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Michael Voigtländer in Capital Interview 3. Juli 2019

„Durch den Mietendeckel wird der Mietwohnungsmarkt kleiner“

In Berlin will der Senat Mieterhöhungen für fünf Jahre verbieten. Welche Folgen hat der Mietendeckel für Vermieter und Mieter? Ein Interview mit dem IW-Immobilienökonom Michael Voigtländer in Capital.

Das Ziel des Mietendeckels ist es, dass Mietwohnungen in Berlin bezahlbar bleiben. Halten Sie den Ansatz für richtig, um das Problem steigender Mieten zu lösen?

Nein. Wir haben ein echtes Knappheitsproblem. Wir haben zu wenig Wohnungen und sehr viele Nachfrager. Durch den Mietendeckel ändert sich an dieser Relation nichts, sondern die Wohnungen werden nur anders verteilt. Das Grundproblem der fehlenden Wohnungen kriege ich damit nicht gelöst. Stattdessen treibe ich eigentlich noch mehr Menschen dazu an, Wohnungen in Berlin zu suchen, was die Knappheit sogar noch weiter verschärft. Und wir haben für die Bestandswohnungen schon sehr viele Regeln. Im Bestand Mieten zu erhöhen ist nicht so einfach. Es gibt zum Beispiel die Regel, dass man innerhalb von vier Jahren nur um maximal 15 Prozent erhöhen darf. Das einzig schwierige ist das Thema Modernisierung, aber auch da gibt es mittlerweile schon Kappungen auf maximal 2 bzw. 3 Euro je nach Miethöhe. Von daher sind Bestandsmieter eigentlich relativ gut geschützt. Wenn man die Miete noch weiter einfriert, ist nicht einmal der Realwertausgleich vorhanden. Das bedeutet, das Wohnen wird jedes Jahr sogar noch günstiger, jedenfalls wenn andere Preise und Einkommen steigen. Und viele Berliner leben trotz anderslautender Berichte ja auch noch relativ günstig. Es gibt einen großen Abstand zwischen den Bestandsmieten und den Neuvertragsmieten, von daher sehe ich keinen hinreichenden Grund die Bestandmiete noch einmal extra schützen zu müssen.

Welche Nachteile entstehen für die Vermieter durch den Mietendeckel?

Für die Vermieter entsteht natürlich der Nachteil, dass sie weniger Einnahmen haben und weniger Rendite erzielen können. Das kann zu Ausweichreaktionen führen, die letztlich dazu führen, dass ein Instrument wie der Mietendeckel auch zum Nachteil des Mieters funktioniert. Durch die Deckelung haben Vermieter kaum noch Anreize, in die Instandsetzung zu investieren, weil sie die Wohnung bei den vorhandenen Preisen ohnehin loswerden würden. Oder aber es entstehen Schattenmärkte, auf denen versucht wird auf andere Art und Weise das Geld zu bekommen – beispielsweise indem man den Parkplatz teurer vermietet oder sehr hohe Abstandszahlungen für Küche oder anderes Inventar verlangt. Zudem würden Vermieter wohl vermehrt an Selbstnutzer verkaufen, weil diese eine Zahlungsbereitschaft haben, die sich an den tatsächlichen Knappheitsverhältnissen orientiert. Was dann passiert lässt sich beispielsweise in Großbritannien beobachten, wo fast alle privaten Vermieter den Markt verlassen haben. Das heißt also: Der Mietwohnungsmarkt würde schnell kleiner.

Welche weiteren Fallstricke sehen Sie für die Mieter?

Wie gesagt, der Zugang zu Wohnraum wird schwieriger. Typischerweise versuchen dann auch noch mehr Menschen in der Stadt zu wohnen. Wir haben schon jetzt das Problem, dass sehr viele Brandenburger in Berlin Wohnraum suchen. Mit dem Mietendeckel werden es vielleicht noch mehr versuchen, weil sie sagen, so teuer ist es dann doch nicht. Andere wiederum stellen fest, dass ein Wohnungswechsel schwierig ist, sie bleiben also in ihren Wohnungen. Der Wohnungsmarkt wird damit zunehmend schwieriger zugänglich und Vermieter werden sich im Zweifelsfall auch eher die einkommensstarken Haushalte – womöglich ohne Kinder – raussuchen. Das bedeutet für die, die eigentlich bedürftig sind, die besondere Probleme oder geringe Einkommen haben, dass sie nicht mehr zum Zuge kommen.

Eigentlich sollte schon die 2015 eingeführte Mietpreisbremse unverhältnismäßigen Mieterhöhungen einen Riegel vorschieben. Warum wirkt sie nicht?

Die Mietpreisbremse ist relativ kompliziert. Sie erfordert die Initiative der Mieter. Viele Mieter wissen aber gar nicht, was die ortsübliche Vergleichsmiete für ihre Wohnung ist bzw. wie der Mietspiegel überhaupt aussieht. Manchmal ist der Mietspiegel auch nur kostenpflichtig zugänglich. Zudem verlangt die Mietpreisbremse, dass der Mieter den Vermieter verklagt. Wenn man gerade froh ist, eine Wohnung gefunden zu haben, ist das natürlich schwierig.

Wie lässt sich dann verhindern, dass die Mieten von Bestandswohnungen steigen?

Das Problem stellt sich dann nicht, wenn genug andere Wohnungen vorhanden sind, also, wenn wir tatsächlich einen größeren Wettbewerb haben. Wir sehen zum Beispiel in Hamburg, wo die Bautätigkeit deutlich besser vorankommt, dass der Anstieg der Mietpreise abflacht. Die Mieten steigen zwar noch, aber nicht mehr so stark wie zum Beispiel in Berlin. Neubau erzielt eine Wirkung. Wir müssen uns einfach klarmachen, dass eine Stadt wie Berlin um 40.000 Menschen pro Jahr wächst. Also muss man dann auch quasi eine Kleinstadt dazusetzen. Da hat man in den letzten Jahren einfach zu wenig getan. Wir müssen über wirklich große neue Bauprojekte nachdenken, über neue Stadtviertel, aber zum Beispiel auch über den Ausbau der Verkehrsanbindung an das Umland, denn auch das kann helfen. Wir müssen tatsächlich etwas tun, damit diese vielen Menschen in der Metropolregion unterkommen können.

Was fordern Sie von der Politik, um den Neubau zu fördern und den Anstieg der Mieten zu bremsen?

Es gibt aus meiner Sicht drei Ansätze. Das Eine ist, den Stadtbau unterstützen und für Städte Anreize setzen zu wachsen. Da könnte eine Unterstützung von Seiten des Bundes helfen, eine echte Städtebauförderung. Denn wir haben zwar so etwas wie eine Städtebauförderung, die richtet sich aber nur an den Stadtumbau. Wir brauchen auch für den Neubau eine Unterstützung für die Städte. Das Zweite ist, dass wir das Umland stärken müssen. Die Wanderungsbewegungen nach Berlin, Hamburg und München reflektieren die Schwäche anderer, ländlicher und strukturschwacher Regionen, die an Bevölkerung verlieren. Wir müssen überlegen, wie wir diese Standorte stärken können, zum Beispiel über Hochschulansiedlung, Breitbandinternetausbau und Verkehrsinfrastruktur. Das Ziel sollte es sein, dass Menschen sagen ‚Ich wohne in einer ländlichen Region, aber ich kann trotzdem bequem in die Metropolen pendeln und habe aber auch hier vor Ort Perspektiven‘. Die starke Konzentration auf die Großstädte, die wir im Moment erleben, ist eben auch ein Reflex auf die Schwäche der anderen Regionen. Das Dritte ist, gezielt solchen Haushalten zu helfen, die Schwierigkeiten haben auf dem Wohnungsmarkt. Dazu müsste man zum Beispiel das Wohngeld stärken und überlegen, ob wir Sozialwohnungen besser nutzen können. Wir haben dort eine sehr hohe Fehlbelegung. Es wäre sinnvoll, wenn wir es durch bessere Instrumente – zum Beispiel durch eine zeitliche Befristung von Sozialwohnungen – schaffen, dass Sozialwohnungen gezielt denen zukommen, die tatsächlich geringe Einkommen haben.

Wie lautet Ihre Prognose: Welche wirtschaftlichen Folgen wird der Mietendeckel haben?  

Ich glaube, der Mietendeckel wird gravierende Folgen haben. Ich habe schon beschrieben, dass er dazu führen wird, dass sich der Mietwohnungsmarkt verkleinert und die Qualität der Wohnungen abnimmt. Zudem ist der Mietendeckel natürlich auch ein Signal an viele Unternehmen, dass die Regulierung in Berlin immer wilder wird und ich glaube, dass das Strahlkraft haben wird. So werden viele Unternehmen abseits der Immobilienwirtschaft ihre Standortentscheidung noch einmal überdenken.

Zum Interview auf capital.de

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