Am 4. Februar 1920 ist das sogenannte Betriebsrätegesetz in Kraft getreten, das als Geburtsstunde der betrieblichen Mitbestimmung gilt. Zum 100-jährigen Jubiläum sinkt in Deutschland die Zahl der Betriebsräte – in vielen Unternehmen gibt es inzwischen Alternativen.
100 Jahre Betriebsrätegesetz: Meilenstein der Arbeitnehmervertretung
Das Betriebsrätegesetz ist ein historischer Meilenstein: Es erlaubt Arbeitnehmern per Gesetz, eine betriebliche Interessenvertretung zu bilden. Seit dem Beschluss vor 100 Jahren dürfen Betriebsräte mitwirken und mitbestimmen, beispielsweise in sozialen und personellen Angelegenheiten. Damals hatten Sie ein Mitspracherecht bei größeren Einstellungen oder Entlassungen, sie konnten gemeinsam mit den Arbeitgebern Dienstvorschriften im Rahmen der geltenden Tarifverträge vereinbaren. Und sie durften kontrollieren, ob sich Unternehmen auch an Tarifverträge halten.
Mehr Rechte für den Betriebsrat
Im Jahr 1934 suspendierten die Nationalsozialisten das Gesetz, doch schon 1946 führte der Alliierte Kontrollrat die betriebliche Mitbestimmung wieder ein und knüpfte dabei unmittelbar am Betriebsrätegesetz an. Seit 1952 gibt es deshalb das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), das Betriebsräten deutlich mehr und differenziertere Rechte einräumt. So können Betriebsräte nun etwa auch bei Ordnungs- und Verhaltensregeln im Betrieb, Arbeitszeitregelungen, Überstunden und Kurzarbeit oder Sozialplänen mitbestimmen. Eine Umfrage unter Personalverantwortlichen aus dem Jahr 2018 zeigt, dass es Unternehmensleitung und Betriebsrat trotz aller Interessenunterschiede fast immer gelingt, einen Konsens herzustellen.
Immer weniger klassische Mitbestimmung
Trotz dieser guten Zusammenarbeit gibt es bundesweit immer weniger Betriebsräte: Nur in etwa jedem zehnten Betrieb existiert die klassische Mitbestimmungsform noch. Vor allem inhabergeführte Unternehmen machen einen Bogen um die betriebliche Mitbestimmung. Gleichzeitig setzen 18 Prozent aller Unternehmen auf alternative betriebliche Vertretungsorgane wie Mitarbeitervertretungen, Belegschaftssprecher oder Runde Tische. Eine Auswertung der Haushaltsbefragung Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) aus dem Jahr 2016 zeigt: Die Arbeitszufriedenheit liegt bei den Arbeitnehmern, die in einem Betrieb mit einem Betriebs- oder Personalrat arbeiten, nicht signifikant höher als bei denen, die in einem Betrieb ohne Betriebs- oder Personalrat arbeiten.
Derzeit diskutiert die Politik, ob das BetrVG angesichts der Digitalisierung der Arbeitswelt modernisiert und seine Reichweite ausgeweitet werden muss. Allerdings ist fraglich, ob das wirklich nötig ist. Zum einen reichen die bereits bestehenden Befugnisse der Betriebsräte aus, zum anderen hat eine Vereinfachung des Wahlverfahrens schon in der Vergangenheit keinen Betriebsräte-Gründungsboom ausgelöst.
Hagen Lesch: 100 Jahre betriebliche Mitbestimmung in Deutschland
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iwd