1. Home
  2. Presse
  3. "Nur eine Banken: Rettung kann den Flächenbrand verhindern"
Michael Hüther in der Welt Interview 4. Juni 2012

"Nur eine Banken: Rettung kann den Flächenbrand verhindern"

Die Euro-Krise hat sich mit Macht zurückgemeldet. Spanien gilt als neuer Wackelkandidat. Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), Michael Hüther, warnt jedoch davor, das große Land unter den Rettungsschirm zu zwingen. Die Krisenpolitik sollte vielmehr direkt bei den Banken ansetzen.

In der EU wird an Plänen für eine politische Union gearbeitet. Ziel ist eine gemeinsame Finanz-, Steuer-, Außen- und Sicherheitspolitik. Ein richtiger Ansatz?

Die politische Union ist ein Langfrist-Ziel für die nächsten 25 bis 30 Jahre. In der aktuellen Schulden- und Vertrauenskrise bringt uns diese Debatte jedoch kein Stück weiter. Hier helfen nur die auf den Weg gebrachten, aber noch nicht ausreichenden Strukturanpassungen in den Krisenländern zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Darüber hinaus brauchen wir glaubwürdige und noch weitergehende Maßnahmen der Gemeinschaft, um einen Flächenbrand zu verhindern.

Nach Griechenland sorgt nun vor allem Spanien für Panik an den Märkten. Sollte das viertgrößte Euro-Mitglied zu Hellas, Irland und Portugal unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen, wie die Kanzlerin drängt?

Nein, die Spanier unternehmen erhebliche Anstrengungen, um wettbewerbsfähiger zu werden. Bis die Maßnahmen greifen, braucht es allerdings einige Zeit. Der Kern des Schuldenproblems liegt in Spanien bei den Banken. Und hier sollte die EU ansetzen. Statt das ganze Land unter den Rettungsschirm zu zwingen, sollten die Euro-Länder gezielt die großen notleidenden Banken des Landes vor dem Zusammenbruch retten. Denn das würde die Spanier derzeit überfordern, so sehen es die Kapitalmärkte. Wenn man den Spaniern aber bei der Lösung ihres Banken-Problems unter die Arme greift, dann werden sie es selbst schaffen, die derzeitige Wirtschaftskrise in den Griff zu bekommen.

Die aktuellen Forderungen nach Einführung einer Bankenunion gehen also in die richtige Richtung?

Eine Bankenunion birgt sowohl Chancen als auch Risiken. Es kommt darauf an, wie sie konkret gestaltet wird. 29 Banken im Euro-Raum sind von der Europäischen Bankenaufsicht EBA als systemrelevant identifiziert worden. Das bedeutet, dass diese Institute so groß sind, dass ein Zusammenbruch unabsehbare Folgen für das europäische Finanzsystem nach sich zöge. Die Rettung solcher Banken liegt somit im Interesse aller Mitgliedstaaten. Derzeit herrscht an den Finanzmärkten jedoch Unsicherheit, ob die Gemeinschaft im Ernstfall für diese Banken einstehen würde. Um die Märkte nachhaltig zu beruhigen, wäre es deshalb sinnvoll, die Mittel des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) für die Stabilisierung der systemrelevanten Banken zu nutzen. Denn hier liegt die eigentliche Ursache der Vertrauenskrise. Hier muss man deshalb auch ansetzen. Das wäre zudem viel zielgenauer als der Ansatz der Bundesregierung: Angela Merkel will die ESM-Mittel nur den Ländern gewähren und diese sollen das Geld dann an die Banken weiterreichen. Doch der direkte Weg über die Banken wäre wirkungsvoller und im Zweifel auch viel kostengünstiger als der Umweg über die Länder. Der ESM würde – analog zum TARP-Programm der USA von 2008 – automatisch zum Miteigentümer, wenn er den Banken Kapital gibt. Auf diese Weise könnte er die Sanierung der Institute am besten kontrollieren.

Müsste hierfür der ESM-Vertrag noch einmal verändert werden?

Wenn sich die Geldgeber darauf verständigen, kann der ESM – oder sein Vorgänger, die EFSF – die Banken rekapitalisieren. Eine solche Krisenpolitik wäre allemal besser als die Verantwortung für die Stabilität des Finanzsektors weiterhin allein bei der Europäischen Zentralbank zu belassen, die für diese Aufgabe nicht länger strapaziert werden sollte.

Der Ruf nach einer Bankenunion beinhaltet vielfach auch die Forderung, den nationalen Einlagensicherungsfonds zu einem europäischen Sicherungsfonds für Spareinlagen zusammenzuschließen. Ist auch das nötig?

Ein europäischer Sicherungsfonds ist weder nötig noch sinnvoll. Warum sollen Sparer in Deutschland für Sparer in anderen Ländern in Haftung genommen werden?

Braucht es Euro-Bonds, um die Lage im Euroland zu beruhigen, wie es der französische Präsident fordert?

Euro-Bonds wären das Signal, dass man eine Haftungsgemeinschaft bildet. Dies setzte jedoch eine politische Union voraus, von der wir weit entfernt sind. Jetzt und hier wären Euro-Bonds Teufelszeug, denn eine Haftungsgemeinschaft ohne jede Kontrolle über die Fiskalpolitik der einzelnen Nationalstaaten führt ins Verderben.

Artikel im Original

Mehr zum Thema

Artikel lesen
„Erst schwächt Trump-Wahl uns, dann die USA”
Michael Hüther bei ntv ntv 6. November 2024

Deutsche Industrie unter Druck: „Erst schwächt Trump-Wahl uns, dann die USA”

20 Prozent Zoll auf EU-Importe, 60 Prozent auf Einfuhren aus China: Sollte Trump seine handelspolitischen Ankündigungen wahr machen, stehe der deutschen Wirtschaft eine harte Zeit bevor, sagt IW-Direktor Michael Hüther im Interview mit ntv. Letztlich werde ...

IW

Artikel lesen
Hubertus Bardt bei phoenix Interview 31. Oktober 2024

US-Wahl 2024: Hohe Zölle, Europa-Spaltung und Unkalkulierbarkeit bei Trump

Im Interview mit phoenix spricht IW-Geschäftsführer Hubertus Bardt über die Auswirkungen einer Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten.

IW

Mehr zum Thema

Inhaltselement mit der ID 8880