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Vera Demary / Christian Rusche IW-Kurzbericht Nr. 56 7. September 2018 Digitale Plattformen: Noch ein B2C-Geschäft

Digitalisierung hat den Aufbau von digitalen Plattformen entscheidend erleichtert. Diese Geschäftsmodelle nutzen Netzwerk- und Skaleneffekte erfolgreich aus. Am häufigsten bieten die Unternehmen dabei bislang Anwendungen für Konsumenten an. Am wertvollsten sind im Durchschnitt jedoch Angebote im Transportsektor.

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Noch ein B2C-Geschäft
Vera Demary / Christian Rusche IW-Kurzbericht Nr. 56 7. September 2018

Digitale Plattformen: Noch ein B2C-Geschäft

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Digitalisierung hat den Aufbau von digitalen Plattformen entscheidend erleichtert. Diese Geschäftsmodelle nutzen Netzwerk- und Skaleneffekte erfolgreich aus. Am häufigsten bieten die Unternehmen dabei bislang Anwendungen für Konsumenten an. Am wertvollsten sind im Durchschnitt jedoch Angebote im Transportsektor.

Das Bundeswirtschaftsministerium sieht Plattformen „als zentrale Knoten, Interessenabgleicher, Datenverarbeiter, Innovationstreiber und Marktmacher“ (BMWi, 2017, 14) und weist ihnen damit eine zentrale Rolle in der digitalisierten Wirtschaft zu. Zudem gehören Plattformunternehmen wie Alphabet (Google), Facebook und Tencent bereits heute zu den zehn wertvollsten Unternehmen der Welt (EY, 2017).

Die inzwischen hohe Anzahl an digitalen Plattformen sowie die vielen unterschiedlichen Geschäftsmodelle erschweren eine umfassende Analyse. Um dennoch die Bedeutung für die Wirtschaft insgesamt und die zukünftige Entwicklung abschätzen zu können, wurden Daten von Crunchbase (2017) zu den sogenannten Unicorns (Einhörner) untersucht (Demary/Rusche, 2018). Dabei handelt es sich um Unternehmen mit einem Wert von mindestens einer Milliarde US-Dollar, die (noch) nicht börsennotiert sind. Durch die Konzentration auf noch junge Unternehmen, die dennoch bereits eine hohe Bewertung aufweisen, kann ein Einblick darin gewonnen werden, welche Geschäftsmodelle von Investoren sowie vom Kapitalmarkt insgesamt für aussichtsreich gehalten werden. Unicorns weisen in der Regel zudem hohe Wachstumsraten auf.

Im September 2017 führte Crunchbase (2017) insgesamt 268 Unicorns. Beispiele sind der Onlinehändler Home24 oder das Cloudunternehmen Dropbox. Insgesamt 110 davon sind digitale Plattformen (Demary/Rusche, 2018). Damit haben rund 41 Prozent aller Unicorns ein Plattformgeschäftsmodell. Zudem standen diese 110 Einhörner für rund 57 Prozent der Summe aller Unternehmenswerte von rund 939 Milliarden US-Dollar. Im Schnitt sind die Plattformunternehmen somit wertvoller als Unternehmen mit einem anderen Geschäftsmodell, zumindest in dieser Stichprobe. Ursächlich für das Ergebnis ist auch die hohe Bewertung der zehn wertvollsten Unternehmen: Von ihnen sind sechs digitale Plattformen, ihre kumulierte Bewertung entspricht dem mehr als Zweieinhalbfachen der anderen vier Unicorns.

Zudem konzentrieren sich Plattformen auf einzelne Sektoren (Abbildung) und können dort schnell zu Marktmacht gelangen. Zur Einteilung nach Sektoren wurde derjenige Sektor herangezogen, in welchem die Plattform hauptsächlich aktiv ist. Diese Kategorisierung ist jedoch nicht immer eindeutig: So wurden beispielsweise die Personenbeförderungsdienstleister Uber (USA), Grab (Singapur) und Ola (Indien), zum Transportsektor gezählt, während der chinesische Konkurrent Didi Chuxing aufgrund eines breiteren Angebotsspektrums zum Bereich Konsumentenanwendungen gehört (zum Beispiel bietet Didi auch Autovermietung, Taxivermittlung und Bikesharing per Smartphone an).

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Von den 110 digitalen Plattformen im Datensatz waren die meisten ebenfalls im Bereich von Anwendungen für Konsumenten tätig (B2C – Business to consumer): Rund 25 Prozent der Unternehmen konnte dieser Sektor auf sich vereinen. Beispiele sind die Vermittlung von Unterkünften (Airbnb) oder Restaurants (Zomato). Rund 21 Prozent der digitalen Plattformen sind im Onlinehandel tätig und weitere fast 14 Prozent bieten Finanzdienstleistungen an. Am seltensten sind digitale Plattformen unter anderem in den Bereichen Automobil, FinTech und Unternehmensdienstleistung. Hier ist unter den Unicorns jeweils nur eine Plattform (0,9 Prozent) aktiv.

Die Verteilung der Plattformen nach Sektoren spiegelt in der Regel nicht den Anteil an der Gesamtbewertung wider. Der Bereich Konsumentenanwendungen kann mit fast 35 Prozent an der Summe aller Unternehmenswerte einen überproportional hohen Anteil auf sich vereinigen. Im Schnitt ist eine digitale Plattform in diesem Sektor rund 6,9 Milliarden US-Dollar wert. Im Bereich Onlinehandel werden Plattformen hingegen im Schnitt mit nur 2,4 Milliarden Dollar bewertet. Dadurch steht dieser Sektor trotz seiner hohen Anzahl an aktiven Plattformen nur für rund zehn Prozent der Unternehmensbewertungen. Weitere Sektoren mit einem hohen Bewertungsanteil sind Finanzdienstleistungen mit fast 23 Prozent ( rund acht Milliarden Dollar pro Plattform) und Transport mit rund 18 Prozent (rund 8,2 Milliarden Dollar pro Plattform). Somit sind die durchschnittlich wertvollsten Plattformen derzeit im Transportsektor zu finden, obwohl dort nur relativ wenige Unicorns aktiv sind.

Mit dem großen Potenzial, das digitalen Plattformen unter anderem von Investoren zugeschrieben wird und dem Erfolg bei Konsumenten gehen jedoch auch Herausforderungen einher. Um dennoch die Chancen digitaler Plattformen zu nutzen, sollte die Politik daher folgende Aspekte berücksichtigen:

Bestehendes Wettbewerbsrecht anwenden und Wettbewerbsbehörden mit entsprechenden Möglichkeiten ausstatten

Plattformen können schnell an Marktmacht gewinnen. Damit die Wirksamkeit des Wettbewerbs nicht gefährdet wird, sollten die bestehenden Regelungen konsequent angewendet werden, wie es beispielsweise im Verfahren des Bundeskartellamts gegen Facebook bereits der Fall ist (Bundeskartellamt, 2017). Da die Märkte digitaler Plattformen jedoch sehr dynamisch sind, neue Technologien vermehrt zur Anwendung kommen und Geschäftsmodelle zunehmend datengetrieben sind, sollten die Wettbewerbsbehörden auch materiell und personell in die Lage versetzt werden, bei sich ändernden Bedingungen effektiv gegen Gefahren für die Wirksamkeit des Wettbewerbs vorzugehen.

Einhaltung des Datenschutzes überwachen

Insbesondere durch die Konzentration auf den Endkonsumenten kommen digitale Plattformen in den Besitz einer Vielzahl personenbezogener Daten. Diese stellen einen entscheidenden Input für ihr Geschäftsmodell dar. Um die Konsumenten und ihre Daten zu schützen, sollte daher die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung überwacht und durchgesetzt werden.

Konsumenten aufklären

Um an die Daten der Konsumenten zu kommen, bieten digitale Plattformen oft eine kostenlose Dienstleistung oder ein kostenloses beziehungsweise kostengünstiges Produkt an. Auch wenn die monetäre Gegenleistung zum Teil fehlt, „bezahlen“ die Konsumenten dennoch mit ihren Daten. Darüber sollten sie, wo nötig, aufgeklärt werden. Dies sollte einerseits direkt durch die Plattform selbst erfolgen. Andererseits sind hier Schulen und andere Bildungseinrichtungen in der Pflicht, für den Umgang mit den eigenen Daten zu sensibilisieren.

Eigentumsrechte an Daten klären

Oft sind auch nicht-personenbezogene Daten für die digitalen Plattformen von Wert und Marktmacht aufgrund von exklusiven Daten ist möglich. Doch ist in Bezug auf nicht-personenbezogene Daten nicht immer eindeutig, wem Daten gehören, was damit gemacht werden darf und unter welchen Umständen eventuell Wettbewerbern Zugang gewährt werden muss. Hier gilt es Rechtssicherheit zu schaffen.

Gründungen anregen sowie kleine und mittlere Unternehmen unterstützen

Die Gründung digitaler Plattformen sollte gefördert werden, um ihre Potenziale für dynamische Märkte und Wettbewerb zu nutzen. Dazu müssen insbesondere Start-Ups, aber auch kleine und mittlere Unternehmen von Bürokratie entlastet sowie die Verfügbarkeit von Risikokapital in Deutschland verbessert werden.

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