Wenn Joe Biden morgen sein Amt als US-Präsident antritt, eröffnen sich neue Chancen für die EU-Handelspolitik. Doch Bidens Blick geht vor allem nach China. Weil die EU den konfrontativen Kurs der USA gegenüber China nicht mitgehen wird, sollte sie mit den USA und weiteren marktwirtschaftlichen Staaten ein neues Handelsabkommen forcieren und so den Druck auf China erhöhen, neue Regeln gegen Wettbewerbsverzerrungen zu akzeptieren.
EU-Handelspolitik unter Biden: Neues Handelsabkommen jetzt!
Selten haben sich Entscheidungsträger so sehr über einen Machtwechsel in den USA gefreut. Zwar löst sich unter Biden die protektionistische Ausrichtung der USA nicht in Luft auf, doch der Ton in der US-Handelspolitik wird in den nächsten vier Jahren versöhnlicher sein. Sich davon aber gar einen Neustart der Verhandlungen zu einem transatlantischen Freihandelsabkommen zu versprechen, wäre zu optimistisch. Denn Biden hat jetzt vor allem China im Sinn. In seinem Wirtschaftsplan „Made in all of America“ kommen die Begriffe „China“ und „chinesisch“ 28 Mal vor – ein anderes Land erwähnt Biden nicht.
Keine Verschnaufpause für die EU
Bidens China-Fokus in der Handelspolitik bringt die EU in die Bredouille. Wenn sie sich vollends auf die Seite der USA schlägt, riskiert sie eine direkte Konfrontation mit China, was bislang vor allem auf Druck der Bundesregierung hin vermieden wurde. Denn fast die Hälfte der EU-Warenexporte nach China kommen aus Deutschland. Bislang fehlt der EU aber eine eindeutige China-Strategie. Obwohl sie das Land als Systemrivalen bezeichnet und die chinesische Regierung Menschenrechte nach wie vor mit Füßen tritt, hat die Union Ende 2020 ein Investitionsschutzabkommen mit China übereilt durchgewinkt. Gemeinsam mit den USA wären wahrscheinlich mehr Zugeständnisse Chinas drin gewesen.
Neues Handelsabkommen würde China unter Druck setzen
Doch auch ohne den Bruch mit Peking ist eine Kooperation mit den USA in Sachen China möglich. Die EU und die USA sollten weitere Länder für ein Handelsabkommen gewinnen, das neue, über die WTO hinausgehende Liberalisierungen und vor allem schärfere internationale Regeln gegen Wettbewerbsverzerrungen festschreiben würde. So würde man den Ball China zuspielen: Entweder es beteiligt sich an dem Abkommen und hält sich an die Regeln. Oder es stimmt einer substanziellen Reform der WTO-Regeln für Industriesubventionen zu.
Ist China zu keinem dieser Schritte bereit, kann das Abkommen immer weiter ausgebaut und zu einer alternativen Welthandelsordnung entwickelt werden. Eine Möglichkeit wäre eine erweiterte und überarbeitete Transpazifische Partnerschaft (CPTPP). Deren Inhalt muss zwar auf den Prüfstand gestellt werden, doch sollte der Aufschlag für eine Reform der globalen Handelsordnung strategische Priorität für die EU und die USA haben.
Galina Kolev / Jürgen Matthes: It's all about China, stupid! – Handelspolitische Perspektiven nach dem Machtwechsel in den USA
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