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(© Foto: juergen2008/iStock)
Michael Voigtländer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Interview 4. November 2016

"Die Wohneigentumsquote stagniert"

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellte vier Fragen an Michael Voigtländer, Immobilienökonom im Institut der deutschen Wirtschaft Köln, über die besonders hohen Nebenkosten beim Hauskauf in Deutschland.

Sie haben die Nebenkosten des Immobilienerwerbs in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden untersucht. Wie schneidet Deutschland da ab?

Von den drei Ländern ist Deutschland das teuerste Land, und zwar deutlich. Dies beginnt schon bei der Besteuerung: In Deutschland beträgt der Grunderwerbsteuersatz mindestens 3,5 Prozent, in einigen Bundesländern auch 6,5 Prozent. In den Niederlanden beträgt der Steuersatz dagegen nur 2 Prozent; in Großbritannien gibt es einen hohen Freibetrag von 125.000 Pfund, erst bei darüber hinausgehenden Beträgen müssen 2 Prozent und ab 250.000 Pfund 5 Prozent Steuer gezahlt werden. Auch bei den Notarkosten und Grundbuchkosten liegt Deutschland deutlich über den Vergleichsländern. Hier sparen britische und niederländische Haushalte mehr als die Hälfte. Bei einem Kauf einer Wohnung von 250.000 Euro müssen in Deutschland zwischen 11.500 Euro und 20.000 Euro an Nebenkosten aufgebracht werden, in den Niederlanden sind es dagegen maximal 6.500 Euro und in Großbritannien maximal 3.250 Euro.

Was bewirken die hohen deutschen Nebenkosten am Wohnungsmarkt?

Die Rahmenbedingungen für den Wohnungskauf sind derzeit besonders günstig. Die Einkommen sind gestiegen, der Arbeitsmarkt ist stabil, und die höheren Immobilienpreise werden überkompensiert durch die Zinsentwicklung. Trotz größerer Erschwinglichkeit stagniert die Wohneigentumsquote jedoch. Ein genauerer Blick in die Statistik zeigt sogar, dass nur sehr einkommensstarke Haushalte mehr Wohneigentum bilden, bei einkommensschwächeren Gruppen ist die Quote teilweise sogar rückläufig. Der hohe Kapitalbedarf ist hier sicherlich maßgeblich für diese Entwicklung. Neben den Erwerbsnebenkosten erwarten auch Banken eine Eigenkapitalquote von 10, besser 20 Prozent. In unserem Beispiel sind das noch einmal 25.000 Euro. Ein Haushalt in NRW braucht also 45.000 Euro, um Zugang zum Wohneigentumsmarkt zu bekommen - so viel Geld haben aber nur wenige Haushalte auf dem Konto. Würde der Haushalt ein paar Kilometer weiter westlich in den Niederlanden wohnen, bräuchte er nur 31 500 Euro, was den Wohnungskauf deutlich erleichtern würde.

Wie müsste man die Anreize verändern, um die ärgerliche Grunderwerbsteuer nennenswert zu senken?

Für die Bundesländer ist die Grunderwerbsteuer eine wichtige Einnahmenquelle, da die Einnahmen grundsätzlich nicht in den Länderfinanzausgleich einfließen. Dies erklärt auch, warum gerade finanzschwache Länder wie NRW oder Berlin die Steuer besonders stark erhöht haben. Dieses Privileg, das einmal eingeführt wurde, um einen zu starken Steuerwettbewerb zu vermeiden, müsste entfallen, damit Senkungen realistisch werden. Kurzfristig wird dies aber nicht möglich sein. Es wäre jedoch zu überlegen, ob es auch aufkommensneutrale Reformen gibt, die den Wohnungskauf erleichtern können. Ein Freibetrag wie in Großbritannien würde gerade Haushalten mit niedrigen Einkommen helfen, Zugang zum Wohneigentum zu finden. Darüber hinaus sollte es möglich sein, die Zahlung der Steuer zu strecken, beispielsweise über einen Zeitraum von zehn Jahren. Dies würde den Haushalten mehr Flexibilität geben.

Brauchen wir überhaupt Notare bei normalen Immobiliengeschäften?

Dass es auch ohne Notare geht, zeigt das Beispiel Großbritannien. Dort werden Wohnungskäufer durch Anwälte beim Verkaufsprozess unterstützt, die darüber hinaus auch die Grundbucheintragung organisieren. Das Rechtssystem in Großbritannien lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen. Die Niederlande zeigen aber, dass Notarkosten deutlich geringer sein können als in Deutschland. In unserem Nachbarland hat man den Markt liberalisiert, weshalb die Gebühren insgesamt gefallen sind. Darüber hinaus sind die Gebühren nicht an den Immobilienwert geknüpft. Insbesondere die Anbindung der Gebühren an die Immobilienpreise ist unverständlich, sowohl Notare als auch die Grundbuchämter profitieren derzeit vom Immobilienboom - zu Lasten der Wohnungskäufer. Bei einer Reform sollte es wie in den Niederlanden feste Preise geben, die möglichst auch auf dem Niveau unserer Nachbarn liegen.

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