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Jürgen Matthes / Galina Kolev IW-Policy Paper Nr. 28 21. Dezember 2020 Eine Einordnung von RCEP: Was das regionale Handelsabkommen für die EU und die deutsche Wirtschaft bedeutet – und was nicht

RCEP ist relevant für Europa, wird in mancher Hinsicht aber überschätzt. Im Vergleich zu EU-Abkommen bleibt die Handelsliberalisierung weit zurück. Denn rund fünf Sechstel des intraregionalen Handels fanden nach Berechnungen des Economist bislang zwischen Partnern von bilateralen Freihandelsabkommen (FHA) statt, sodass der Zollabbau insgesamt gering ist.

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Was das regionale Handelsabkommen für die EU und die deutsche Wirtschaft bedeutet – und was nicht
Jürgen Matthes / Galina Kolev IW-Policy Paper Nr. 28 21. Dezember 2020

Eine Einordnung von RCEP: Was das regionale Handelsabkommen für die EU und die deutsche Wirtschaft bedeutet – und was nicht

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Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

RCEP ist relevant für Europa, wird in mancher Hinsicht aber überschätzt. Im Vergleich zu EU-Abkommen bleibt die Handelsliberalisierung weit zurück. Denn rund fünf Sechstel des intraregionalen Handels fanden nach Berechnungen des Economist bislang zwischen Partnern von bilateralen Freihandelsabkommen (FHA) statt, sodass der Zollabbau insgesamt gering ist.

Nur Japan, Südkorea und China bauen Zollhürden in nennenswertem Maß gegenseitig ab, aber mit Übergangsfristen von bis zu zwei Dekaden. Auch im Dienstleistungshandel geht es abgesehen von selektiven neuen Öffnungen vorwiegend um ein Festschreiben von Bestehendem. Ökonomisch sehr relevant ist aber die Vereinheitlichung der vielen sich überschneidenden bilateralen FHA in der Region und vor allem die Vereinfachung von Ursprungsregeln, die zudem recht liberal gegenüber Drittländern gefasst sind. Dieser Schritt mindert Handelsbürokratie gerade für KMU und dürfte die grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten in der Region weiter stärken.

Die RCEP-Region ist wichtig für Deutschland. Sie steht für rund 13,0 Prozent der Warenexporte und 17,3 Prozent der Warenimporte im Jahr 2019. Zwar dominiert China. Doch entfallen auf die anderen RCEP-Mitglieder 5,8 Prozent der Ausfuhren und 7,3 Prozent der Einfuhren. RCEP hat wegen der begrenzten Liberalisierung nur geringe ökonomische Effekte auf Europa. Eine Modellschätzung (Petri/Plummer, 2020) geht von marginal positiven plus 0,06 Prozent des BIP im Jahr 2030 aus. Dabei werden moderate negative Umlenkungseffekte zulasten Europas (vor allem in China) durch positive Effekten eines größeren Wachstums der RCEP-Region kompensiert.

Die Rolle Chinas wird überbewertet. RCEP ist nicht unter Führung Pekings, sondern der ASEAN-Staaten zustande gekommen. Zudem hat China nicht seine Standards durchgesetzt, da RCEP hier ebenfalls wenig leistet. China ist aufgrund seiner Wirtschaftskraft dabei. Doch musste es dafür Zollsenkungen gegenüber Japan und Südkorea zustimmen, die es lange gescheut hat. Das war es der chinesischen Führung wert, denn RCEP ermöglicht strategisches Selbstmarketing. So stellt sich China als Liberalisierer und Gegner des Protektionismus (der USA) dar und kann darauf verweisen, dass die USA nicht dabei sind - und der weitere Rivale Indien ebenso nicht. Neben diesem geopolitisch relevanten Erfolg wird China in der Region mehr investieren (auch im Rahmen der Belt and Road Initiative) und seine Bedeutung in den regionalen Wertschöpfungsketten weiter ausbauen. Dabei nutzt es einige ASEAN-Länder wie Vietnam in immer stärkerem Maß als Exportplattform, vermutlich auch zur Umgehung von Handelsbarrieren der EU und der USA.

Die EU wird durch RCEP nicht vorgeführt. Denn der Geist von RCEP – Handelsliberalisierung und Regelbindung trotz politischer Konflikte – entspricht durchaus den Zielen der EU. Zudem ist die EU bereits mit mehreren FHA in der Region präsent oder verhandelt darüber. Ein Abkommen mit ASEAN ist vor allem wegen hoher Umwelt- und Menschenrechtsstandards der EU nicht zustande gekommen. In Zukunft muss die EU die indopazifische Region noch stärker in den Blick nehmen. Ein Beitritt zu RCEP erscheint dabei nicht ratsam, da die Standards zu niedrig sind und die EU hier auch gegenüber China Handelsbarrieren abbauen müsste. Stattdessen sollte die EU prüfen, mit den USA und dem Vereinigten Königreich einem gemeinsam weiter entwickelten CPTTP beizutreten. Auf diese Weise würden sich marktwirtschaftliche und wertebasierte Standards für fairen Handel setzen lassen. Das Abkommen könnte damit Vorreiter für neue WTO-Regeln sein und wäre für China offen, aber nur wenn Peking diese Standards akzeptiert.

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