro betrug das Aufkommen im Jahr 2022. Doch der anhaltende Mitgliederschwund stellt die Kirchen zunehmend vor finanzielle Herausforderungen. Kaufkraftbereinigt sinken die Steuereinnahmen bis zum Jahr 2027.
Schätzungsweise 12,9 Milliarden Euro betrug das Kirchensteueraufkommen im Jahr 2022. Dies entspricht einem Plus gegenüber dem Jahr 2021 von rund 200 Millionen Euro. Auf die katholische Kirche entfielen im Jahr 2022 knapp 6,8 Milliarden Euro, auf die evangelische Kirche rund 6,1 Milliarden Euro. Offizielle Zahlen für das Jahr 2022 haben die Kirchen noch nicht veröffentlicht.
Um die Dynamik der Kirchensteuereinnahmen einzuordnen, bietet sich ein Vergleich mit den Staatseinnahmen an. Denn die Kirchensteuer wird proportional zur Einkommensteuerschuld erhoben. Deshalb wachsen die nominalen Steuereinnahmen der beiden christlichen Kirchen grundsätzlich mit der Entwicklung der Einnahmen aus der Einkommensteuer. Die Bruttogehälter legten 2022 um rund 3,5 Prozent zu (Destatis, 2023). Der Staat verzeichnete in der Folge einen Zuwachs bei der Einkommensteuer (Lohn- und veranlagte Einkommensteuer sowie Kapitalertrag- und Abgeltungsteuer) in Höhe von 4,5 Prozent (BMF, 2023). Dagegen legten die Einnahmen aus der Kirchensteuer nur um schätzungsweise 1,5 Prozent zu.
Der gegenüber der Einkommensteuer um 3 Prozentpunkte geringere Anstieg der Kirchensteuereinnahmen liegt darin begründet, dass der Kreis der Kirchensteuerzahler erneut geschrumpft ist. Im Jahr 2022 hat sich die Anzahl der Austritte sowohl in der evangelischen als auch in der katholischen Kirche auf ein Rekordniveau erhöht. Zudem zählten die Kirchen deutlich mehr Sterbefälle als Taufen und Wiedereintritte zusammen. Insgesamt ging die Zahl der Kirchenmitglieder im Jahr 2022 um 1,3 Millionen Personen und damit um mehr als 3 Prozent zurück (EKD, 2023; Katholische.de, 2023). In den vergangenen 20 Jahren ist die Zahl der Kirchenmitglieder sogar um ein Viertel auf aktuell rund 40 Millionen Mitglieder gesunken (Deutsche Bischofskonferenz, 2022; EKD, 2021).
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Neben der hohen Austrittsdynamik setzt mit dem demografischen Wandel ein im Grundsatz unabwendbarer Faktor die Kirchen zusätzlich unter Zugzwang. Dieser Trend wird sich ab Mitte dieses Jahrzehnts verstärken, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und dann weniger Einkommensteuer – und entsprechend weniger Kirchensteuer – bezahlen werden als in ihrer Erwerbsphase (Beznoska/Hentze, 2016). Für die Kirchensteuer kommt als verstärkender Effekt hinzu, dass unter den Erwerbstätigen im Laufe der kommenden Jahre der Anteil der Kirchensteuerzahler sinken wird, da von den jüngeren Jahrgängen ein kleinerer Anteil Mitglied der Kirchen ist (Peters/Gutmann, 2020).
Statistisch gesehen bezahlte im Jahr 2022 ein Kirchenmitglied durchschnittlich 320 Euro Kirchensteuer. Diesen Betrag erreicht ein Single mit einem Bruttojahresgehalt von 32.000 Euro. Allerdings verteilt sich das Aufkommen ungleich auf die 40 Millionen Mitglieder, da Kinder keine und viele Rentner kaum oder ebenfalls keine Kirchensteuer entrichten. So tragen gemessen am Einkommen die oberen 30 Prozent der Kirchenmitglieder schätzungsweise drei Viertel des Aufkommens. Dies folgt zwar dem Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, da die Kirchensteuer proportional zur Einkommensteuerschuld erhoben wird und deshalb für die Verteilung der Kirchensteuerlast die gleiche Logik gilt wie im Steuerrecht. Gleichzeitig birgt das aber für die Kirchenfinanzen ein Risiko, weil die Hauptlast der Kirchensteuer, die ohnehin bereits auf den starken Schultern eines Teils ihrer Mitglieder liegt, sich künftig auf immer weniger Schultern verteilen wird (Hentze, 2021).
Steuereinnahmen steigen nur nominal
Zwar ist in den kommenden Jahren weiter mit nominal steigenden Kirchensteuereinnahmen zu rechnen. Allerdings fällt der Anstieg sowohl für die katholische als auch für die evangelische Kirche voraussichtlich eher gering aus. Dies ergibt sich aus einer Prognose, die sich auf die Steuerschätzung für den Zeitraum bis 2027 stützt (BMF, 2022; 2023). Die Schätzwerte wurden auf Basis aktueller Konjunkturdaten angepasst (IW-Forschungsgruppe Gesamtwirtschaftliche Analysen und Konjunktur, 2023). Für die Inflationsrate wurde ab dem Jahr 2024 ein Rückgang auf 2 bis 3 Prozent angenommen. Zudem wurden verabschiedete und zu erwartende Steuerrechtsänderungen so weit wie möglich berücksichtigt – zum Beispiel der Ausgleich der kalten Progression oder die Erhöhung des Grundfreibetrags (Beznoska et al., 2023). Gleichzeitig unterstellt die Schätzung einen anhaltenden Mitgliederrückgang. Dabei wird für die Jahre 2023 bis 2027 angenommen, dass der Rückgang in einer Größenordnung ausfällt wie im Durchschnitt der Jahre 2020 bis 2022 (rund 2,6 Prozent pro Jahr). Aufgrund des aktuell hohen Mitgliederschwunds wird damit eine gegenüber dem Jahr 2022 leicht abgeschwächte Austrittsdynamik unterstellt.
Real müssen die beiden Kirchen allerdings mit einem Rückgang der Einnahmen rechnen. Denn mit der Inflation verliert auch jeder Euro Kirchensteuer an Kaufkraft. Kaufkraftbereinigt werden die Steuereinnahmen deshalb bis zum Jahr 2027 weder das Vorkrisenniveau des Jahres 2019 (rund -11 Prozent) noch den Wert des Jahres 2022 (knapp -4 Prozent) erreichen, auch wenn sie nominal im Jahr 2027 im Vergleich zum Jahr 2022 um rund 1,5 Milliarden Euro höher ausfallen dürften.
Bis zur Corona-Krise waren die Kirchensteuereinnahmen dagegen über viele Jahre auch real gestiegen. Dies lag vor allem an der zunächst steigenden und dann anhaltend hohen Beschäftigung sowie den steigenden Einkommen in Kombination mit dem progressiven Einkommensteuertarif (Hentze, 2018). Dadurch konnte der einsetzende Mitgliederschwund zeitweise kompensiert werden. Dies ist für die Zukunft nicht mehr zu erwarten.
Handlungsoptionen für die Kirchen
Real stagnierende oder gar rückläufige Steuereinnahmen würden den Handlungsspielraum der Kirchen spürbar verengen. Denn die Inflation sorgt gleichzeitig auch für nominal steigende Ausgaben. Entstehende Finanzierungslücken müssen die Kirchen anderweitig schließen, zum Beispiel auf der Ausgabenseite durch die Einschränkung ihrer Leistungen oder auf der Einnahmenseite durch die Veräußerung von Vermögen. Denkbar wäre auch eine rentierlichere Anlage des Kirchenvermögens. Eine Erhöhung der Kirchensteuer würde dagegen vermutlich die Austrittsdynamik weiter antreiben und wäre in dem Fall auch finanziell kontraproduktiv. Anders gewendet liegen aber hier die Handlungsoptionen für die Kirchen. Während der demografische Wandel unabänderlich ist, gilt dies für die Austrittsdynamik nicht. Vielmehr wäre ein Rückgang der Austritte ein Hebel zur Stabilisierung der Einnahmen.
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