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Malte Küper IW-Kurzbericht Nr. 8 6. Februar 2023 Wasserstoff im Inflation Reduction Act: Was ist drin für Deutschland und die EU?

Die US-Regierung hat mit dem Inflation Reduction Act milliardenschwere Förderprogramme für klimafreundlichen Wasserstoff verabschiedet. Deutsche Unternehmen könnten von den US-Plänen profitieren. Bei Elektrolyseuren könnte es jedoch vorübergehend zu Engpässen kommen.

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Was ist drin für Deutschland und die EU?
Malte Küper IW-Kurzbericht Nr. 8 6. Februar 2023

Wasserstoff im Inflation Reduction Act: Was ist drin für Deutschland und die EU?

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die US-Regierung hat mit dem Inflation Reduction Act milliardenschwere Förderprogramme für klimafreundlichen Wasserstoff verabschiedet. Deutsche Unternehmen könnten von den US-Plänen profitieren. Bei Elektrolyseuren könnte es jedoch vorübergehend zu Engpässen kommen.

Im Sommer 2022 hat die Biden-Administration den Inflation Reduction Act (IRA) verabschiedet und damit den Weg für milliardenschwere Investitionen in Energiesicherheit und Klimaschutz bereitet. Ziel des Gesetzes ist weniger die Reduzierung der Inflation als vielmehr die Ankurbelung von Investitionen in grüne Energie und umweltfreundliche Güter (Hüther & Matthes, 2023). Ein zentraler Baustein des IRA sind neue Förderprogramme zum Markthochlauf einer klimaneutralen Wasserstoffwirtschaft.

Mit einer Produktion von etwa 10 Mio. t Wasserstoff pro Jahr sind die USA einer der größten Wasserstoffproduzenten weltweit. Die Produktion basiert zu 80 Prozent auf der Erdgasdampfreformierung, die verbleibende Menge fällt als Nebenprodukt in Raffinerien und Petrochemie an. Durch diese energieintensiven Produktionsverfahren werden jährlich circa 100 Mio. t CO2 emittiert (DOE, 2022). Mit dem Umstieg auf eine klimaneutrale Wasserstofferzeugung wollen die USA nicht nur den bestehenden Wasserstoffbedarf defossillisie-ren, sondern auch neue Anwendungen auf den Einsatz von grünem (Elektrolyse) oder blauen Wasserstoff (Erdgas und CO2-Abscheidung) umstellen.

Das Interesse an Wasserstoff nahm in den USA zunächst in den 2000er-Jahren an Fahrt auf und konzentrierte sich zu Beginn vor allem auf den Einsatz im Straßenverkehr. Mit der durch die Schieferrevolution ermöglichten wachsenden Energieunabhängigkeit und sinkenden Preisen bei Öl und Gas, verlor das Thema jedoch einige Jahre an Bedeutung (adelphi, 2021). Die Biden-Regierung hat klimafreundlichen Wasserstoff seit Amtsbeginn nun wieder ganz oben auf die Agenda gesetzt. Der im September 2022 veröffentlichte Entwurf einer Clean Hydrogen Strategy and Roadmap bündelt die Wasserstoffambitionen der USA und zeigt die Entwicklungspfade der nächsten beiden Dekaden auf. Die skizzierten Pläne unterscheiden sich in wesentlichen Punkten kaum von denen in Deutschland. So planen auch die USA zunächst vor allem, schwer zu dekarbonisierende Industrien wie Primärstahl, Raffinerien und Ammoniak mit Wasserstoff zu versorgen. Auch die Entwicklung von Regional Clean Hydrogen Hubs als Teil des Bipartisan Infrastructure Law’ aus dem Jahr 2021 ist ein Weg, den auch Deutschland mit den verschiedenen Wasserstoff-Clustern, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen oder Norddeutschland eingeschlagen hat.

Ein unterschiedliches Verständnis zeigt sich dagegen bei der Relevanz von blauem Wasserstoff. Während die Bundesregierung diesen nur übergangsweise nutzen und importieren möchte (BMWK, 2020), setzen die USA auf langfristige Technologieoffenheit. Aufgrund der vorhandenen Gasreserven und den herausfordernden innenpolitischen Voraussetzungen für klimapolitische Maßnahmen, überrascht die eingeplante Rolle für blauen Wasserstoff kaum. Angesichts eines Anteils erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung von nur 20 Prozent und hoher CO2-Emissionen im US-amerikanischen Strommix, kann diese Entscheidung mindestens in den kommenden Jahren auch energie- und klimapolitisch legitimiert werden.
Bereits im Juni 2021 veröffentlichten die USA den „Hydrogen Shot“ mit dem Ziel, die Kosten für die Erzeugung von einem Kilogramm klimafreundlichen Wasserstoff innerhalb einer Dekade auf einen Dollar zu senken. Damit würde das Kostenniveau erreicht werden, das heute für fossilen Wasserstoff anfällt. Momentan betragen die Kosten für grünen Wasserstoff in den USA noch zwischen 4 und 5 US-Dollar/kgH2, blauer Wasserstoff liegt bei 2 US-Dollar/kgH2.

Wasserstoffförderung im IRA

Mit Einführung des IRA bestehen für Produzenten von Wasserstoff in den USA zwei Fördermöglichkeiten:

45V – Hydrogen Production und Investment Tax Credit

Diese Förderung kann sowohl für die Produktion von grünem als auch von blauem Wasserstoff beantragt werden und bietet die Möglichkeit, sich zwischen einer Produktionsförderung (PTC), die einen festen Betrag je Kilogramm Wasserstoff für eine Dauer von zehn Jahren garantiert, und einer Investitionsgutschrift (ITC), die einmalig einen Prozentsatz der Projektkosten gutschreibt, zu entscheiden. Die Höhe der Vergütung richtet sich in beiden Fällen nach den CO2-Emissionen des produzierten Wasserstoffs und liegt beim PTC zwischen $0,60 und $3 je Kilogramm Wasserstoff und beim ITC zwischen 6 und 30 Prozent der Projektkosten. Falls die „prevailing wage and apprenticeship provisions“ nicht erfüllt werden, reduzieren sich die Beträge auf ein Fünftel. Die Mindestanforderungen an die Klimaverträglichkeit des Wasserstoffs liegen bei 4 kgCO2/kgH2, die maximale Förderung erreichen Produzenten mit weniger als 0,45 kgCO2/kgH2. Während die höchste Stufe aus heutiger Sicht nur beim Betrieb mit ausschließlich erneuerbarem Strom erreicht werden kann, liegt der Betrieb mit derzeitigen Netzstrommix weit außerhalb der Förderung. Bis das Stromnetz insgesamt CO2-ärmer ist (Ziel: 2035 CO2-frei), dürfte der IRA also vor allem Insellösungen und Power Purchase Agreements (PPAs) hervorbringen. Die Förderung über 45V kann außerdem mit einem Tax Credit für saubere Stromerzeugung kombiniert werden. So können durch den Betrieb einer Wind- oder Solaranlage zusätzlich $26 pro Megawattstunde gutgeschrieben werden, selbst wenn der damit produzierte Wasserstoff bereits gefördert wird.

45Q – Carbon Capture Tax Credit

Diese Förderung kann nur für die Produktion von blauem Wasserstoff beantragt werden und garantiert eine feste Vergütung pro abgeschiedener Tonne CO2. Die Höhe der Vergütung liegt zwischen $60 und $180 und richtet sich nach der Verwendung des abgeschiedenen Kohlenstoffs (Speicherung, Nutzung). Absatz 45Q ist nicht mit einer Förderung durch 45V kombinierbar, so dass ein Hersteller von blauem Wasserstoff zwischen einem Tax Credit für Wasserstoff oder einem Tax Credit für die Kohlenstoffabscheidung wählen muss. Die entsprechenden Gutschriften werden sowohl für 45V als auch für 45Q wie eine negative Steuerzahlung behandelt und direkt mit der Steuerschuld verrechnet. Falls die Gutschriften höher als die Steuerschulden sind, kann in den ersten 5 Jahren eine direkte Auszahlung gewählt werden.  

Ableitungen für die USA

Die Wasserstoffambitionen der USA sind nicht neu - der IRA erhöht allerdings die Wahrscheinlichkeit deutlich, diese Ziele auch zu erreichen. Die USA setzen klare Kostenziele bei Wasserstoff und ermöglichen so Planungssicherheit und Transparenz. Der IRA stärkt grünen Wasserstoff, indem er Wasserstoff und Strom gemeinsam fördert. Trotzdem könnte die Produktion von blauem Wasserstoff in den kommenden Jahren die günstigste Art der Wasserstofferzeugung in den USA werden (Krupnick & Bergman, 2022). Langfristig werden die USA zudem zu einem der wichtigsten Wasserstoffexporteure aufsteigen. Aufgrund des hohen Eigenbedarfs und der zunächst begrenzten Produktionsmengen ist damit allerdings nicht vor 2030 zu rechnen. Mit Blick auf die Konsistenz der verabschiedeten Maßnahmen bleibt die Frage offen, inwieweit ein Level playing field zwischen Elektrifizierung und Wasserstoff ohne eine einheitliche CO2-Bepreisung garantiert werden kann. Da die USA aber über große Flächen- und Erneuerbarenpotenziale verfügen und zudem große Erdgasreserven besitzen, erscheint ein möglichst effizienter Umgang mit dem zunächst knappen Wasserstoff weniger dringlich als in Deutschland.  

Ableitungen für Deutschland und die EU

Durch die Lern- und Skaleneffekte in der Produktion von Elektrolyseuren in den USA ist eine positive Wirkung auf die Kosten der Wasserstofferzeugung in Deutschland und der EU zu erwarten. Anlagenhersteller und Zulieferer in Europa können von der hohen Nachfrage entlang der gesamten Wasserstoffwertschöpfungskette profitieren. Vor diesem Hintergrund ist besonders interessant, dass der IRA bei der Wasserstoffproduktion keine local content Vorschriften enthält. Die Kehrseite der starken US-Nachfrage könnte sich darin zeigen, dass die Kapazitäten der europäischen Hersteller in den kommenden Jahren verstärkt in den USA gebunden sein werden und dadurch der Wasserstoffhochlauf in der EU verzögert wird. Grundsätzlich ist die EU in einer starken Ausgangslage im Wasserstoffbereich und etwa führend in der Anmeldung von Patenten zur Elektrolyse (EPO, 2023). Zusammen mit den ebenfalls ambitionierten Wasserstoffzielen der EU besteht daher wenig Grund zur Annahme, dass dieses Know-How in den nächsten Jahren nicht auch skaliert werden könnte. Laut Ansari et al. (2022) liegt aber genau in der Skalierung das Problem der europäischen Hersteller, die als Hindernisse den Mangel an Investitionssicherheit und bürokratische Hürden beim Betrieb der Elektrolyseure aufführen.

Fazit

Die Förderpakete des IRA für Wasserstoff erhöhen den Druck auf die EU, den eigenen Markthochlauf von klimafreundlichem Wasserstoff zu beschleunigen. Der am 1. Februar veröffentlichte Green Deal Industrial Plan kann daher auch als Reaktion auf die Beschlüsse der USA verstanden werden. Angesichts der energiepolitischen Folgen der russischen Invasion und dem aus heutiger Sicht anhaltend höheren Preisniveau für Erdgas ist die Beschleunigung beim Ausbau klimafreundlicher Energiealternativen dringend erforderlich.

Schon vor den Wasserstoffmaßnahmen des IRA war es aufgrund der enormen Wind- und Solarpotenziale in den USA unwahrscheinlich, dass Europa bei grünen Energien ein ähnlich niedriges Kostenniveau erreichen würde. Die EU sollte daher nicht der Versuchung eines Subventionswettlaufes verfallen, sondern sich auf den Ausbau der hiesigen Standortvorteile konzentrieren. Der sich abzeichnende Standortwettbewerb um die Produktionskapazitäten für Elektrolyseure stellt für Deutschland gleichermaßen Chance und Risiko dar. So werden Anlagenhersteller in erheblichem Maße vom Wasserstoffmarkt in den USA profitieren. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die US-Pläne vorübergehend große Teile der europäischen Produktionskapazitäten binden könnten. Der europäische Blick wird dabei auch auf die Handelsbeziehungen der USA zu China, dem potenziell größten Produzenten von Elektrolyseuren, gerichtet sein. Aufgrund der aktuellen Importbeschränkungen in anderen Bereichen ist offen, inwiefern die USA im großen Stil auf Elektrolyseure aus China setzen werden.

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