Warum sind so viele unterschiedliche Arbeitszeitmodelle entstanden und profitieren davon auch die Mitarbeiter? Interview mit Ökonom Oliver Stettes vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln in der Wirtschaftszeitung AKTIV.

Flexibilität hilft Betrieben und Beschäftigten
Früher hatte jede Firma, etwas zugespitzt formuliert, nur ein einziges Arbeitszeitmodell, es galt für alle – fertig. Das hat sich ja sehr stark verändert. Warum eigentlich?
Die enorme Vielfalt, die wir inzwischen in vielen Betrieben sehen, speist sich aus zwei Entwicklungen. Einerseits haben wir in Deutschland sehr kurze Wochenarbeitszeiten, zudem ist Arbeit sehr teuer: Für die Unternehmen geht es also darum, Arbeit so effektiv wie möglich einzusetzen, angepasst ans Auftragsvolumen. Dieses betriebliche Interesse an Flexibilität hat sich in den letzten 20 Jahren noch verstärkt. Andererseits haben sich die Belegschaften verändert, vor allem durch die sehr stark gestiegene Beschäftigung von Frauen. Arbeitskräfte müssen heutzutage ganz unterschiedliche private Anforderungen bewältigen: Auch sie benötigen also möglichst viel Flexibilität.
Und die Chefs haben das verstanden?
Ja. Unser „Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit“ zeigt, wie das Thema über die Jahre an Bedeutung gewonnen hat. Wer die zeitlichen Wünsche von Mitarbeitern heutzutage nicht erfüllen kann, verliert als Arbeitgeber an Attraktivität.
„Neun von zehn Beschäftigten sind happy im Job“
Sind die Mitarbeiter deswegen denn zufriedener als früher mit ihrer Arbeit?
Da muss ich etwas ausholen. Die große „Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen“, bekannt unter dem englischen Kürzel EWCS, belegt: Die Qualität der Arbeit in Deutschland ist sehr hoch. 88 Prozent sind nach jüngsten Daten aus dem Jahr 2015 zufrieden. Also: Neun von zehn sind happy im Job! Das kann man sich ruhig mal merken, denn das Ergebnis für Deutschland liegt schon sehr lange konstant auf diesem hohen Level. Klar, der Termindruck hat zum Beispiel zugenommen – aber die Arbeit kann dafür auch autonomer erledigt werden als früher. Das gleicht sich letztlich offenbar aus, die Balance zwischen Anforderungen und Handlungsmöglichkeiten bleibt gewahrt.
Wie ist das denn mit den oft diskutierten Mails nach Feierabend: mehr Flexibilität, sicher, aber auch ein Fortschritt?
Auch Mitarbeiter wollen oft raus aus dem starren Arbeitszeitkorsett. Viele sehen es nicht als problematisch an, wenn sich Beruf und Privatleben etwas vermischen! Eine IW-Studie zeigt deutlich: Gerade Mitarbeiter, die hin und wieder von zu Hause aus arbeiten können, sind zufriedener als solche, die nie mobil arbeiten. Weil sich so Familie und Beruf besser vereinbaren lassen.
Allerdings passiert das oft in einer gesetzlichen Grauzone …
Ja. Die Vorgabe einer 11-stündigen Ruhezeit im deutschen Arbeitszeitgesetz passt nicht zu solchen Bagatellen. Ein paar Mails oder Telefonate am Abend sollten doch kein Problem sein. Die Unternehmen benötigen da Rechtssicherheit – und zwar möglichst rasch. Wird die örtliche Flexibilität denn weiter zulegen? Ja, davon gehen wir aus: Smartphone und Tablet öffnen grundsätzlich die Tür für mobiles Arbeiten und mehr Homeoffice. Aber auch auf Dauer wird dafür längst nicht jeder Arbeitsplatz infrage kommen, zum Beispiel, wenn die Zusammenarbeit im Team eine große Rolle spielt.
Zum Interview auf aktiv-online.de

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