In Deutschland leben rund 15,8 Prozent der Menschen in Armut. Trotz Rekordbeschäftigung hat sich hier zuletzt nur wenig getan. Das liegt vor allem daran, dass sich die Gesellschaft heute anders zusammensetzt als noch vor einigen Jahren.
Armut: Mit Arbeit und Bildung gegensteuern
Armut stört: So nennt die Nationale Armutskonferenz (NAK) ihren neuen Schattenbericht, der passend zum heutigen Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut erschienen ist. Die Veröffentlichung, an der Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften mitgewirkt haben, ist das inoffizielle Gegenstück zum Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Armut stört nicht nur die Betroffenen, betont die NAK, sondern auch die Gesellschaft: Trotzdem messe sie dem Thema zu wenig Bedeutung bei und würde es am liebsten ignorieren, so der Vorwurf. Korrekt ist: Bei der Armutsbekämpfung gibt es noch viel zu tun. Gleichzeitig ist der Trend steigender Betroffenheit schon seit dem Jahr 2005 gebrochen.
In Deutschland galten im Jahr 2017 laut Mikrozensus 15,8 Prozent der Menschen als von Armut bedroht. Das bedeutet: Sie haben weniger als 60 Prozent des bedarfsgewichteten mittleren Haushaltsnettoeinkommens zur Verfügung. Trotz Rekordbeschäftigung ist dieser Wert in den vergangenen Jahren nicht zurückgegangen. Dafür gibt es allerdings einen einfachen Grund: Die gesellschaftliche Struktur hat sich verändert. So gibt es in Deutschland heute mehr Singlehaushalte und mehr Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung als noch vor einigen Jahren.
Insbesondere die Migration hat verhindert, dass weniger Menschen in Armut leben. Das könnte sich in den kommenden Jahren wieder ändern: Wenn die Betroffenen erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden, sollte auch die Armutsquote weiter sinken – wie es in den vergangenen Jahren schon bei Menschen ohne Migrationshintergrund zu beobachten war. Bemerkenswert: Obwohl die Arbeitslosigkeit immer weiter zurückgeht und immer mehr Menschen in den Arbeitsmarkt integriert sind, stagniert die Armutsgefährdungsquote der Erwerbstätigen seit 2011.
Bei Arbeit geht es längst nicht nur um Einkommen: Wer arbeitet, nimmt am gesellschaftlichen Leben teil. Der Staat sollte deshalb mehr unternehmen, um Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden. Außerdem sind mehr Betreuungsangebote nötig, die dabei helfen, Familie und Beruf besser zu verbinden: Gerade alleinerziehende Mütter und Väter brauchen hochwertige, flächendeckende Ganztagsbetreuung. Bisher warten sie oft monatelang auf Krippen- und Kitaplätze, besonders für Unter-3-Jährige, und können deshalb nicht im gewünschten Umfang arbeiten. Flächendeckende Betreuung würde nicht nur den Eltern helfen, sondern auch Kinderarmut verringern.
Geringqualifizierte wiederum benötigen eine gute Betreuung durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) und Fortbildungen, die sie gezielt auf die stetig neuen Anforderungen im Arbeitsmarkt vorbereiten. In vielen Branchen haben Unternehmen seit Jahren Schwierigkeiten, Fachkräfte zu finden. Daher sollten Arbeitsgeber und die BA noch enger miteinander kooperieren, um betriebsnahe Angebote zu entwickeln, die Langzeitarbeitslose für die tatsächlich offenen Stellen qualifizieren. Das kostet Geld, ist jedoch aus sozial- und beschäftigungspolitischer Sicht dringend notwendig und richtig.
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