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Krisengipfel IW-Nachricht 20. Juli 2011

Fünf Argumente für den Rückkauf griechischer Staatschulden durch die EFSF

Die europäische Politik tut sich schwer, die griechische Schuldenkrise zu lösen, kommt ihre Aufgabe doch nahezu einer Quadratur des Kreises gleich.

Es gilt eine Lösung zu finden, die die Privatgläubiger beteiligt, den Kreditbedarf für ein neues Hilfspaket begrenzt, die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank wahrt und einen harten Schuldenschnitt vermeidet, der als Zahlungsausfall gewertet würde und über die dadurch wohl unvermeidlichen geringeren Ratings zu Ansteckungseffekten auf andere Länder führt. Zudem ist es wichtig, Griechenland eine Perspektive zu bieten, wie es sich aus dem Schuldensumpf befreien kann.Der schrittweise Aufkauf von derzeit am Sekundärmarkt, also zwischen Investoren gehandelten griechischen Staatsschulden durch den Rettungsschirm EFSF erfüllt diese Bedingungen. Ein solches Vorgehen hat gleich mehrere Vorteile:

1. Die privaten Gläubiger würden am Rettungspaket für Griechenland in dem Umfang beteiligt, wie Anleger ihre griechischen Staatsanleihen an den EFSF verkaufen. Denn viele Anleger würden bei einem Verkauf Verluste realisieren, weil sie die Staatsanleihen zuvor zu höheren Kursen gekauft haben. Möglicherweise lassen sich so auch Banken, Versicherungen und andere Investoren einbeziehen. Das internationale Bankeninstitut hat immerhin auch einen Schuldenrückkauf vorgeschlagen und dürfte sich kooperativ zeigen.

2. Das Volumen der notwendigen Kredite, die der EFSF selbst für das neue griechische Hilfspaket aufnehmen muss, würde höchstwahrscheinlich vermindert. Die vom EFSF gekauften Papiere könnte Griechenland dann nicht wie üblich zum Nennwert, sondern nur zum niedrigeren Kauf- bzw. Marktpreis ablösen. Zudem würde der EFSF von den (im Verhältnis zum Kaufpreis) hohen Zinsen der aufgekauften griechischen Staatsanleihen profitieren. Griechenland könnte so seine Staatsschulden merklich senken. Zu prüfen ist allerdings, ob eine Übertragung der Papiere vom EFSF an Griechenland zum niedrigeren Marktpreis möglich ist, ohne dass dies von den Ratingagenturen als ein Zahlungsausfall (Default) gewertet wird. Aber auch eine Rückzahlung zum Nennwert dürfte das Kreditvolumen verringern, denn der Rückkauf durch den EFSF schafft mehr Transparenz und stoppt die Spekulationsspirale gegen Griechenland, die immer wieder neue Rettungspakete nötig macht.

3. Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte die von ihr aufgekauften griechischen Staatsanleihen nach und nach an den EFSF abgeben. Durch diese Portfolio-Bereinigung würde die Unabhängigkeit der EZB gestärkt und sie könnte ihre Rolle als Hüterin des Euro wieder besser wahrnehmen.

4. Der Aufkauf der Anleihen am Sekundärmarkt durch den EFSF wird nach den Regeln der Ratingagenturen nicht als Kreditereignis oder Zahlungsausfall (Default) eingestuft. Der Rettungsschirm tut damit nur das, was die EZB bereits zuvor getan hat – und darauf haben die Ratingagenturen nicht reagiert.

5. Das graduelle Vorgehen würde den (gegebenenfalls) nötigen Abschreibungsbedarf der Banken zeitlich strecken. Ein Schuldenschnitt würde dagegen auf einen Schlag zu (je nach Forderungshöhe) erheblichen sofortigen Abschreibungen führen und könnte die Solvenz einzelner Banken gefährden.

Das Risiko, dass durch den Aufkauf des EFSF die Kurse für griechische Anleihen deutlich steigen – und damit die Kosten des Rettungspakets – lässt sich mindern. So kann die EZB ihre Verkäufe so dosieren, dass sie die Kurse niedrig hält. Gleiches gilt für die im Staatsbesitz befindlichen Bad Banks (in Deutschland die Hypo-Real Estate und die WestLB). Ohnehin wirken auch Marktkräfte einem Kursanstieg entgegen, denn wenn es zu einer deutlichen Kurserholung kommt, steigen auch die Verkaufsanreize und das Angebot griechischer Anleihen wird größer, was tendenziell preissenkend wirkt.

Unabhängig von einem Schuldenrückkauf ist – wie auch schon vorgesehen – ein neues Hilfspaket für Griechenland nötig, das auch Investitionen umfassen sollte, um der Wirtschaft kurz- und mittelfristig neue Wachstumsimpulse zu geben. Das Hauptziel des Rettungspaketes liegt aber darin, Zeit zu kaufen, damit sich die anderen hoch verschuldeten Eurostaaten bis 2014 aus der Gefahrenzone sozusagen herausreformieren können und somit die Ansteckungsgefahren gemindert werden. Mehr Zeit ist auch dafür nützlich, dass das europäische Bankensystem weiter gesundet und die griechischen Reformen zu greifen beginnen.

Der Nachteil dieser Strategie liegt freilich darin, dass die europäischen Steuerzahler für noch mehr griechische Schulden haften. Um hier eine realistische Rückzahlungsperspektive zu schaffen, sollten die Kredite eine sehr lange Laufzeit (etwa 20 Jahre) und nicht zu hohe Zinsen haben. Auch das Reformprogramm für Griechenland braucht eine längere Perspektive. Denn die Strukturprobleme sind so gravierend und der Reformbedarf ist so groß, dass es längere Zeit dauern wird, bis Griechenland die Reformfrüchte ernten kann. Eine Rückkehr an den Finanzmarkt wird erst dann möglich sein, wenn das Land über längere Zeit demonstriert hat, dass es seinen Schuldenstand (durch ausreichende Primärüberschüsse) nennenswert zurückführen kann.

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