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IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer
Michael Voigtländer im Handelsblatt Interview 15. Dezember 2021

„Die eine oder andere Überraschung in Richtung Regulierung könnte es noch geben”

Die von der Ampelkoalition beschlossene Regulierung des Mietwohnungsmarkts dürfte laut IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Im Interview mit dem Handelsblatt Real Estate äußert er Kritik am Ressortzuschnitt des Bauministeriums und an den Neubauzielen der Regierung.

Herr Voigtländer, in den vergangenen Wochen wartete die Immobilienbranche gebannt darauf, welche bau- und wohnungspolitischen Vorhaben die neue Regierung präsentieren wird. Jetzt sind wir schlauer und richtige Gemeinheiten scheint es nicht zu geben. Wie lautet Ihr Fazit?

Die Branche kann sich in der Tat nicht beschweren. Angesichts von dem, was hätte kommen können, sind die Regulierungsvorhaben recht moderat ausgefallen. Außerdem wurde der Wunsch der Branche erfüllt und ein eigenes Ministerium fürs Wohnen und Bauen installiert. Ob das wirklich dazu führt, dass es bei der Digitalisierung der Bauämter oder bei der Beschleunigung von Plan- und Genehmigungsverfahren vorankommt, hängt stark von handelnden Personen ab. Insgesamt rechne ich aber damit, dass sich die Wohnungspolitik der letzten Jahre fortsetzen wird, mit etwas mehr Regulierung, was die Bestandsmieten angeht.

Die handelnden Personen im Bauministerium sind in der Branche mehr oder weniger unbekannte Gesichter. Ist das ein Nachteil oder eine Chance?  

Ganz unbekannt sind die beiden Staatssekretäre ja nicht. Sören Bartol war in der Vergangenheit schon mal mit der Abschaffung der Modernisierungsumlage vorgestoßen. Cansel Kiziltepe hat sich in Berlin für eine strengere Mietenregulierung starkgemacht. Ministerin Klara Geywitz ist tatsächlich ein unbeschriebenes Blatt. Das kann aber auch eine gute Chance sein, in einen Dialog einzutreten. Ich habe jedenfalls die Hoffnung, dass sie engagiert zu Werke geht und mit frischem Geist und unbelastet einige Themen anpacken wird.

Die Politik, für die die Staatssekretäre stehen, wird manchem Immobilienprofi den Angstschweiß auf die Stirn treiben.
 
Mag sein. Das Spielfeld im Koalitionsvertrag wurde weitestgehend der SPD und den Grünen überlassen. Vieles ist gesetzt. Aber über einzelne Themen, wie das kommunale Vorkaufsrecht oder die Einführung der Wohngemeinnützigkeit, wird noch intensiv diskutiert werden. Die eine oder andere Überraschung in Richtung Regulierung könnte es auch noch geben.

Dagegen spricht, dass die Verantwortung für die Mietenregulierung beim FDP-geführten Justizministerium liegt. Was halten Sie vom Ressortzuschnitt des Ministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen?

Es ist bedauerlich, dass der Bereich Heimat im Innenministerium bleibt, ebenso wie das Thema ländliche Räume beim Landwirtschaftsministerium. Wohnungspolitik und Regionalpolitik sind eng miteinander verzahnt. Je besser es gelingt, ländliche Räume zu attraktivieren, umso weniger Zuwanderungsdruck entsteht in den Großstädten. Letztlich muss man aber in der Praxis sehen, wie gut die Ministerien zusammenarbeiten.

Das Thema Gewinnbesteuerung von Immobilienverkäufen hat es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft. Kommt das nachträglich noch auf die Agenda?

Ich glaube nicht, dass die Veräußerungsgewinnsteuer im Nachhinein kommen wird. Es sei denn, es gibt nochmals konkreten Finanzierungsbedarf oder falls insgesamt über die Immobilienbesteuerung diskutiert werden sollte.

Vor Kurzem hatte sich das Ifo-Institut für die Einführung der Veräußerungsgewinnsteuer starkgemacht und andere Steuerprivilegien für Immobilienunternehmen kritisiert.  

Das Papier der Kollegen ist interessant. Bei der Veräußerungsgewinnsteuer kann man aber auch anderer Auffassung sein. Durch die Haltefrist von zehn Jahren, nach der ein Verkaufsgewinn steuerfrei ist, wird der Immobilienmarkt deutlich stabiler, weil Anleger einen Langfristhorizont einnehmen. Auch solche Argumente muss man hier berücksichtigen. Wo das Ifo-Papier aber einen guten Punkt gemacht hat, ist das Gewerbesteuerprivileg bei Wohnungsunternehmen. Darüber kann man in der Tat diskutieren. Und natürlich über die Share Deals: Da wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer anderen Struktur kommen, wodurch es unwirtschaftlich wird, Verkäufe als Share Deals durchzuführen.

Viele fragen sich, wer die 400.000 Wohnungen im Jahr bauen soll, die von der Ampelkoalition als Zielvorgabe ausgegeben wurden.

Unabhängig von der Machbarkeit brauchen wir gar nicht so viel Neubau. Zumindest nicht an allen Stellen. Nach unseren Berechnungen sind rund 308.000 Wohnungen pro Jahr ausreichend. In den Ballungszentren sollten wir die Bautätigkeit steigern. Es gibt aber viele Städte und Landkreise, die nicht mehr den großen Wohnraumbedarf haben und eher schrumpfen werden. Dort muss also weniger gebaut werden, sonst wird hier der Leerstand von morgen produziert.

Endet der Aufschwung am Wohnungsmarkt 2022, wie es einige Analysten prognostizieren?  

Klar ist, dass die idealen Rahmenbedingungen der vergangenen zehn Jahre aus Niedrigzinsen, Bevölkerungszuwachs und Wirtschaftsaufschwung nicht auf die kommenden Jahre fortgeschrieben werden. Insbesondere die Inflation wird für einen Dämpfer sorgen. Viele haben gehofft, dass sie lediglich vorübergehend steigt. Nun müssen sie aber zunehmend erkennen, dass sie sich verfestigt. Das hat Folgen für die Immobilienmärkte, denn die Zinsen werden anziehen. Das sehen wir bei den langfristigen Zinsbindungen schon. Das kann dem einen oder anderen institutionellen Investor Probleme bereiten, gerade wenn eng kalkuliert worden ist.

Häufig wird argumentiert, dass dies über Mieterhöhungen kompensiert werden kann.  

Das ist der normale Weg: Wenn die Inflation steigt, dann steigen auch die Mieten. Aber aktuell speist sich die Inflation aus höheren Energiepreisen und Verteuerungen bei langlebigen Gütern. Da bleibt einfach nicht mehr so viel Luft für zusätzliche Mieterhöhungen. Gerade in großen Städten könnte es Probleme geben. Dort werden die Wohnungsmieten auch im Neuvertragsbereich eher stagnieren, weil die Zahlungsfähigkeit mit teilweise deutlich über 15 Euro pro Quadratmeter für zahlreiche Haushalte bereits überschritten ist. Das wird die Wachstumsdynamik am Wohnungsmarkt bremsen, die Preise werden deswegen aber nicht runter rauschen. Ich sehe kein großes Korrekturpotenzial, sondern eher eine gewisse Normalisierung.

Also sollten Investoren ihren Blick auf Städte aus der zweiten und dritten Reihe richten?  

Richtig. Insbesondere sollten sie nach Ostdeutschland schauen. Dort sehen wir an vielen Standorten eine starke Dynamik und eine Art Konvergenzprozess zum westdeutschen Niveau. Langfristig gibt es aber auch in den Großstädten sehr gute Perspektiven. Selbst wenn die hohe Zuwanderung nachlässt und die Mieten nicht mehr so stark wachsen werden, wird es immer Nachfrager geben, die dort hinziehen werden. Ein Wohninvestment in Metropolen ist vergleichbar mit dem Kauf von Staatspapieren: Es gibt relativ wenig Rendite, aber dafür große Sicherheit.

Wenn der Peak am Wohnungsmarkt erreicht ist, könnte sich ein Verkauf lohnen.  

Ja, aber was sind die Alternativen für ein Anschlussinvestment? Da gibt es nicht viele. Das Halten ist also immer noch die bessere Strategie. Im Vergleich zu anderen Anlageklassen sind Immobilieninvestments immer noch lohnend. Man muss sich lediglich mit etwas moderateren Entwicklungen zufriedengeben.

Sind andere Nutzungsarten als Wohngebäude perspektivisch attraktiver?  

Ich denke nicht. Am Büromarkt herrscht nach wie vor große Unsicherheit. Je mehr Unternehmen das Homeoffice fest etablieren und den Mitarbeitern mehr Freiheiten geben, umso wahrscheinlich wird es, dass sie Flächen abgegeben werden. Das große Wachstumspotenzial sehe ich jedenfalls nicht. Der Einzelhandel leidet durch die Onlinekonkurrenz, im Logistiksektor sind die Preise mittlerweile auch schon sehr hoch. Abseits des Wohnens ist es nicht leicht, eine Assetklasse zu finden, die große Perspektiven bietet.

Was wird sich bei den Büromieten tun?  

Die werden sich weiter nach oben entwickeln, aber mit einem geringen Tempo, also allenfalls leicht aufwärts bis seitwärts.

Und beim Einzelhandel setzt sich die Korrektur fort?  

Das wird sehr spannend. Der Einzelhandel muss sich neu aufstellen und die Städte müssen sich überlegen, was Leute in die Stadt lockt. Die Fußgängerzonen brauchen mehr Eventcharakter und Einzelhändler, deren Produkte nicht ohne Weiteres im Internet zu finden sind. Die Stadt muss den Menschen einen Mehrwert bieten. Auf der anderen Seite sollten die Eigentümer von Geschäftshäusern Mietnachlässe als Investition begreifen, um die langfristige Vermietbarkeit zu gewährleisten. Das Schlimmste wäre, dass noch mehr Leerstand entsteht. Das könnte dann relativ schnell Abrutscheffekte auslösen und sollte unbedingt vermieden werden.

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