1. Home
  2. Presse
  3. EZB: Zinskurs schadet Deutschland
Michael Hüther in der Deutschen Presse-Agentur Interview 8. November 2013

EZB: Zinskurs schadet Deutschland

Im Kampf gegen die Mini-Inflation und holprige Konjunkturentwicklung hat die Europäische Zentralbank die Zinsen im Euroraum fast auf Null gesenkt. Der Schritt stößt in Deutschland auf viel Kritik. IW-Chef Michael Hüther wirft der Notenbank sogar vor, Geldpolitik nur noch für den Süden zu machen.

Die EZB soll Geldpolitik für den gesamten Euroraum machen. Trifft das unter ihrem Präsidenten Mario Draghi noch zu?

Dieser Zinsschritt und auch schon der vorherige sind beides Maßnahmen, die nicht für den gesamten Euroraum angemessen sind. Von daher ist es eine Geldpolitik, die ausschließlich von den Krisenländern im Süden her gedacht ist. Es kann auf Dauer nicht gut gehen, wenn man den Rest vergisst. Hier ist der Bundesbank-Präsident gefordert, weil die dauerhaften Schäden dieser finanziellen Repression beachtlich sind.

Löst die Geldschwemme überhaupt die Probleme in Europa?

Ich wundere mich, dass man den Zins im Augenblick als wirksames Instrument sieht. Wir sehen in den Problemländern im Süden eine Störung des Kreditkreislaufs. Dort ist in der Tat ein Kreditklemmen-Phänomen zu beobachten. Das ist aber nicht durch Zinssenkungen zu lösen, denn das Problem liegt in den Bilanzen der dortigen Banken, die immer noch viel Müll da drin haben. Und man muss deshalb die Bilanzen bereinigen. Solange man nicht wirklich bereit ist, über eine Bad-Bank-Lösung dieses Problem gezielt anzugehen, ist alles andere wirkungslos.

Heißt das, die deutschen Sparer zahlen die Zeche?

Was wir erleben, ist eine finanzielle Repression. Die Verzinsung liegt bei uns unterhalb der Inflationsrate oder knapp dabei, das heißt, die Sparer werden in erhebliche Probleme gebracht. Diejenigen, die für das Alter vorsorgen, müssen nachschießen, um das Sicherungsniveau zu erreichen. Man kann vorübergehend solche Zinsniveaus akzeptieren, aber jetzt wird deutlich, dass es noch ein länger währendes Phänomen ist, dass wir im Grunde gar nicht erkennen, wann die Korrektur eingeleitet wird. Und nach allem, was wir jetzt sehen, wird sie mit Sicherheit nicht im nächsten Jahr eingeleitet. Das ist für alle, die vor Anlageentscheidungen stehen, problematisch. Insofern gibt es eine Art Anlagenotstand.

Wie hoch müsste der Leitzins für Deutschland sein?

Wenn man den Wachstumstrend als grobe Indikation nimmt, der bei 1,5 Prozent real in den nächsten drei bis vier Jahren liegt plus Inflationstrend, dann beträgt der neutrale Zins eher 3 bis 3,5 als 0,25 Prozent. Insofern ist dieses Zinsniveau gerade für Mitteleuropa extrem fehljustiert. Und das ist das, was so schmerzt: Es löst die Probleme im Süden nicht - und verursacht hier Probleme. Deswegen habe ich den Zinsschritt nicht erwartet. Und ich verstehe ihn auch nicht.

Mehr zum Thema

Artikel lesen
De-Industrialisierung – Gefahr für den Finanz- und Wirtschaftsstandort Deutschland?
Markus Demary Veranstaltung 29. April 2024

33. Finanzmarkt Round-Table: De-Industrialisierung – Gefahr für den Finanz- und Wirtschaftsstandort Deutschland?

Das Institut der deutschen Wirtschaft, die DekaBank und die Börsen-Zeitung laden Sie zum Finanzmarkt Round-Table am Montag, den 29. April 2024 von 10:30 bis 12:30 Uhr ein. Der Round-Table findet als Online-Veranstaltung statt.

IW

Artikel lesen
Hagen Lesch Pressemitteilung 18. April 2024

Tarifverhandlungen 2024: Es droht eine höhere Inflation

Im Frühjahr stehen weitere Tarifverhandlungen in der Chemie- und Baubranche sowie dem Bankwesen an. Beharren die Gewerkschaften auf ihre hohen Forderungen, könnte dies auch die Inflation wieder hochtreiben. Davor warnt eine neue Studie des Instituts der ...

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880