Der IHK-Arbeitskräfteradar zeichnet ein detailliertes Bild des bayerischen Arbeitsmarktes im Jahr 2027. Dafür werden die Trends der Jahre 2016 bis 2022 fortgeschrieben.
IHK Arbeitsmarktradar Bayern: Berufe, Regionen und Branchen im Blick
Gutachten im Auftrag des Bayerischen Industrie- und Handelskammertag e. V. (BIHK)
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Der IHK-Arbeitskräfteradar zeichnet ein detailliertes Bild des bayerischen Arbeitsmarktes im Jahr 2027. Dafür werden die Trends der Jahre 2016 bis 2022 fortgeschrieben.
Die Ergebnisse sind nicht als Prognose zu verstehen, insbesondere für die kurze Frist, zumal das Jahr 2023 zum Erscheinungszeitpunkt bereits vergangen sein wird. Die Ergebnisse sind als Szenario für das Jahr 2027 zu verstehen, das sich ergibt, wenn es so weitergeht wie bisher. Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Branchenstruktur sind in dieser Fortschreibung noch kaum enthalten, die Fluchtmigration bis Ende 2022 hingegen schon. Die Studie betrachtet den Arbeitsmarkt aus Arbeitgebersicht und fokussiert sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, lässt also unter anderem Beamte und Selbstständige außen vor.
Bayern leidet schon seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2010 unter einem ausgeprägten Arbeitskräftemangel. Dieser war stets stärker als im deutschen Durchschnitt. Wenn die bisherigen Trends sich weiter fortsetzen, könnte die Fachkräftelücke in Bayern von 2022 bis 2027 von 156.842 auf 176.158 steigen. Dann wären rechnerisch 54,6 Prozent aller offenen Stellen nicht zu besetzen, weil es keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt (Stellenüberhangsquote). 2022 gab es erstmals eine nennenswerte Lücke bei Geringqualifizierten, die weiter steigen dürfte. Ihr Anteil an der Fachkräftelücke bleibt jedoch gering (4,8 Prozent in 2027). Ohne den Arbeitskräftemangel könnte die Wertschöpfung im Jahr 2027 in Bayern 18,3 Mrd. Euro beziehungsweise 2,8 Prozent höher liegen (in Preisen von 2022).
Trotz Arbeitskräftemangel gelang es der bayerischen Wirtschaft in der Vergangenheit Beschäftigung aufzubauen – nur nicht so schnell wie gewünscht. Das wird voraussichtlich auch so bleiben. Die Beschäftigung (sozialversicherungspflichtig, ohne Auszubildende, Jahresdurchschnitte) könnte von 2022 bis 2027 von 5.619.258 auf 6.100.319 steigen (+8,6 Prozent). Ein Teil des Mehrbedarfs geht auf den Trend zu einer sinkenden Jahresarbeitszeit zurück, die von 2017 bis 2022 bundesweit um 2,1 Prozent gesunken ist. Mit der Beschäftigungsentwicklung geht eine weitere Polarisierung des Arbeitsmarktes einher, weil viele mittelqualifizierte Fachkräfte in Rente gehen und insbesondere geringqualifizierte Helfer und hochqualifizierte Experten nachrücken. Dieser Trend ist in Bayern noch etwas ausgeprägter als in Deutschland.
Beschäftigungswachstum ist jedoch kein Selbstläufer. Für die demografische Entwicklung kann der Blick weiter in die Zukunft geworfen werden: Ohne Zuwanderung und einen weiteren Anstieg der Partizipationsquoten (hier: Anteil der Beschäftigten und Arbeitslosen an der Bevölkerung) würde die Beschäftigung in Bayern bis 2037 um 11,3 Prozent sinken. Durch Zuwanderung im bisherigen Rahmen würde eine Stabilisierung erreicht (-0,8 Prozent). Wenn zudem die Partizipationsquoten ihrem sehr positiven Trend noch bis 2027 folgen würden, wäre ein Wachstum von 7,8 Prozent bis 2037 möglich.
Besonders wichtig ist die weitere Erhöhung des tatsächlichen Renteneintrittsalters, das 2022 bundesweit bei 64,4 Jahren lag, und eine vermehrte Anwerbung qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland, verbunden mit einer noch besseren Arbeitsmarktintegration der bereits in Deutschland lebenden Ausländer. Dabei ist die Partizipationsquote der Ausländer in Bayern bereits recht hoch. Ausländer machten 2022 in Bayern bereits 17,5 Prozent der Beschäftigten aus. Dieser Anteil dürfte bis 2027 auf 23,0 Prozent weiter steigen und sichert das aktuelle Beschäftigungsniveau. Die Partizipationsquote von Frauen ist bereits stark gestiegen und wird sich der von Männern weiter annähern. Die Potenziale liegen hier primär bei den ausländischen Frauen. Deutsche Frauen im Alter von 30 bis 34 könnten 2027 eine Partizipationsquote von 79,6 Prozent erreichen. Das wären noch 5,8 Prozentpunkte weniger als deutsche Männer, nach 9,7 Prozentpunkten in 2017. Bei ausländischen Frauen läge die Partizipationsquote in 2027 mit 65,5 Prozent trotz steigender Tendenz noch deutlich niedriger. Für eine weitere Steigerung ist der Ausbau der Kinderbetreuung zentral. Der Beschäftigungsaufbau bei Erziehern schreitet in Bayern jedoch etwas langsamer voran als in Deutschland. Die Geschlechterstereotype von Berufen weichen nur sehr langsam auf. Hier spielen Vorbilder eine zentrale Rolle. Im Rahmen von Berufsorientierung könnten geschlechtsuntypische Vorbilder gezeigt werden, beispielsweise männliche Erzieher und weibliche Elektrikerinnen.
Die reale Bruttowertschöpfung je Beschäftigten könnte von 2022 bis 2027 um 6,9 Prozent sinken. Dies würde einen realen Einkommensverlust nach sich ziehen (Kapital- oder Arbeitseinkommen). Umso 3 wichtiger sind Steigerungen der Produktivität und Investitionen in die Zukunft. Vor diesem Hintergrund ist erwähnenswert, dass Experten für Forschung und Entwicklung zu den zehn Berufsgattungen mit dem größten Beschäftigungsaufbau in Bayern zählen dürften (+20,7 Prozent), was deutlich mehr ist als im deutschen Durchschnitt. Das ist sicher ein gutes Zeichen für die Innovationskraft Bayerns. Der negative Trend bei der Arbeitsproduktivität geht zu wesentlichen Teilen auf die Integration weniger produktiver Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt zurück, sowie auf den Trend zu kürzeren Arbeitszeiten.
Das Verarbeitende Gewerbe hat in Bayern einen deutlich größeren Anteil an der Bruttowertschöpfung als in Deutschland. Die Automobilbranche und der Maschinenbau sind in vielen bayerischen Regionen von großer Relevanz. Insgesamt dürfte die Beschäftigung in diesen beiden Branchen in Bayern stagnieren. Der größte Wachstumstreiber dürfte hingegen die IT-Branche sein.
Die Studie enthält detaillierte Daten für einzelne Berufe, Berufsgruppen und Branchen in acht bayerischen Regionen
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