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Henry Goecke / Thomas Puls / Jan Wendt IW-Kurzbericht Nr. 60 13. Mai 2020 Vollbremsung: Die Folgen von Corona für den Straßenverkehr

Die Corona-Krise geht mit massiven wirtschaftlichen Einbußen ebenso einher wie mit Einschränkungen und Veränderungen im Privat- und Arbeitsleben. Die Effekte zeigen sich auch in den Verkehrsdaten, die offenbaren, dass im Zuge der Corona-Krise der LKW-Verkehr um etwa ein Viertel und der PKW-Verkehr sogar um über die Hälfte zurückgegangen ist.

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Die Folgen von Corona für den Straßenverkehr
Henry Goecke / Thomas Puls / Jan Wendt IW-Kurzbericht Nr. 60 13. Mai 2020

Vollbremsung: Die Folgen von Corona für den Straßenverkehr

IW-Kurzbericht

Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Die Corona-Krise geht mit massiven wirtschaftlichen Einbußen ebenso einher wie mit Einschränkungen und Veränderungen im Privat- und Arbeitsleben. Die Effekte zeigen sich auch in den Verkehrsdaten, die offenbaren, dass im Zuge der Corona-Krise der LKW-Verkehr um etwa ein Viertel und der PKW-Verkehr sogar um über die Hälfte zurückgegangen ist.

Die COVID-19-Pandemie hat zu einem bislang ungekannten Stillstand in Deutschland geführt und prägt auch dem Verkehr ihren Stempel auf. Dieser hat für eine moderne Gesellschaft eine ähnliche Funktion wie der Blutkreislauf für den Körper. Er vernetzt Produzenten und Verbraucher, versorgt sie mit allem Nötigen und stellt damit die Funktionsfähigkeit der Gesamtheit sicher. Zu beachten ist dabei aber, dass der Verkehr eben immer nur eine abgeleitete Größe aus den Bedürfnissen seiner Nutzer darstellt. Aufgrund dieser besonderen Rolle ist er auch ein guter Frühindikator für die Entwicklung einer Volkswirtschaft (Statistisches Bundesamt, 2019). Aktuell ähnelt die Situation auf den Verkehrswegen einem Winterschlaf, selbst der alljährliche Osterstau ist ausgefallen. Die drastischen Rückgänge im Verkehr erklären sich daraus, dass die Volkswirtschaft von einem doppelten Schock getroffen wurde.

Zum einen gab es einen Angebotsschock, der dadurch induziert wurde, dass Lieferketten gestört wurden. Wirtschaftlich eng verflochtene Regionen wie Norditalien erfuhren im März eine komplette Stilllegung und auch die Wege nach Osteuropa wurden durch Grenzschließungen gestört. In der Folge mussten zahlreiche Fabriken ihre Fertigung herunterfahren oder ganz einstellen. Besonders betroffen hiervon ist die Automobilindustrie, deren Transportbedarf sich je nach Verkehrsträger um bis zu 90 Prozent reduziert hat. Der europäische Herstellerverband schätzt, dass allein die Autoindustrie in Deutschland durch das Coronavirus bislang einen Produktionsausfall von etwa 603.000 Fahrzeugen erlitten hat. Der Produktionsausfall in der Industrie schlägt sich bei allen Verkehrsträgern wieder. Der Schienengüterverkehr reduzierte sich laut Fachmedien bis Anfang April um etwa 20 Prozent und auch die Luftfracht verzeichnete Rückgänge von etwa 23 Prozent.

Zum anderen gibt es einen Schock auf der Nachfrageseite. Zahlreiche Menschen sind in Kurzarbeit oder im Homeoffice, die Schulen waren beziehungsweise sind ebenso wie viele Geschäfte und Freizeiteinrichtungen geschlossen. Entsprechend sind die Konsummöglichkeiten eingeschränkt und mit Ausnahme des Lebensmittelhandels melden fast alle Branchen Nachfragerückgänge. Das wiederum wirkt sich stark auf den Personenverkehr im Land aus. So machen Fahrten zum Zwecke von Freizeitaktivitäten und Erledigungen laut einer im Jahr 2017 durchgeführten Erhebung im Auftrag des Verkehrsministeriums (Mobilität in Tabellen, 2019) bereits etwa 32 Prozent des Pkw-Verkehrs in Deutschland aus. Diese Fahrten entfallen derzeit weitestgehend. Deutlich eingeschränkt sind Fahrten zur Arbeit (23 Prozent) und dienstliche Fahrten (19 Prozent). Damit ist ein Großteil des Pkw-Verkehrs von den Maßnahmen gegen die Pandemie betroffen.

Bislang war die empirische Erfassung solcher Vorgänge im Verkehr mit größeren zeitlichen Verzögerungen verbunden. Zwar werden Daten wie die Fahrten mautpflichtiger Lkws und auch die Verkehrsmenge an Hunderten Zählstellen – insbesondere im Netz der Bundesfernstraßen – erfasst, aber die Auswertung erforderte einige Zeit. So werden Mautdaten typischerweise monatlich veröffentlicht. Im Zuge der Corona-Krise sind Teile der Mautdaten auf einen täglichen Veröffentlichungsrhythmus umgestellt worden. Aber auch hier liegt eine Verzögerung von 5 bis 9 Tagen vor. Für den Pkw-Verkehr sind die üblichen Verzögerungen bis zur Veröffentlichung der Fahrleistungsdaten noch deutlich länger.

In Anbetracht der angespannten Lage wäre in diesem Fall eine Beschleunigung der Datenbereitstellung wünschenswert. Hier setzt eine Auswertung der automatischen Zählstellen in NRW an, deren Ergebnisse in Real-Time über den Mobilitäts Daten Marktplatz (MDM-Portal) ausgelesen werden können.

Neben den Real-Time-Daten werden Daten von Dauerzählstellen der Bundesanstalt für Straßenwesen verwendet. Die Daten der beiden Anbieter sind vergleichbar, da die Zuordnung, welches Fahrzeug als LKW und welches als PKW gezählt wird, jeweils nach der gleichen Methode erfolgt (BASt, 2012). Die Schnittmengen der Zählstellen beider Datensätze gehen in die Analyse ein. Somit können diese Daten verwendet werden, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie abzuschätzen.

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Die Analyse erfolgt auf der Basis von 78 Zählbereichen auf Bundesfernstraßen in NRW. Aus beiden Datenquellen resultiert eine Vollerhebung der vorbeifahrenden Fahrzeuge, die sich in die beiden Gruppen LKW und PKW sortieren lassen. Mit diesen Daten lässt sich die Veränderung der LKW- und PKW-Mengen zwischen den Jahren 2020 und 2018 (letztes verfügbares Jahr von der Bundesanstalt für Straßenwesen) in den einzelnen Kalenderwochen berechnen (s. Abbildung). Bei dem Vergleich der gleichen Kalenderwochen wurde für kalendarische Besonderheiten wie Feiertage und Ferien kontrolliert.

Im Zuge der Corona-Pandemie erfolgte von Seiten der Politik zu Beginn eine schrittweise Einschränkung des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens (für eine Übersicht der Maßnahmen siehe Bardt/Hüther, 2020). Als ersten besonders großen Einschnitt in dieser Zeit ist das bundesweite Kontaktverbot zu Beginn der 13. Kalenderwoche zu nennen. Die Daten zeigen, dass in dieser Woche sowohl die Menge an LKW- als auch an PKW-Verkehr massiv eingebrochen ist – das Minus bei den LKWs belief sich auf 20 Prozent, bei den PKWs sogar auf knapp 60 Prozent. Im Durchschnitt der 13. bis 19. Kalenderwoche liegt der Rückgang bei den LKWs bei 26 Prozent und bei den PKWs sogar bei 55 Prozent, welcher als Effekt der Nachfrage- und Angebotsschocks der Pandemie zu verzeichnen ist.

Neben den zeitnahen Auswirkungen des Lockdowns im Zuge der Corona-Pandemie auf Wirtschaft und Gesellschaft ist insbesondere relevant, welche Auswirkungen die unterschiedlichen Schritte der stufenweisen Öffnungen haben. Um hierzu eine evidenzorientierte Einordnung zu ermöglichen, werden zukünftig jeden Montagmorgen die Verkehrszahlen für die zurückliegende Woche berechnet und auf der Seite https://www.iwkoeln.de/themen-schwerpunkt/covid-19-economic-dashboard.html zur Verfügung gestellt.

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