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(© Foto: iStock)
Jochen Pimpertz IW-Nachricht 15. Mai 2020

Grundrente verfehlt eigene Ansprüche

Die Grundrente der Bundesregierung hilft vielen Bedürftigen nicht, begünstigt aber Ruheständler, die zusätzlich zur Grundrente über Vermögen verfügen. Tatsächlich könnte es mit der Grundrente sogar mehr Rentner geben, die steuerfinanzierte Grundsicherung in Anspruch nehmen müssen.

Der Bundestag debattiert heute über die Frage, wie und in welcher Form die Grundrente eingeführt werden soll. Das Ziel: Lebensleistung langjährig Versicherter besser berücksichtigen und vor Altersarmut schützen. Allerdings sind davon längst nicht alle Rentner betroffen – dadurch provoziert die Grundrente neue Ungerechtigkeiten.

Lebensleistung mit zweierlei Maß

So wird die Rentenaufstockung nur gewährt, wenn mindestens 33 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt wurde. Wer zum Beispiel länger selbständig gearbeitet und privat vorgesorgt hat, erhält im Zweifel keine Grundrente.

Auch den Beitragszahlern drohen Ungleichbehandlungen. Denn von der geplanten Aufstockung profitieren beispielsweise Rentner, die 35 Jahre freiwillig in Teilzeit gearbeitet haben und dabei im Schnitt weniger als 80 Prozent des Durchschnittsverdienstes erzielt haben. Wer dagegen weniger als 35 Jahre in Vollzeit gearbeitet hat, geht leer aus – auch dann, wenn er in der Summe gleich viele Beiträge eingezahlt hat wie andere nach jahrzehntelanger Teilzeit.

Armutsprävention selektiv

Fein raus sind diejenigen, die bei geringer Rente zusätzlich auf Vermögen zurückgreifen können. Das bleibt nämlich – anders als in der Grundsicherung – bei der Prüfung der Zugangsvoraussetzungen außen vor.

Umgekehrt reicht selbst die Grundrente nicht in jedem Fall für ein Alterseinkommen oberhalb des Grundsicherungsniveaus. Denn ausgerechnet diejenigen, die nur sehr niedrige Renten bekommen, bleiben selbst bei einer Verdoppelung ihrer ursprünglichen Ansprüche möglicherweise auf die Grundsicherung angewiesen – sofern sie keine anderen Einkommensquellen haben. So droht all jenen Menschen eine Stigmatisierung, die – aus welchen Gründen auch immer – am Lebensabend den Gang zum Sozialamt antreten müssen.

Mehr Grundsicherungsanträge

Die Bundesregierung selbst rechnet sogar mit mehr Grundsicherungsempfängern. Denn bis zu 25 Prozent des Alterseinkommens sollen bei der Festsetzung der steuerfinanzierten Hilfe anrechnungsfrei bleiben. Das Geld steht zusätzlich zur Verfügung. Davon profitieren Bezieher einer Grundrente, die auch nach der Aufstockung auf Hilfen angewiesen sind. Neu hinzu kommen aber auch Personen, die bislang aufgrund ihres Alterseinkommens nicht anspruchsberechtigt gewesen sind, jedoch nach Abzug des anrechnungsfreien Anteils unter die Bedürftigkeitsschwelle fallen.

Und es droht weiteres Ungemach. Denn sobald mehr Menschen Grundsicherung im Alter beziehen, ist mit neuerlichem Ruf nach weiteren Anpassungen der Gesetzlichen Rentenversicherung zu rechnen. 

Hilfreich wäre stattdessen, die Grundsicherung zu rehabilitieren. Das könnte gelingen, wenn die Bedürftigkeitsprüfung so organisiert wird, dass Betroffene weniger Scham empfinden müssen.
 

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